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Holger Artus

Rolf

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Am 31. März 2015 wird Rolf Becker 80. Gefallen wird es ihm sicher nicht, das man das Besondere an ihm betont und seiner Person Respekt zollt. Natürlich geht es um seine Person, aber am Ende geht es um die Sache, für die er steht. Erst kürzlich hatte er auf einer Streikversammlung bei uns gesprochen. Am Abend vorher war er nach seiner Darstellung auf einer Versammlung von Arbeiter des Daimler Werks in Bremen gewesen. Große Gruppen hatten Abmahnungen bekommen, bei uns ging es um einen Streik für einen Sozialtarifvertrag. Wo von sprach er? Natürlich die solidarischen Grüße, von den Abmahnungen in Bremen und das man in Arbeitskämpfen sich zusammenschließen muss, den Austausch praktizieren muss gegen Arbeitgeberwillkür und – macht. Davor froren wir im Januar 2014 im Streikzelt der IG BCE vor dem Verpackungsunternehmen Neupack in Stellingen. Kai Degenhardt sang Lieder von Franz-Josef Degenhardt. Rolf las Texte vor, an die ich mich aber nicht mehr erinnere. Es war sehr kalt.

Seit Ende der 1970 kreuzten uns fast jeden Sonnabend die Wege, war ich doch regelmäßig dabei, den in St. Georg leben Schauspielern die UZ, Zeitung der DKP, zu verkaufen. Wegen der Nähe zum deutschen Schauspielhaus fanden sie auch Unterschlupf im Stadtteil. Einige waren uns nahe, weil es irgendwie modisch war, mit uns zu feiern, aber natürlich auch die Themen. Ich erinnere mich an Monika Bleibtreu oder Hans-Peter Korff. Bei Rolf war es nicht so, er war politisch schon sozialisiert und hatte einen proletarischen Standpunkt. Er nutzt den kurzen Besuch zum Gespräch, zur Diskussion und der Verdeutlichung seines Standpunktes zu aktuellen Themen. Nie war es belehrend oder arrogant, er sah einen als Verbündeten an, während wir in der These 41 des Düsseldorfer Parteitages in der Bekämpfung linkssektiererischen Organisationen eine wichtige ideologische Aufgabe sahen. Natürlich erinnere ich mich auch daran, dass wir in der Praxis uns im Stadtteil anders verhalten haben. KB oder Apo, dass waren unsere Freunde.

In den 1990 Jahren waren wir zusammen im Ortsvereinvorstand Hamburg der IG Medien. Seinerseits hatten wir noch über 10.000 Mitglieder. Eine schwere Umbruchsphase war damals im Gange. Die klassischen Großbetriebe mit der Industriearbeiterschaft waren an den Stadtrand von Hamburg gezogen, die Digitalsierung der Arbeitsabläufe in den großen Verlagshäuser Hamburg änderte Arbeitsnormen und mit dem aufkommenden Internet kamen neue Fragen auf die Gewerkschaftsbewegung ihrer Bindungsfähighigkeit im Angestellten-Millieu dazu. Das klassische Milieu der Gewerkschaftsversammlung hatte sich verändert, die Industriearbeiter waren nicht mir „ihrem“ Betrieb im Mittelpunkt. Hamburg war kein Druckstandort, sondern Medienstandort geworden. Es bedurfte neuer Zugänge, es bedurfte neuer Ansätze und neue Themen mussten mit Arbeitnehmersicht belegt werden. Für Rolf und seine Mitstreiter/innen ging es um den (einfachen) Arbeiter und seine proletarisch unterdrückte Stellung im Arbeitsalltag.

Für ihn und seine Kampfgefährten war es wichtig, den einfachen Produktionsprozess und seine Wirkungen zu sehen und hier Politik zu machen. Das Proletariat in den Großbetrieben war mehr durch den Profit „bestochen“. Betriebsräte und Gewerkschaftsfunktionäre waren privilegiert und sahen nicht mehr die Lage ihrer Klasse, sie säßen zwar am Katzentisch, aber eben der Kapitalisten. Um so wichtiger war es, für die Arbeiter aus den Kleinbetrieben ein Forum zu gewerkschaftliches Beteiligung zu geben. Für Rolf und seine Genossen war das engagierte Handeln immer etwas besonderes, dass unter allen Umständen Unterstützung bedurfte. Das einzelne war Allgemein, der Ausdruck von Klassenkampf des wahren Proleariats. Mit Beigeisterung erzählte Ralf auf unseren Vorstandssitzungen, wenn er vor Arbeitern bei VW oder eben wie heute, von Daimler gesprochen hatte. Er war und ist ein Agitator für das Anliegen der Arbeiter auf eine vom Ausbeutung und Unterdrückung freie Gesellschaft. Sein Engagement für die Haftentlassung der politischen Gefangenen der Bewegung 2. Juni war mir besonders in Erinnerung. Es war in meinen Augen Ausdruck ein großen humanistischen Haltung, Ihnen zu helfen, auch wenn ich glaube, er deren Form des politisches Kampfes abgelehnt hatte. Immerhin schaffte Rolf es, dass auf einem Gewerkschaftstag der IG Medien, die Freilassung der politischen Gefangenen beschlossen und gesellschaftlich dieses Ziel auch faktisch durchgesetzt wurde. Was war er stolz, als Irmgard Müller nach über 25 Jahren aus dem Knast frei kam. Sein Engagement gegen den imperialistischen Krieg in den ehemaligen Staaten Jugoslawien und seine Reisetätigkeit verschaffte einem die Möglichkeit, auf ganz einfache Weise gegen den NATO Krieg zu sein und auch Hilfe zu leisten.  Gerne lud ich ihn immer mal wieder zu Betriebsversammlungen ein. Seine schöne und mitreißende Stimme war ein Genuss. Aber er kam auch immer wieder zu unseren Streiks oder anderen Aktionen vor dem Betrieb über die ganzen letzten 25 Jahre. Auf ihn war Verlass, er war es, der den richtigen Ton fand und dabei auch als Propagandist auftrat. Wir trafen uns immer wieder im Zusammenhang von gemeinsamen politischen Interessenlagen oder eben vor allen auf Demo oder anderen Aktivitäten. Es mag ein kurzes Hallo, die Frage nach der Gesundheit oder der Familie, für ihn stand und steht das menschliche im Mittelpunkt.

Ich kann mich nicht erinnern, dass wir uns politisch groß einmal zerstritten haben, ich von der DKP, er von der Apo. Uns verbindet immer die Aktionstätigkeit und die solidarische Haltung gegen Unterdrückung und Ausbeutung. Ich erinnere mich natürlich an ernsthafte Streitereien, aber Rolf ging es um die Sache und der Suchen nach der Gemeinsamkeit. Er wollte nicht seine Auffassung durchsetzen, sondern Menschen unter der roten Fahne zusammen zu bringen. Es ist ein schönes Gefühl, als ich kürzlich Rolf auf unserer Streikversammlung kurz begrüsste und dann noch sagte: „.. und auch ein langjähriger Kampfgefährte“

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