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Holger Artus

„G 7“ gehen mit Anzeigenkombi in den überregionalen Zeitungsmarkt

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Im Zeitungsmarkt geht es weiter dynamisch zu. Aktuell bildet sich eine nationale Vermarktung von sieben regionalen Zeitungsverlagen im überregionalen Anzeigenmarkt neben der bisherigen Ballungszentrum-Kombi (NBRZ) heraus. Die Gruppe nennt sich Arbeitsgemeinschaft Nationale Vermarktung (AGNV). Sie offeriert zum 1. Januar die Kombi „Das Beste von Deutschland„, mit der Werbungtreibende nach ihren Angaben mit einer Buchung jeden vierten Haushalt in Deutschland mit einem Nettoeinkommen ab 3.000 Euro erreichen können. Die beteiligten Zeitungen bieten eine Gesamtauflage von 5 Mio und eine Reichweite von 15 Mio. Der AGNV gehören ACN, das Kölner Zeitungshaus M. DuMont Schauberg, Madsack, die Mediengruppe Pressedruck (Augsburg), die Verlagsgruppe Rhein Main (Mainz), die WAZ-Gruppe und die Zeitungsgruppe Stuttgart (gehört zur Süddeutschen Zeitungs-Gruppe).

Der seit längerem diskutierte Versuch der Zeitungsverleger, sich auf eine gemeinsame nationale Vermarkung zu verständigen, ist damit erst einmal gescheitert, aber man muss davon ausgehen, dass der Druck in dieser Richtung anhalten wird. Es geht bei stagnierenden oder sinkenden Werbemärkten um die Verteilung der Marktanteile. Gleichzeitig gehen die Verlage ihre Verkaufsorganisationen durch, um durch Neustrukturierung eine größer Nähe zwischen Anzeigen, Vertrieb und Marketing zu erreichen. Auch hier geht es um die Kohle der werbetreibenden Wirtschaft. Die sieht sich einer weiteren Fragmentierung der Werbemedien und mit einer weiteren Veränderung der Mediennutzung konfrontiert, die sich z.B. in der großen Verbreitung von Smartphones und dem Markteinstieg von Tablet-PC widerspiegelt.

Wie ist die Lage der Zeitungsverlage?

Der BDZV spricht aktuell (10/2012) von einer drei Säulen Strategie der Zeitungsverlage: Das agieren im Kerngeschäft Anzeigen und Vertrieb, das digitale Vorgehen und als dritte Säule wird von der Diversifizierung, also die so genannten Nebengeschäft, gesprochen – markennah wie auch nicht mehr. “.. „hierzu zählen Verlagsengagements in der Aus- und Weiterbildung, im Veranstaltungsmanagement, bei der Briefzustellung oder in der B-2-B-Dienstleistung für Unternehmen und Organisationen.â€

2012 rechnen die Zeitungsverlage mit einem stagnierenden bzw. leicht rückläufigem Markt. Der Rückgang der Anzeigenumsätze wird noch kompensiert durch die Vertriebsumsätze (2010 + 2,3 Prozent, 2011 + 1,7 Prozent). Bei den Anzeigen ist der Umfang von Januar bis August 2012 um – 8,7 Prozent zurückgegangen, was aber noch nichts über den Umsatz sagt. Üblicherweise erhöhen die Verlage jährliche ihre Anzeigenpreise, so dass auch hierüber ein Teil des Rückgangs kompensiert wird. Betrachtet man die Entwicklung im 1. Halbjahr 2012 nach Unternehmensangaben aller Verlage, so ist der Umsatz zum Vorjahresvergleich zwar leicht rückläufig (- 0,3 Prozent), aber verglichen zu 1. Halbjahr 2011/2010 waren die Gesamtumsatzeinbußen größer (- 6,7 Prozent). Auch die Entwicklung der einzelnen Quartale zum Vorjahresvergleich bestätigt diese Entwicklung (s.a. Statisches Bundesamt, Konjunkturdaten Verlagswesen über genesis.de).

