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Holger Artus

Geht es um einen Abschluss oder um eine reale Perspektive?

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Der Tarifabschluss für die Redakteure/innen an Tageszeitungen vom 24. April 2014 bringt Veränderungen mit sich. Bis zum 30. Juni 2014 gibt es eine Erklärungsfrist. Der DJV diskutiert mit den Trägern seiner Tarifbewegung das Ergebnis. ver.di hat eine Befragung unter ihren Streikenden durchgeführt. Anfang Juni 2014 entscheiden die beiden gewerkschaftlichen Gremien, wie sie sich zum Ergebnis verhalten. Aber sie werden für die Annahme stimmen, davon muss man ausgehen. Der BDZV hat den Abschluss bereits entsprechend gewürdigt. Hier die Eckpunkte des Tarifabschlusses und eine Kritik:

Gehaltserhöhungen: Dieser Punkt ist klar und einfach: Zum 1. Mai 2014 gibt es eine Erhöhung der Gehälter um 2,5 Prozent und zum 1. April 2015 um 1,5 Prozent. Der Gehaltstarifvertrag kann zum 31.12.2016 erstmals gekündigt werden. Der Manteltarifvertrag ist erstmals mit Ablauf des 31.12.2018 kündbar. Die Erklärungsfrist führt generell dazu, dass frühestens mit dem Juli-Gehalt die Erhöhung nachgezahlt wird.

Jahresleistung bzw. Weihnachtsgeld: Für Neueinstellungen kommt es ab 1. Juli 2014 zu einer Reduzierung der Jahresleistung/Urlaubsgeld auf 82,5 Prozent eines Monatsgehalts. Für euch bleibt es 2014 noch bei den 95 %. 2015 gibt es eine Reduzierung auf 92,5 %, 2016 auf 90 %, 2017 auf 87,5 %, 2018 auf 85 % und 2019 sind dann die 82,5 % des Monatsgehalts als Weihnachtsgeld für alle gültig.

Urlaubsgeld: Die gleiche Grundstruktur: Neueinstellungen ab 1. Juli 2014 bekommen 67,5 %. Für euch kommt es ab 2015 zu einer schrittweisen Reduzierung: auf 77,5 % in dem Jahr, 2016 auf 75 %, 2017 sind es dann 72,5 %, 2018 werden 70 % gezahlt und 2019 dann ebenfalls die 67,5 %.

Urlaubstage: Neueinstellungen ab dem 1. Juli 2014 erhalten 30 Tage Urlaubstage im Kalenderjahr. (Alt)Beschäftigte machen, abhängig vom Lebensalter, noch einmal einen Sprung zur nächsthöheren Anzahl von Urlaubstagen. Heute gibt es 32 Tage ab dem 40. Lebensjahr, 33 ab dem 50. und ab dem 55. Lebensjahr 34 Tage Urlaub. Wäre man 54 Jahre alt, besteht ein Urlaubsanspruch von 33 Tagen. Man erhält mit dem Erreichen des 55. Lebensjahrs noch 34 Tage. Ist man 42 Jahre alt, so springt man noch einmal mit dem Erreichen des 50 Lebensjahrs auf 33 Urlaubstage, aber nicht mehr bei Erreichen des 55. Lebensjahrs auf die 34 Tage.

Umzugstage: Heute hat man bis zu drei Tage Sonderurlaub. Diese entfallen komplett. Künftig gibt es Umzugstage nur noch bei dienstlichem Anlass. Das könnte z.B. der Umzug von Hamburg nach Köln sein. Es bleibt weiter bei den Freistellungen zur Geburt, Eheschließung oder bei einem Trauerfall in der Familie (2 Tage).

Kontoführungsgebühren: Ab dem 1. Juli 2014 gibt es für alle Redakteure die 1,28 € nicht mehr.

Gehaltstabelle: Neueinstellungen werden ab dem 1. Juli 2014 nach einer neuen Gehaltstabelle vergütet. Für die jetzt Beschäftigten bleibt es bei der alten Tabelle, allerdings nur noch für den nächsten Berufsjahressprung. Danach bleibt man so lange in der dann erreichten Stufe, bis sich ein höheres Gehalt aus der neuen Tabelle ergibt. Wer heute im 6. Berufsjahr (3.519 €) ist, springt noch in die Staffel 7 bis 10. Berufsjahr (4.060 €), dann aber erst zum 15. Berufsjahr in die nächste Gruppe (vorher 11. Berufsjahr).

