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Holger Artus

Zur Insolvenz der Frankfurter Rundschau

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Wir wollten in der öffentlichen Auseinandersetzung um die Insolvenz der FR unser eigene Haltung verdeutlichen. Unsere Infos erreichten nicht nur unsere Belegschaft, sondern kursierte auch an den anderen DuMont Standorten. In Frankfurt Betriebsrat herrschte bereits im Vorfeld ein vollständiges Chaos, keine Planung auf die verschiedenen Szenarien, trotz aller Bitten von uns. In der Kölner Interessenvertretung herrschte die Meinung vor, dass der Kauf der FR und des Berliner Verlages Schuld an dem Druck auf die Kölner Belegschaft sei. ver.di mauschalte sich ins Problem und von ihr konnte nichts kommen, auch nicht in der Lageeinschätzung.

Die Geschäftsführung der Frankfurter Rundschau hat heute Morgen einen Insolvenzantrag beim Amtsgericht Frankfurt gestellt. Als vorläufiger Insolvenzverwalter wurde Rechtsanwalt Frank Schmitt eingesetzt. Dieser Schritt ist ein gefährlicher Schritt Richtung Ende der Frankfurter Rundschau, vor allem wenn man die aktuelle DuMont Depesche liest. Bisher hatten die beiden Hauptgesellschafter, die Mediengruppe DuMont Schauberg und das SPD-Beteiligungsunternehmen dd_vg über eine Rangrücktrittserklärung alle Ansprüche der hochdefizitären Zeitung abgesichert. Dieser Insolvenzantrag stellt den Tiefpunkt der FR-Entwicklung  dar. 

Was bedeutet die Insolvenz?

Der vorläufige Insolvenzverwalter prüft die wirtschaftliche und rechtliche Situation des Unternehmens und sichert die Arbeitsfähigkeit. In dieser Zeit kann Insolvenzausfallgeld beim Arbeitsamt beantragt werden, so dass die Gehälter für drei Monate gesichert sind. Während der vorläufigen Insolvenz können Rechtsgeschäfte des Unternehmens nur mit Zustimmung des Insolvenzverwalters getätigt werden. Die operative Führung des Unternehmens bleibt lt. einer Spiegel-Meldung beim gegenwärtigen Geschäftsführer. Die Optionen zur Zukunft der FR sind die Fortführung in Form einer weiteren Sanierung, ein Verkauf wesentlicher Teile (z.B. Druckerei) oder aber die Abwicklung. Diese Entscheidung trifft künftig die Gläubigerversammlung, die vom Gericht gestellt wird und in der auch Arbeitnehmer vertreten sind. 

Kein Händchen für die FR

Die jetzt entstandene Situation ist der traurigste Stand in der FR-Geschichte. Die Zeitung wurde am 1. August 1945 gegründet und gehörte zu einer der ersten deutschen Zeitungen nach der Zerschlagung des Faschismus. Von der Wirtschaftskrise 2001/2002 voll erwischt, stand sie bereits zum damaligen Zeitpunkt kurz vor dem Ende. 2004 erfolgte der Rettungskauf durch die SPD-Medienbeteiligungsholding,  der dd_vg. Die Mediengruppe DuMont Schauberg trat 2006 mit 50 Prozent und einer Stimme in die FR ein. Es begann eine Phase der Neuausrichtung der Zeitung, aber trotz ständigem Personalabbau wurde die Lage nicht ernsthaft verbessert. Die Millionenverluste blieben hoch, Erklärungen zur Verbesserung gab es immer wieder, aber wie der jetzige Insolvenzantrag zeigt, ist die gesamte MDS-Strategie in der FR komplett gescheitert. 

Printmedien sind im Umbruch, FR-Krise auch Ausdruck davon

Die Printmedien befinden sich in einer anhaltenden Umbruchsituation und unter Umsatzdruck. Das gilt für die FR genauso wie für die MOPO oder andere Zeitungstitel. Nicht nur das „Konkurrenzmedium“ Internet und verändertes Konsumverhalten erfordern eine überarbeitete Geschäftsstrategie. Ein geändertes Schaltverhalten der werbetreibenden Wirtschaft und Konsolidierungsprozesse in verschiedenen Branchen wirken sich auf das Geschäft aus. Das klassische Zeitungsgeschäft über den Anzeigen- und Zeitungsverkauf wird noch lange der bestimmende Eckpfeiler des Geschäfts bleiben. Ein Zeitungsunternehmen muss sich in neuen Geschäftsfeldern engagieren, um aus dem Neugeschäft Umsätze zu generieren und um damit das bisherige Stammgeschäft zu ergänzen. Corporate Publishing allein war es nicht, wie die FR gezeigt hat. Man braucht hier kompetente und erfahrene Partner bzw. deren Wissen. Das insgesamt verschlafene Engagement im Internet erfordert heute Investitionen und kostet Geld, wie z.B. die Entwicklung der App u.a.m. 

Bei uns in Hamburg war z.B. die Fremdvergabe von mopo.de (2003) ein Fehler. Hätte man den Weg des Verbleibs in der Redaktion beschritten, wie es der Betriebsrat seiner Zeit vorgeschlagen hatte, wäre mopo.de heute weiter in der Reichweite und hätte mehr Online-Erlöse. 