Fragmentierung der Werbung schreitet voran, Mediennutzung ändert sich sehr schnell

Im Jahr 2012 haben 75,9 Prozent der Bevölkerung ab 14 Jahren in Deutschland Zugang zum Internet. Das sind 53,4 Millionen Internetnutzer. Die Zahl der Internetnutzer hat sich in den letzten 12 Jahren nahezu  verdreifacht. Die höchsten Zuwachsraten gehen von den ab 50-Jährigen aus. 76,8 Prozent der 50- bis 59-Jährigen nutzen inzwischen das Internet (2011: 69,1%). Unter den ab 60-Jährigen sind 39,2 Prozent  (2011: 34,5%) online. In diesen Onlinehaushalten gehören PC/Laptop (97 %) ebenso zur Grundausstattung wie Fernsehgerät (97 %), Radio (89 % im Haushalt/86 % im Auto) und Mobiltelefon (98 %). Daneben verbreiten sich neuentwickelte Geräte: 2012 geben bereits 15 Prozent der Onlinehaushalte an, über ein Fernsehgerät mit Internetzugang (Hybrid-TV) zu verfügen. Und vor allem neue portable Geräte verbreiten sich schnell: 8 Prozent der Haushalte mit Internetzugang verfügen 2012 über einen Tablet-PC, 7 Prozent haben ein eBook, und ein Drittel der Haushalte nutzt Smartphones.  Im Vergleich zum iPhone (2012: 12 %, 2011 8 %) etablieren sich die Android Smartphones stärker in den Haushalten (21 %, 2011: 12 %).

Neue Zeitungsgruppen bilden sich heraus und Wettbewerb nimmt zu

Jetzt sind es vor allem die regionalen Zeitungsverlage, die die Dynamik der Veränderungen erfassen. Es bilden sich neue Zeitungsgruppen heraus: Die Augsburger Allgemeine (mediengruppe pressedruck), die 2010 die Mainpost und 2011 den Südkurier Medienhaus (51 %) übernahm oder aktuell die Rheinische Post Mediengruppe, die in 2012 die Saarbrücker Zeitungsgruppe (Saarbrücker Zeitung, Trierischer Volksfreund, Lausitzer Rundschau) übernommen hat. 2009 hatte die Mediengruppe DuMont mit dem Erwerb der deutschen Beteiligungen des englischen Medienunternehmens Mecom die Berliner Zeitung, Berliner Kurier und Hamburger Morgenpost erworben wie die Verlagsgesellschaft Madsack die Regionalzeitungen der Axel Springer AG, die Lübecker-Nachrichten, Ostsee-Zeitung und der Leipziger Volkszeitung (restliche 50 %), Kieler Nachrichten (49 %) und in 2012 die Märkische Allgemeine Zeitungsgruppe (von der FAZ) übernahm.

Digitales Geschäft bereitet den Verlagen nach wie vor Probleme

Die Zeitungsverlage bleiben ihren Kernumsatzfeldern Druck, Anzeigen und Vertrieb treu. Sie wissen um die Veränderungsprozesse und bauen die anderen Geschäftsfelder aus. 1/3 aller Transaktionen im Verlagswesen 2011 betrafen das digitalen Geschäft. Die Verlage differenzieren heute zwischen dem reichweitengetriebenen Geschäften (Online-Auftritte) und dem digitalen Vertrieb, wo der Endkunde die Zielgruppe im (App)Verkauf ist. Die verschiedenen Versuche, die aktuell gestartet werden, um die Online-Angebote gegen Entgelt kostenpflichtig („Paid Content“) zu machen, sind ein sinnloser Versuch. Schaut man sich die verschiedenen „Paid-Content“ Geschäftsmodelle an, so stellt sich dann auch noch heraus, wie wenig sich hier ein kostenpflichtiges Geschäftsmodell herausbildet. Bei der Dynamik der Mediennutzung ist Paid-Content der falsche Weg.  Rheinische Post-Geschäftsführer Arnold warf seinen Zeitungs“kollegen“ jüngst vor, dass sie mit dem Digitalgeschäft nur das Printgeschäft verlängern wollen, statt sich den neuen Herausforderungen im digitalen Markt zu stellen.