Sonstiges: In der Tarifregelung gibt es außerdem noch weitere Punkte: Da ist die unmittelbare Reduzierung des Urlaubs- und Weihnachtsgeld ab 1.7.2014 sowie die Anzahl der Urlaubstage auf 30 in Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Bremen als so genanntes „Nordopfer“. Ferner gibt es eine Art „Niedriglohngruppe“ in Höhe von 2.800 € für neueingestellte Redakteure, wenn sie keine journalistische Regelausbildung haben (Volontariat oder abgeschlossenes Studium). Vergangene Woche haben die Nordverleger die Übernahme des Tarifabschlusses abgelehnt, sie wollen noch mehr Verschlechterungen für die Redaktionen.

Wie muss man das Ergebnis bewerten?
Der DJV diskutiert mit den Trägern seiner Tarifbewegung das Ergebnis. ver.di hat eine Befragung durchgeführt. Anfang Juni 2014 entscheiden die beiden gewerkschaftlichen Gremien, wie sie sich zu dem Ergebnis verhalten. Aber sie werden für die Annahmen stimmen, davon muss man ausgehen. Der BDZV hat den Abschluss bereits entsprechend gewürdigt.

Die Gewerkschaften müssen das Ergebnis an ihren Zielen messen oder den Kriterien, die sie sich gesetzt haben, ob nun öffentlich oder in den internen Debatten. Die Darstellung, dass die Onliner/innen jetzt vom Tarifvertrag erfasst sind, halte ich für eine Instrumentalisierung des erklärten Ziels. Entweder sind die Onliner in eigenen Firmen beschäftigt, für die der Tarifvertrag auch künftig nicht gilt, weil das Unternehmen nicht im Arbeitgeberverband ist oder mit der erforderlichen Eingruppierung an dem 1. September 2014 wird nur korrigiert, was Betriebsräte mit ihren Widerspruchsrechten nach § 99 BetrVG nicht durchgesetzt haben. Es dürfte im Vorfeld aber auch keine saubere Einschätzung bestanden haben, wer als Onliner/in von der redaktionellen Eingruppierung nicht erfasst ist.

Grundsätzlich glaube ich nicht, dass es sich bei dem Abschluss um einen Umbau, statt einem Abbau gehandelt hat. Unter Gesichtswahrung haben die Gewerkschaften m.E. dem Verhandlungsergebnis zugestimmt, weil real nicht die Kraft bestand, Verschlechterungen zu verhindern. Die Lösung, diese in die Zukunft zu legen (Berufsjahressprünge, „Urlaubstageanpassung“, Reduzierung Urlaubs- und Jahresleistung, ist bei den gegebenen Kräfteverhältnissen eine sehr intelligente! )Die Grundabsicht war ja, die Tarifbindung der Zeitungsverlage zu erhöhen und dafür auf der Basis eines „angepassten“ Tarifvertrages Möglichkeiten zu bieten. Die Instrument-alisierung, dass ausgetretene sogar wieder den Weg zurückfinden, dass wird sich nicht einspielen. In den kommenden Monaten und Jahren wird man erleben, wie die Konsolidierung im Zeitungsmarkt die Tarifbindungen weiter auflöst. Ganz aktuell erfolgt dies bei Beschäftigten des Hamburger Abendblatts in Hamburg, die in eine neuen Firma übergehen, die nicht tarifgebunden ist. Auch die Nichtübernahme des Abschlusses der Zeitungsverlage an der Küste signalisiert, dass weiterhin Druck auf die Tarifverträge ausgeht. Die Wege, wie sie die Verlage wählen, mögen differenziert sein, aber es wird weiterhinein Weg raus sein. Es sind die Marktverhältnisse und die wachsende Ängste der Verlage zum Verlierer der Konsolidierung zu werden. Der Berliner Verlag hat zwar wieder einen Haustarifvertrag, aber es hat eine so erheblichen Redaktionsabbau gegeben, dessen Effekt man mit einem noch so angepassten und umgebauten Tarifvertrag nicht hätte „finanzieren“ können.

Lautes Brüller alleine bringt nichts
In ver.di wurde laut gebrüllt, dass man mehr Geld will, dass man es den Verlegern zeigen will. Statt handwerklich die Zusammenarbeit und den Austausch mit den Träger im DJV in den Redaktionen und im Verband zu suchen, hat man sich zu Beginn auf ein abenteuerliches Vorgehen verständigt, was keine Trägerschaft in der Mitgliedschaft hat und vor allem eine betriebliche Tarifbewegung nicht trägt. Die strategische Frage für einen Tariferfolg ist nicht die übergroße Höhe einer Tarifforderung oder wie laut man brüllt, sondern wie sich die Trägerschaft nach innen und außen darstellt. Dazu gehört in aller erste Linie die Zusammenarbeit mit dem DJV als die größte Journalisten-organisation in der Bundesrepublik mit erheblichen Einfluss in den Redaktionen, gemessen an denen von ver.di (es sei den ein Chefredakteur ist Ausdruck von Einfluss). Der wiederholte Fingerzeig nach Norden ist einen elende Veranstaltung, ist hier der Ansatz: Andere sind schuld. Es passt den Hauptamtlichen, die auf die Meinungsträger angewiesen sind, dieses Spiel mit zu betreiben, weil sie am Ende auch wissen, dass es eine faktische Macht des Verhandlungsverlaufs und -ergebnisses gibt, hinter dem man sich beliebig verstecken kann. Eben mit dem Hinweis: Ihr da oben habt uns verraten. Dabei haben in BaWü und Bayern mehr Betriebe nicht gestreikt als an der Küste! Auch die Frage der Regionalisierung, bereits in der letzten Tarifrunde

