Zwischen den großen Zeitungsgruppen, die sich heute alle als Mediengruppe verstehen, findet m.E. eine Neuvermessung der (Geschäfts)Beziehungen statt. Sei es die gemeinsame Anzeigenfirma von Axel Springer und Funke Mediengruppe, Media Impact oder Sales Impact, geplant, im Vertriebsbereich. Auch die Gespräche in Berlin über eine größere Verlagskooperationen von Funke, DuMont und Holtzbrinck/Tagesspiegel sind oder waren ein Zeichen in diese Richtung. In den Verhandlungen um die Herausbildung einen starken und gemeinsamen Anzeigenkombi im überregionalen Geschäfts, die Übernahme der OMS durch Ströer, deren Kauf von Interactiv Media – dies findet unter Beteiligung statt oder ist nur unter Einbindung der großen Mediengruppen denkbar. Die Vergabe der Madsack Call-Center Aufträge an DuMont spricht genauso dafür wie die Teilvergabe von Satzaufträgen von Madsack am MZ Satz von DuMont. Am Beispiel des Nachfolgers vom Medienhaus Deutschland sprechen die Vertreter der großen Gruppen miteinander über ihr Marktvorgehen. Dazu werden Absprachen gehören, die nicht die Öffentlichkeit mitbekommen. Im Kartellrecht wird so etwas immer wieder mal sichtbar. Wenn ich sehe, was es alles an Absprache zum Kauf der MOPO z.B. 1999 gab und was davon die Öffentlichkeit erreicht hat, so sind es im Vergleich ein Blick auf die Startblöcke eines 100-Meter-Laufs.
Treiber sind auf der einen Seiten sinkende Erlässe im Kerngeschäft, die Kosten der bisherigen Unternehmensentwicklung sowie die Folgen der Wachstumsstrategie der vergangenen Jahre. Was heute als digitale Geschäftsidee verfolgt wird, kann der Bringer werden, aber sowohl im Bereich der Vermarktung und des digitalen Produktverkaufs zeichnet sich das zurzeit nicht ab. Über Pay Wall reden sie viel, vor allem, wenn man den Nutzern die Schuld gibt, dass sie angeblich das journalistische Produkt kostenlos nutzen. Die Investitionen in den Erwerb von Digitalfirmen zeigt, wo man hofft, in Zukunft zu wachsen. Man muss die Entwicklung in diesem Neugeschäft aber noch einmal gesondert analysieren.
Die Neuvermessung zielt darauf, die eigenen Kosten zu senken, auf der Basis der Neubestimmung des Kerngeschäft und neue Umsatzpotentiale zu erschließen. Der Verkauf des Content ist das Kerngeschäft. Die Dienstleistungserbringung wird im Rahmen der Neuaufstellung ebenfalls zur Debatte gestellt. Bietet man es selber an oder kauft man die Leistung ein? Wenn man selber nicht die entsprechende wirtschaftliche Größe aufbringen kann in dem jeweiligen Geschäftsfeld, wie am Beispiel der Konsolidierung der Call-Center oder der Vorstufentätigkeiten, so wird man die Leistung fremdvergeben.
Was bedeutet dies für Arbeitnehmer/innen? Noch weniger gilt der “alte Blick†vom eigenen Betrieb, um die Welt zu erklären. Unternehmerische Entscheidungen werden nicht mit aus der betrieblichen Perspektive gefällt, sondern sind bestimmt durch Marktentwicklungen und der sich daraus ergebenden Unternehmensstrategie bzw. deren Anpassung. Daraus können sich betriebliche Veränderungen ergeben. Kommen neben dem Marktprozessen noch unternehmenspolitische Strategien dazu, die weitere Abhängigkeiten berücksichtigen, ist die Folge von Ursache und betriebliche Wirkung noch komplizierter. Vor Ort, also im Betrieb, wird irgendwelcher Müll erzählt, um die waren Ursachen zu verschleiern. Der Vorstufenbetriebe der HAZ/NP wurde im Laufe des Jahres z.B. der Auftrag des Göttinger Tagblatts im Mai entzogen, jetzt der HAZ/NP. Vergeben wurden sie an MZ Satz, einem DuMont Betrieb. Den Beschäftigten sagt man, Auftrag HAZ/NP ist weg. In Wirklichkeit wurde die Strategie bei Madsack vermutlich schon vor längerem beschlossen.
Auf Arbeitnehmerseite kann es nur heißen, dass man neben die Betriebs- aber auch die Unternehmensgrenzen verlässt und den Austausch außerhalb dieser üblichen Räume sucht. Die gewerkschaftlichen Strukturen und deren Denken sind vor allem durch die Höchstzeit des Taylorismus und dem Wachstum der Druckindustrie bestimmt. Der gewerkschaftliche Einfluss in der Medienwirtschaft ist dagegen eher sehr gering. In diesem Spannungsfeld, also dem Ringen um die Identität in den Printmedien auf Arbeitnehmerseite und einen sich rasant veränderten Markt und Marktprozessen steht man hilflos oft gegenüber. Bisher versucht verdi, diese Frage der Arbeit in den Printmedien durch Seminare zu erwidern. Das wird der Entwicklung am Markt nicht mehr gerecht. Es geht vom dem Bild aus, dass man mit der gewerkschaftliche Stärke im Betrieb und dem absoluten Marktwachstum einen gegenseitige Win-Win-Situation erreichen kann.
Die Herausforderungen der digitalen Transformation und das Agieren der Medienunternehmen macht deutlich, dass sie die Getriebenen sind. Eine für ihren unternehmerischen Erfolg richtige Strategie können sie bisher nicht anbieten. Am Ende bleibt es dabei, dass man sinkende Einnahmen mit abzubauenden Kosten beantworten wird. Hier bleibt für uns unser Wirkungsfeld, aber auch mit Blick auf die bleibenden.
Die großen Mediengruppen verfolgen im wesentlichen die gleichen Grundstrategie in der Neuausrichtung. Aus ihrer bisherigen Entwicklung ergeben sich unterschiedliche Herausforderungen und auf Grund der Größe wie des Portfolios sicher auch andere Ausprägungen. Ihre finanzielle Situation treibt sie aber alle gemeinsam. Es wäre schön, wenn die Arbeitnehmer/innen-Interessenvertretungen ihren Platz sehen und eine Neubestimmung ebenfalls würden. Bisher ist hier leider noch nicht viel Strategie zu sehen.