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Holger Artus

Wie sich selber bestimmen?

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Die Hamburger Medien haben das Abstimmverhalten der Deputierten der Sozialbehärde, Angelika Detsch, aufgespießt. Die hatte für den Haushalt des Senats gestimmt und damit u.a.für die Streichungsplanungen in der offenen Jugendarbeit oder Personal in Millionenhöhe gestimmt. Angelika Detsch ist stellvertretende ver.di-Vorsitzende in Hamburg. In der MOPO sagt sie, das ihr die Zustimmung zur Kürzungen in der offenen Jugendarbeit schwergefallen ist.  Es sei in ihren Augen richtig, z.B. bei den Bauspielplätze zu kürzen (keine Angebote mehr vorzuhalten), da durch den parallelen Ausbau in den Kitas und Schulen diese Angebote nicht mehr unterstützt werden sollten (nicht mehr angesteuert werden).

Auf der ver.di Landesbezirkskonferenz Hamburg am 15.06. hat sie sich entschuldig, wenn durch ihre Äußerungen an Eindruck entstanden sei, sie hätte für ver.di abgestimmt. Sie habe für die SPD gehandelt. Wie bereits vorher vom Vorstand auf meine Initiative hin beschlossen, findet im September 2012 eine grundsätzliche Debatte über das Verhältnis von Gewerkschafts- und Abgeordnetenmandat statt. Bei der Debatte geht es aber in erster Linie um eine Kursbestimmung der Hamburger Gewerkschaften unter Krisenbedingungen. Bis 2011 war es leicht eine Strategie zu haben, man war einfach Opposition und organisierte sich – bildlich – über das „gegen Regierungspolitik. Heute, unter den Folgen der Großen Krise und den Schuldenproblem, muss man mehr als nur dagegen sein, um die Gegenkräfte zu organisieren.

SPD und ver.di sind nicht das gleiche

Angelika Detsch ist stellvertretende ver.di-Landesbezirksleiterin in Hamburg, wurde aber auf Vorschlag des DBGs über die SPD von der Hamburgischen Bürgerschaft in die Deputation der Hamburger Sozialbehörde gewählt. Sie ist nicht Mitglied der Bürgerschaft und entscheidet nicht über Gesetze, es geht vielmehr um die Kontrolle der entsprechenden Landesbehörde und der Mitwirkung an der Verwaltung. Die Deputation ist eine Art “Bürger-Gremiumâ€. Wählbar zum Deputierten ist jeder Bürger Hamburgs, unabhängig von der Mitgliedschaft in einer Partei. Jede Behörde in Hamburg hat eine Deputation, die aus 15 Mitgliedern besteht. § 56 der Hamburgischen Verfassung:  “Das Volk ist zur Mitwirkung an der Verwaltung berufen.â€

Detsch wurde nicht von ver.di für die Deputation als SPD-Vertreterin vorgeschlagen, es gab keine Beschluss, sie zu unterstützen noch war es Thema einer Vorstandsdebatte in ver.di, das gilt auch für die andern gewerkschaftlichorientierten Deputierten aus den Hauptamtlichen Reihen von ver.di Hamburg. Ein Versuch dieser Art hätte eine Debatte ausgelöst und wäre vermutlich gescheitert. Es sind unterschiedliche Veranstaltungen, die man trennen muss. Die politischen Parteien haben einen Verantwortung für eine demokratischen Willensbildung. In ihnen zu wirken, ob in der Partei selber oder für sie in Parlamenten ist ein wichtiges Gut. Schaut man auf die soziale Zusammensetzung der Parlamente, so wird man schnell feststellen, dass hier nicht das Volk, sondern eine privilegierte Gruppe im Parlament vertreten ist, die z.B. Hartz IV beschließen konnten, weil sie nicht davon betroffen sind. Bei der Deputation handelt es sich aber nicht um ein Parlamentsmandat, dass Parlament kann die Entscheidung der Deputation „überstimmen“. Politisch-moralisch, da es nicht um die Beschlussfassung des Haushalts als Gesetz ging, kann man schon erwarten, dass die Deputierten sich weniger an Parteizwängen ausrichten.

Die Äußerung, das wo ver.di draufsteht, nicht immer ver.di drin ist, war alles andere als in Ordnung. Sie ignorierte die gewerkschaftliche Diskussion und Haltung des Vorstandes zu dieser Frage. Es hat im Hamburger ver.di-Vorstand sehr wohl eine Debatte um den kommenden Doppelhaushalt 2013/2014 gegeben und es gab eine ablehnende Haltung zur Sparpolitik des Senats. Zur Vorstandssitzung im Mai 2012 gab es zwei Anträge. Der eine beschäftigte sich mit keinem Wort mit der angekündigte Sparmaßnahmen des Senats, der andere stellte den Zusammenhang von Absage an einen Sparhaushalt und Zusammenarbeit mit den sozialpolitischen Bewegungen in den Mittelpunkt. Diese Position der Ablehnung von Sparmaßnahmen wurde von allen Redner/innen übernommen und fand ihren Niederschlag später im Beschluss der Landesbezirkskonferenz am 15.06. Diese Vorstandsdebatte um den Entwurf des Antrags kann und dürfte man nicht ignorieren, so tun, als ob es in ver.di unterschiedliche Positionen gebe. Auf der ver.di-Landesbezirkskonferenz am 15.06.2012 wurde zusätzlich ein Beschluss gefasst, die strittigen Haushaltskürzungen für die Sozialbehörde abzulehnen.