Probleme der FR sind nicht nur allgemeine, sondern auch hausgemachte

Die wirtschaftliche Krise der FR hat aber nur abstrakt mit dem Medienumbruch zu tun. Ursächlich ergibt sich das Problem der FR aus der Rezession 2001/2003 und dem Weg aus dieser Situation heraus. Die Finanzierung der Schulden sowie Unternehmensentscheidungen zur Neupositionierung, die Millionen an Euro verschlungen, haben nicht zum gewünschten Erfolg geführt. Ein Umzug, das neue Tabloid-Format und dessen Bewerbung, der angeblich größte Newsdesk Europas haben viel Geld gekostet. Die Prognosen in den Bilanzen waren nicht realistisch, wurden verfehlt. Auch bei uns hat es in der Vergangenheit Wunschpläne über die Geschäftsentwicklung gegeben. Sie waren zur Befriedigung der Erwartungshaltungen der Gesellschafter aufgestellt worden. Die Abweichung der Prognose vom jeweiligen Jahresergebnis der FR ist sehr erheblich und wirft die Frage nach der Rolle der operativen Unternehmensleitung in dem Gesamtprozess auf. Umsätze wurden geplant, weil man glaubte, der Markt entwickele sich so und so oder weil noch große Potentiale angeblich in dem oder dem Marktsegment liegen. Aus unseren bisher gesammelten Erfahrungen konstatieren wir für uns, dass das Zeitungsgeschäft auch Geschäftspläne verlangt, die realistisch sind. Es wird aber immer auch Entwicklungen geben, die man nicht planen kann, wie z.B. das Risiko einer Rezession. 

Die FR hat unter den verschiedenen Sanierungsmaßnahmen und Neupositionierungsüberlegungen der bisherigen Gesellschafter gelitten, die Marke wurde damit nicht nur gestärkt. Das betrifft die Auflage, die Reichweite, die Umsätze in Anzeigen- und Vertriebsbereich oder bei den Zusatzgeschäften. Abteilungen wurden in Firmen ausgegliedert, die IT komplett fremdvergeben – das alles wirft einen kritischen Blick auf die Zukunftsfähigkeit der FR, denn dadurch wurde sicher auch die Identität der Arbeitnehmer mit dem Titel zerstört, die aber zu einer erfolgreichen  Geschäftsstrategie gehört. Die wirtschaftlich erfolgreiche Druckerei konnte die Millionenverluste der teuren Online-Aktivitäten (kalaydo.de in Hessen) oder beim Anzeigenblatt (Blitz-Tip) nicht kompensieren, aber mit fast 80 % Fremdaufträgen (u.a. die BILD) bleibt sie ein wichtiges Rückgrat für künftige Planungen. Hier arbeiten 278 Arbeitnehmer – von den insgesamt 493 FR-Beschäftigten einschließlich Beteiligungen.

Die FR hat eine Perspektive

Die Zeitungswirtschaft ist in einer Konsolidierungsphase. Der Verkauf der MOPO 1999 von einem der größten Medienkonzerne Europas, Gruner+Jahr, an Frank Otto war damals unser Glück. Nach über 30 Jahren roten Zahlen hat die MOPO ein Jahr später die Wende vermeldet – ohne dass es zu einer irgendwie gearteten Beschäftigten-Rasur gekommen ist oder tarifliche Bestände abgebaut wurden. Mit Zeitungen lässt sich Geld verdienen, wenn man sich auf den Markt konzentriert. Die FR ist eine traditionsreiche Zeitung und sie muss eine wirtschaftliche und publizistische Zukunft behalten, wie der ergänzende Online-Auftritt und die Apps auf dem iPad bzw. Android heute demonstrieren.  Diese Produkte werden durch die Beschäftigten erstellt – darauf fußt die Zukunft der FR!

Eckdaten zur Frankfurter Rundschau


2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 1
Verkaufte Auflage 167.000 157.000 152.35 151.784 149.506 136.052
Insgesamt Beschäftigte 2 768 761 697 601 539 493
Vertriebsumsatz 36,68 Mio. € 32,83 Mio. € 32,2 Mio. € 31,86 Mio. € 31,35 Mio. € 30,58 Mio. €
Anzeigenumsatz 34,14 Mio. € 33,51 Mio. € 33,1 Mio. € 35,03 Mio. € 27,93 Mio. € 25,48 Mio. €
Gesamtumsatz 3 116,5 Mio. € 108,8 Mio. € 107,8 Mio. € 119,90 Mio. € 102,91 Mio. € 9,23 Mio. €
Jahresüberschuss -24,65 Mio.€ -15,3 Mio. € -15,6 Mio.€ -16,8 Mio.€ -24,5 Mio. € -18,3 Mio. €

1Bilanz noch nicht veröffentlicht 2 einschließlich Druckerei  3 einschließlich Online und sonstige Erlöse    

Quelle: Bilanzen

Struktur der Auflage der Frankfurter Rundschau


II/2012 II/2007
Verkaufte Auflage 118.974 151.549
Abo 66.339 90.187
Einzelverkauf 17.957 24.994
Bordexemplare 16.564 12.492
Sonstiger Verkauf 18.114 23.876
Druckauflage 153.853 192.311
ePaper 571 104

Quelle: IVW

Arbeitnehmer/innen in der FR- Gruppe


2010 2009 2008 2007
Druckerei 278 300 332 365
Verlag 183 203 220 273
Verwaltung 32 36 50 59
Gesamt 493 539 601 697

Quelle: Bilanzen

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