Ich bin Anhänger einer „Raum-Theorie“, meint ein Konflikt findet in einem bestimmten Raum statt, der sich aber wieder in einem anderem größeren Raum befindet, in dem sich andere Räume befinden. In diesem kann es ebenfalls weitere geben. Zu den Überlegungen, wie man in einem Konflikt vorgeht, hängt entscheiden ab, dass man den Ausgangspunkt/-raum findet.
Irgendwann ist der Raum so irrational, weil man ihn nur noch (scheinbar) abstrakt beschreiben kann. Neben der Frage der Ausgangsursache und der Wirkung im „eigenen Raum“, stellt sich mir im auch der Aspekt, wo ich Akteure habe, auf die man Einfluss nehmen kann bzw. der Einfluss eine Steuerungsgröße ist oder wo ich neue Effekte bzw. Zusammenhänge neu generieren kann. Die Adressierbarkeit ist ebenso ein wichtiger Ausgangspunkt. Im eigentlichen Raum findet die Auseinandersetzung statt, aber es muss auch jeweils in den anderen Räumen auf die Wirkung geachtet werden. Je abstrakter der Raum, um so allgemeiner die Auseinandersetzung.
Zum „Raum“ gehört für mich auch eine Vorstellung davon, wie man z.B. Entwicklungen im Markt einschätzt, was für Entwicklungen es in Unternehmen gibt und ob sie Ausdruck eines Trends, in der Gruppe, im eigenen Unternehmen oder anderer etc. sind. Man muss eine Vorstellung davon haben, wo der eigene Platz in diesen Prozessen im eigenen Raum ist. Überschätzung ist ein gefährlicher Wegbegleiter.
Wenn z. B. eine Sanierungswelle über Unternehmen rüberfährt und die Interessenvertretungen nur die erste Erscheinungsphase zu einem Zeitpunkt x wahrnehmen, sind sie in der Regel auf das Ende, den üblichen Sozialplan, fokussiert. Es gibt für sie üblicherweise keine Einordnung in andere Prozesse. So ein Prozess wie eine Unternehmenssanierung ist in der Regel nur ein kleiner Moment eines längeren Weges des Unternehmens, sich neu zu sortieren oder auf Grund von Fehleinschätzungen in die nächsten Krise führen kann. Die FR war für mich so ein Beispiel, die Krise wurde immer existenzieller. Auf beiden Seiten war der Blick im Kern immer nur auf einen Abschnitt ausgerichtet. Die Subalternen waren die Betroffenen und hatten für das Agieren nicht eine Gesamtstrategie im Blick. Wie bei einer drohenden Insolvenz eine Gesamtstrategie haben? Auch das kann man, jedoch findet es in einem anderen Raum statt, der mit den eigenem nur wenige Schmittmengen hat und es um abstrakte Wirkungen mit gehen kann.
Würde es ver.di z. B. eine Einschätzung geben zum Zeitungsmarkt im Umbruch, könnte man die einzelnen Auseinandersetzung zur Abwehr, zur Neuformierung, zur Debatte um die Prozesse etc. führen und anderweitig Themenstellungen versuchen, zu verankern oder eben Aufgabenstellungen. Doch in diesen Situationen ist dann immer die Stunde der vermeintlichen Pragmatiker, die sagen, wie retten Unternehmen und lindern Not, aber eben sich darin erschöpfen. Kleingeist generiert Kleingeist, Wissen wird vernichtet oder verklärt durch Gejammer.
Die Fragen aus der Problembeschreibung eines Konflikts muss man ordnen und und in eine richtige zeitliche Abfolge bringen. Aus den zu formulierenden Zielsetzungen in solchen Prozessen ergibt sich eine Vorgehensweise mit Blick auf die verschiedenen Räuume. Die Dinge vollziehen sich nur schrittweise, alles weitere Tun ist nicht voraussetzungslos. Man kann noch so laut brüllen, wenn Forderungen keine größere und überzeugte Trägerschaft haben. Auch strukturelle Fragen sind von Bedeutung. Dazu gehört auch eine eigene Kommunikationsstrategie, die üblich als Öffentlichkeitsarbeit bezeichnet wird. Durch Social Media ist es heute leichter auch für die Gewerkschaftsbewegung geworden, einen Teil dieser Arbeit aktiv sich zu betreiben. Der Kern der Öffentlichkeit findet aber im Raum der eigentlichen Auseinandersetzung statt, hier muss man überzeugen, was wiederum eine umfassende Aufgabenstellung ist. Hier entscheidet die Praxis und eine gute Planung bzw. deren Zeitpunkt.