Die Glaubwürdigkeit von ver.di und deren Rolle im Bündnis mit anderen sozialen Bewegungen gegen die Sparpolitik des Senats leidet darunter. Die Legitimität der Forderungen von ver.di gegen einen Sparhaushalt werden in Frage gestellt. Bereits in der Vergangenheit hat die Glaubwürdigkeit von ver.di durch die Zustimmung von Wolfgang Rose zum Sparhaushalt 2011/2012 oder für die Unterstützung der Beamtengehälterkürzungen 2011 gelitten. Er ist ver.di-Landesbezirksleiter in Hamburg. “Auf der Straße die Fresse aufreißen, aber nicht genügend Arsch in der Hose, sich in der Bürgerschaft dagegen zu stellen, warf mir ein Mitdemonstrant im Mai 2011 vor. Mein Argument: Wolfgang Rose ist nicht von ver.di vorgeschlagen worden, er ist für die SPD in der Bürgerschaft und im Rahmen der Wahlen ins Parlament gekommen. ver.di hat ihn weder gewählt noch vorgeschlagen.

Der Versuch führender Hamburger Gewerkschaftsfunktionäre, das Abstimmverhalten in der Deputation als Pressekampagne darzustellen, ist billig. Es war gut, dass die Presse, ob taz, Welt/Welt Kompakt oder MOPO dieses Verhalten aufgegriffen und dabei auf die ver.di-Funktion von Angelika Detsch als stellvertretende Landesleiterin in Hamburg hingewiesen haben. Vor allem war es Herbert Schalthoff, der das Thema in seinem Thread auf Facebook thematisierte und damit die Debatte wie die Berichterstattung losgetreten und verfolgt hatte. Die Presseschelte in diesem Zusammenhang zu den “eigenen Themen†signalisiert ein instrumentalisiertes Presseverständnis, was sich mit keiner gewerkschaftlichen Position deckt.

Die Kritikpunkte an dem Deputationsverhalten ist vor allem, dass damit die Ernsthaftigkeit des gewerkschaftlichen Engagement gegen eine Sparpolitik des Senats in Frage gestellt wird. Wer auf den Demos gegen die Reduzierung der Beamtenbesoldung durch die Hamburgische Bürgerschaft beteiligt war, der könnte das Klima mitnehmen, wie enttäuscht man über das Verhalten der Hamburger ver.di-Spitze war, wo es aber um ein SPD-Mandat in der Hamburgischen Bürgerschaft ging. Glaubwürdigkeit der gewerkschaftlichen Positionen ist aber ein zentrales Gut im Bereich der politischen Tätigkeit von ver.di, von der es mit abhängt, ob sich Menschen in und mit ver.di engagieren.

Im ver.di Landesbezirksvorstand hat man im Frühjahr sich darauf verständigt, die Debatte um das Verhältnis hauptamtliches Gewerkschaftsamt und Parlamentsmandat im Herbst zu besprechen. Der Antrag, dass die SPD künftig bei der Aufstellung ihrer Liste auf eine so genannte DGB-Vertretung verzichtet, wurde von vielen als richtig und sinnvoll angesehen, die Debatte aber auf nach die Neuwahl eines Landesbezirksleiters für ver.di Hamburg Mittel Juni zu verschieben. Ein Beschluss von ver.di Hamburg, dass gewählte Mandatsträger (Landesbezirksleitung) nicht für das Parlament kandidieren, scheint mir der klarere Weg. Aber am Ende geht es um die Debatte, die Meinungsbildung und Klärung um die hier im Zusammenhang stehenden.

Warum gibt es eigentlich diese Debatte?