Die Regionalverlage steigen unterschiedlich in das digitales Geschäft ein. Die großen Gruppen dienen sich alle als Finanzinvestoren an. Unter den feinen Herren heißt es schön „Venture Capitalist“: Sie lassen sich die Businesspläne vorlegen und stecken Geld in das Startup. Vor allem beteiligen sie sich in den Bereichen digitale Medien und IT. Ein Schwerpunkt sind dabei Games, Musik-Streaming u.a.m. In diesen kleinen Start-Ups arbeiten einige Tausend Beschäftigte. Die Beteiligung sind in der Regel unter 50 %, es tummeln sich mehrere Investoren bei der Finanzierung der neuen Geschäftsideen.

Vertriebsumsatz wird nicht mehr so steigen wie in der Vergangenheit

Der bisherige Effekt, dass man durch Preiserhöhungen im Verkaufspreis die Mengenverluste überkompensiert, scheint klassisch nicht mehr so zu funktionieren. Kostenoptimierung, Flexibilisierung der Arbeitsabläufe löst nicht das Problem, das wachsende Mittel aufgebracht werden müssen für den Betrieb der Zeitung, ohne das Menschen dabei etwas am Produkt getan haben. Die Fix- und Finanzierungskosten steigen, obwohl Personalkosten reduziert werden. Diese Entwicklung führt natürlich zur Konzentrationsprozessen auf dem Markt.

Kooperationen nehmen zu

Die Verlage begeben sich in Kooperationen, insbesondere in ihren beiden Hauptgeschäftsfelder, dem Anzeigen- und Vertriebsmarkt wie im Druckmarkt. Dabei geht es um Kostensenkung und gezielte Markterschließung durch preislichen Wettbewerb oder durch Kostensenkungen. So wurden die Grosso-Betreuung der Mediengruppe M. DuMont Schauberg an einen Nationalvertrieb übergeben. Vor einiger Zeit war es im Anzeigenverkauf der Nicht-BILD-Boulevardtitel zur Bildung der Anzeigenkombi „Boulevard plus“ gekommen.

Hamburger Abendblatt steigt in Hyperlocal-Content ein

Auch der lokale Zusammenschluss von Hamburger Abendblatt und Welt Hamburg sowie die Zentralisierung Mantel und Lokales zeigt, dass die Verlage in den sich verändernden Medienmarkten intensiver den Kurs der Kostenoptimierung verfolgen.  Neben dem Kostenoptimierungsprogrammen der Axel Springer AG ist der Ansatz des Hamburger Abendblatts, die Erschließung der Lokalität im Web, den so genannten Hyperlocal Content.

Konsolidierung in den verschiedenen Geschäftsfelder der Zeitungsverlage

Der Verteilungsauseinandersetzung um den Werbekuchen verschärft sich. Selbst wenn es aktuell Druck im Anzeigenmarkt gibt, erfolgen viele Aktivitäten auch mit Blick auf die kommenden Jahre. Selbst wenn man unterstellt, dass der Anzeigenmarkt für die Printmarken eine dominierende Rolle spielen wird, so zeigt sich bereits heute, dass die Bedeutung abnimmt – wie die Relation Anzeigen- zu Vertriebsumsätzen mit Rückblick auf die letzten Jahren zeigen. Der Vertriebsanteil nimmt an Bedeutung zu wie es hier auch eine Konsolidierung gibt. Der Grosso-Streit mit der Bauer Media Group und dem Grossoverband machen dies deutlich. Die Anzahl der Grossisten geht durch Aufkäufe zurück (2009 73 Grossisten, 2011 68 Grossisten). Von der Konsolidierung sind im Gesamtprozess die Arbeitsplätze betroffen. Die Beschäftigtenzahl in der Verlagswirtschaft sind in den letzten drei Jahren um 2,6 % zurückgegangen (Stand 6/2012).