Regionalisierung der Fläche?
Ich teile die Einschätzung, dass man andere nicht im Regen stehen lässt. Das ist ein solidarischer Ansatz in der Tarifpolitik. Diejenigen, die nach Haustarif rufen – auch wenn ich das gut verstehe! – mögen in deutsche Papierverarbeitung schauen. Wir haben 2005/2006 geglaubt, mit unserer Kraft die Arbeitgeber in den Betrieben zu erwischen. sie von Betrieben zu Betrieb in die Knie zu zwingen. Erwischt wurden wir. wir wurden zerlegt und haben uns selber zerlegt, weil wir uns auf diese Situationen nicht eingestellt hatten, was passiert, sowie du es auch beschreibst. Der Kriechgang zu Wiedereinsetzung eines MTV, der war sehr tief und hat ohne Ende gekostet. Als TK-Mitglied kommt man in die Situation wie du, man muss das Ergebnis verteidigen, auch das kann ich gut nachvollziehen. Es ist so wie es ist, Ausdruck der Kräfte, aber warum war das so? Warum gab es keine gemeinsame Positionierung in den Tarifzielen am Anfang? Umbau statt Abbau? Ein Medienmanager in einer größeren Gruppe hat vor kurzem locker gesagt, wozu braucht ich eine OT-Situation, ich strukturiere einfach um, die finanziellen Effekte sind viel größer, plus Abbau. Wir beide schätzen die Entwicklung im Zeitungsmarkt und die Antworten darauf unterschiedlich ein. Die Verlage werden getrieben, nicht von uns, sondern von den rückläufigen Anzeigenumsätzen, der Wettbewerbssituation und ihren künftigen Erwartungen etc. Wir sind leider keine Gegenkraft. Als Redaktion ist man das im Betrieb alleine auch nicht.

Was passiert 2016?
Entscheidend wird sein, wir wie uns als Gewerkschaftsbewegung (wie auch bereits inhaltlich nach dem Abschluss 2011) in der Phase der Restrukturierung der Zeitungsgruppen in ihren Kerngeschäftsfeldern (die ihnen die Rendite bringen müssen für anderen Projekt), so bestimmen, dass wir mit diesen Veränderungen in den Unternehmen an Wirkungskraft gewinnen. Die Dynamik der Umbruchprozesse in der Zeitungswirtschaft hat eine Größe und Tempo (Springer verkauft Printtitel für 0,9 Mrd. €, Holtzbrinck verkauft für 1 Mrd. € Titel etc.) erreicht, das erst einmal neu integriert werden muss in den gewachsenen Zeitungsgruppen. Einige Gruppen werden ihr Portfolio weiter bereinigen. Der Umbruch im Anzeigenmarkt und die Vorläufer im Vertrieb werden weitere Prozesse der „flexiblen Unternehmensorganisation“ fördern. Neben der Marktbereinigung außen wird auch in den Mediengruppe nach Innen weitere Restrukturierungen geben. Dafür steht u.a. „Madsack 2018“, aber andere Verlagsgruppen werden mit ähnlichen Programmen kommen. Wirkungskraft entsteht in meinen Augen im gewerkschaftlichen Sinne nicht in den Berufsgruppe, sondern in durch eine ganzheitliche Betrachtungsweise und Herangehen. Die Controller in den Unternehmen schauen doch nur, warum steigen die Personalkosten, was sind strukturelle Fragen (Erhöhung der Grundgehälter durch Tarifabschluss, Beziehungsprämien der Chefs an ihre Beziehungsebene durch ÃœT bzw. Prämie o.ä. m, personelle Aufstockung), ich schaue darauf, wie sich das Jahresgehalt entwickelt und als einzelner schaue ich, ob ich mit dem Geld auskomme, um meine Leben zu organisieren, wie ich es mir wünsche. Die Gewerkschaften in unserem Wirkungsbereich müssten sich irgendwann mal eine Entgeltstrategie überlegen, wo sie hin wollen. Dann hat man bessere Kriterien.

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