Soweit es sich bei den Treibern nicht um einen lokalen oder einzelnen Konflikt handelt, sondern aus den anderen Raumen kommt, muss man sich auch mit denen auseinandersetzen. Dazu gehört ein Teilaspekt, wie man die Wirkung der „anderen“ bewertet und entsprechend agiert, wenn dies rationell möglich und die Ziele beschreibbar sind, man sich die Wirkung real vorstellen kann. Die Spannweite geht von auseinandersetzen, über neutralisieren, aber auch darüber hinaus. Sicher kein einfaches Thema, da dieser Teil der Arbeit üblicherweise weder im Blick Gewerkschaftsbewegung, noch man sich damit groß beschäftigt, weil es sich irgendwie nicht gehört.
Man muss eine reale Einschätzung von den Prozessen und möglichen Ergebnissen haben. Die Vorgehensweise, seine Annahmen zu formulieren, sich Kriterien für die Überprüfung zu geben, hilft einem, die Dinge systematischer verfolgen zu können. War die begründete Annahme falsch, weiß man, wo der Fehler lag, aber man jagt nicht Gespenster, sondern vervollständig sein Bild – selbst wenn man Fehler gemacht hat. Man darf sich nicht auf die Ebene der Spekulationen und willkürlichen Vermutungen bewegen.
In der Gewerkschaftsbewegung ist es nach meiner Erfahrung üblich, aus dem Bauch heraus, Einschätzungen über die „anderen“ zu treffen, die nur den Zweck haben, sie beliebig zu instrumentalisieren. Es ist eine beliebte Methode von „wichtigen Funktionären“, sich in eine besondere, höhere, Lage zu bringen, um so je nach Verlauf dieses „Scheinwissen“ zu instrumentalisieren. Fern ab der üblichen Kaffee-Satz-Leserei ist die Herangehensweise an die „anderen“ eine notwendige Überlegung und muss geplant werden. Beispielhaft sei hier Mecom erwähnt, wo es u.a. darum ging, das Bild vom Mecom in der Medienöffentlichkeit selber mit zu generieren und zu befeuern, so dass die Vorgehensweise des Unternehmen im Markt auf die Zweifeln an der Seriosität der Geschäftsidee auf das betroffene Unternehmen übertragen wird. Es lag z. b. ein besonderes Augenmerk auf den europäischen Zahlen von Mecom und die Wahrnehmung, dass die Schulden trotz Editda-Zahlen am Ende die Strategie auffressen werden. Hierzu gab es Analysten, die „uns“ beratend zur Seite gestanden haben und es gab u.a. Ansprechpartner der Wirtschaftsseiten in den englischen Massenmedien. Den Rest erledigte Mecom bzw. deren Kommunikationsstäbe selber. Das die zu Beginn sich so unprofessionell aufgestellt hatten, war ein Zufall. Während üblich das Bild, das Mecom ein „Finanzhai“ sei, der nur das Geld aus den Unternehmen ziehen will, haben wir uns immer sachlich, ja sogar distanziert zu einer populistischen Sichtweise und die finanzwirtschaftlichen Ziele (wie Risiken) aufgegriffen. Montgomery hat sich später darüber beschwert, dass „wir“ ihn systematisch zerlegt haben mit unser Propaganda-Arbeit.
Wenn man Konflikte erfährt, sich eine Gegenstrategie mit Zielen überlegt, muss man aber auch über die Zeit hinaus denken, um darauf aufsetzen zu können. Heute ist es so, dass die Zeitungswirtschaft im Umbruch ist. Treiber ist hierbei die Digitalisierung der Geschäftsprozesse. Rückläufige Umsätze und nur schwer in den Griff zu bekommende Kostenentwicklungen machen den großen Zeitgruppen zu schaffen. Sie selber reflektieren die Entwicklung, haben aber nicht immer den Blick für die Tiefe des Umbruchs. Ihre Antworten sind natürlich Maßnahmen zur Kostensenkung, gepaart mit purer Ideologie, die aber nur ihre eigene Krise reflektiert, wie man auf die Umbrüche im Markt mit einer langfristigen Strategie reagiert. Ich hatte kürzlich ein Gespräch mit einem Unternehmensberater. Er fragte mich, wie ich die Unternehmensstrukturen einschätze, bleiben die Zeitungsverlage selbstständig oder werden sie sich konzentrieren. Meine Antwort war einfach. Meine Reflektion des Gesprächs war aber auch, dass Unternehmen, wenn sie rechtzeitig handeln, die schwierigen Dinge in den Griff bekommen können. Und wenn ich zurückblicke, muss ich sagen, da ist etwas dran. Das hat aber wenig mit Ideologie, sondern mit einfachen Kopfeinschalten zu tun. Wenn ich auf Arbeitnehmerseite nur eine Strategie auf den Konflikt bezogen habe, bin ich der Allmacht des Unternehmens gegenüber, stehe in einer Machtauseinandersetzung, wo am Ende nur Kraft entscheidet.