Gewerkschaftliche Positionen unerkannt

Schaut man sich die verschiedenen Abwehrprozesse in den Betrieben der Printmedien an, so sind es vor allem Konflikte um die Konsolidierung des Wachstums (z.B. Märkische Allgemeine) bzw. Marktbereinigung (so im Druckgeschäft, wo Zeitungsunternehmen/Druckereien bei Neuinvestitionen z.B. ein Joint Venture bilden o.a.). Der gewerkschaftliche Ansatz bei der Fusion der Mantelseiten von Ostsee-Zeitung und Lübecker Nachrichten, eine neue tarifliche Ausgangslage zu schaffen, war richtig, aber bei den neuen Mantellieferungen hat das im gewerkschaftlichen agieren keine Spur hinterlassen. ver.di Funktionäre heben die Arme und verweisen auf die angeblich geringe Konfliktbereitschaft in solchen Situation. Sie würden ja schon … Die Betriebsräte zeigen auf ver.di, dass von dem Laden nichts kommt – so dass es Sache einzelner in den Verlagen ist, diese Dinge zu betreiben. Es gibt keine Plattformen, wo Erfahrungen ausgetauscht werden. Vereinzelte Versuche haben es schwer.  Wo es kein Klima der Veränderungsbereitschaft gibt, wird man nur schwer kollektive Erfahrungen erschließen können. Auf die kommende Konsolidierungsprozesse ist ver.di – wie bereits auf die in den letzten Jahren – überhaupt nicht aufgestellt.

Wohin entwickeln sich die Zeitungsverlage?

Würde man auf diese Frage eine gesicherte Antwort haben, die Gewerkschaften müssten sich nur daran ausrichten, ihre Ziele definieren und im stillen würden sie, da sie auf Arbeitnehmer-Seite auf die richtigen Dinge gesetzt haben, gestärkt aus den Veränderungen hervorgehen. Das funktioniert natürlich nicht.  Das es schwer ist, merkt man alleine an den Arbeitgebern, die ja auch am suchen sind und irgendwann merken, dass es richtig oder falsch war, was man einst entschieden hatte. Man stelle sich, die deutschen Verleger als Gruppe wären schlau gewesen, wie einige Studenten, die google entwickelt haben?  Eine einfache Suchmaschine! Wenn heute an Standorten unternehmerische Entscheidungen getroffen werden, sehen wir darin nur Renditesucht und einen bösen Arbeitgeber, aber die dahinter stehenden Prozesse verfolgen wir nicht oder nur sehr mangelhaft oder überlassen es der Bewertung der Provinzialität der Berliner ver.di-Zentrale.

ver.di völlig überfordert, auf Veränderungsprozesse ernsthaft zu reagieren

Verfolgt man die verschiedenen Szenarien über die künftige Entwicklung, so gibt es zum einen den Ansatz, dass sich die Verhältnisse kontinuierlich verändern, d.h. sinkende Vertriebs- und Printanzeigenumsätze, wachsende Umsatzchancen aus den digitalen Geschäften und der Diversifizierung. Aus handwerklicher Sicht wäre ver.di dazu aufgerufen, beide Szenarien zu diskutieren und bei der Analyse der Szenarien zu überprüfen, wie man sich gewerkschaftsstrategisch aufstellt.

Strategisch gibt es in ver.di keine Debatte, wie unsere Zukunftsvision aussehen könnte. Die Belegschaften dürfen viel mehr erleben, dass ausgegliedert wird und die Unterschreitung von tariflichen Normen ein Fakt ist, der auch mit ver.di zu machen ist. Es ist sicher nicht leicht, beim geringen Einfluss, den ver.di in den Printmedien hat, einen Debatte und dann noch eine Praxis zu verfolgen.  Aber es sind doch immer die Ideen aus den Auseinandersetzungen, die auch die Alternativen zum Inhalt haben. Man muss sich nur darauf konzentrieren.

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