In erster Linie geht es um die Unabhängigkeit von ver.di von politischen Parteien, in erster Linie natürlich um das Verhältnis zur Hamburger SPD – insbesondere, seit dem sie Regierungspartei in Hamburg ist. Zu Zeiten der CDU-GAL Regierung in Hamburg war es leicht, deRen Politik zu kritisieren. Schaut man sich auf der Web-Seite von ver.di Hamburg um, so wird man unter dem Thema Sparpolitik vieles finden, was man heute noch unterschreiben kann. Seit dem Antritt der SPD-Regierung gibt es das auftretende Problem, dass sich ver.di nicht in Opposition zum Senat bringen wollte bzw. es ginge vielmehr um die unterstellte Absicht, das es dieses Bestreben gäbe. Schaut man noch eine Lage tiefer, so wird das Problem sichtbar, dass man keine eigenen Kriterien für eine andere Regierungskonstallation hat. Auf dieser Basis kommt es zu Streitereien bei einzelnen Punkten. Was fehlt, ist ein Konzept, dass sich am Alltag orientiert und Kräfte sammelt für eine andere Politik, auch in Hamburg, so das Arbeitnehmer/innen-Interessen realisiert werden. Die Punkte sind schnell geschrieben, Mindestlohn, weg mit der Leiharbeit, Hartz IV verändern etc. Verlässt aber dieser abstrakte Teil das Reich der allgemeinen Forderungen, so erlebt man, dass im Hamburger Alltag die Probleme für Arbeitnehmer/innen groß sind. Der Senat hat die Schuldenbremse in der Verfassung verankert, ein andere Kurs ist nur über eine große Koalition möglich. Ver.di ist gegen die Schuldenbremse und ihre Verankerung in der Verfassung. Ver.di engagiert sich gegen Personalabbau, aber die Etatbeschlüsse werden in diese Richtung gehen. Bei dieser Umsetzung, der allgemeinen Positionen und der Unterstützung von Bewegungen, kommt es zu Problemen, da man selber keine Debatte über Alternativen und deren Umsetzung in ein eigenes Konzept hat. Wie kann eine Formierung von Gegenkräfte für eine Bewegung für eine Neue Politik aussehen, die dann wieder nur abstrakt greifen wird?

Mit Blick auf die Positionen von ver.di kann man diese verkürzt so darstellen: keine Schuldenbremse, sondern Investitionen in Beschäftigung und Wachstum, Rekommunalisierung zum Beschäftigtenumbau und Stärkung der öffentlichen Hand, keine Privatisierung öffentlichen Eigentums, umfassende Regulierung des Bankenystem, Stärkung der privaten Nachfrage durch Gehaltserhöhung, gesetzlicher Mindestlohn u.a.m. Wie manipulativ sich interessierte Kreise von ver.di Hamburg in der Absicht, nicht zur Opposition zum Senat zu gekommen, positioniert haben, würde an dem Thema Schuldenbremse sichtbar. Statt das man die beschlossene Position der Ablehnung der Schuldenbremse – auch in Hamburg – verdeutlicht, wird in einer Presseerklärung anlässlich des Beschluss zur übernahme diese Bremse in die Hamburgische Verfassung, mit keinem Wort die Grundposition deutlich und sogar der Eindruck erweckt, der Senat engagiere sich gegen eine Schuldenbremse. In der Diskussion zu Streichungen bei denden 1-Euro-Jobs, zur Beamtenbesoldung gab es in der Vorstandsdiskussion oder Mindestlöhne gab es im Vorstand klar ablehnende Haltungen, aber in der Außenkommunikation gab es mißverständliche oder eine gegenteilige Kommunikation. In den jeweiligen Trägerkreisen gab es Irritationen über das Verhalten der „DGB-Vertretung in der Bürgerschaft“. Man kann eben nicht beides sein: Gewerkschaftsvertreter im Parlament und dann gegen die eigene Linie stimmen. Der berechtigte Hinweis, man habe als SPDler abgestimmt, ist nachvollziehbar, aber dann darf man auch nicht mit dem DGB-Mandat argumentieren bzw. sich die Argumentation so zu Recht legen, wie sie einem passt. Auch das man unsere gewerkschaftliche Haltung nicht glaubwürdiger.

Interessierte Kreise verbreiten die Mär, dass man bei einer Trennung von Gewerkschaftsamt und Parlamentsmandat die Arbeitnehmervertretung schwächt. Es wird der Pappkamerad aufgebaut, wer das DBG Mandat nicht will, der will keine Gewerkschafter im Parlament. Das ist ebenfalls und billig, weil den Kreisen natürlich klar ist, dass es genau die Haltung ist, dass es mehr Gewerkschafter im Parlament bedarf. Dort sitzen viele zu viele Rechtsanwälte, Selbstständige oder Bundeswehrangehörige. Es gab sehr wohl ver.di Mitglieder, die zB gegen eine Übernahme der Schuldenbremse in die Hamburgische Verfassung gestimmt haben. Oder beim Vergabegesetz nicht für eine Prüfung gestimmt haben, sondern für die Verankerung des Mindestlohns gestimmt haben, so wie es die Wahlprüfsteine des DGBs gefördert hatten.

Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass die Gewerkschafterliste der SPD in Hamburg nicht gerade eine fortschrittliche Tradition hat, sondern eher zu den sehr schlechten Kapitel des Arbeiterbewegung in Deutschland gehörte. Nach dem Verbot der SPD gab es Abgeordnete, die ihre Mandate behalten wollten und mit den Nazis paktierten.

Warum soll sich ver.di überhaupt an der Hamburg Politik beteiligen?

Das Kerngeschäft ist die primäre Verteilung der Einkommen, also zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Dies erfolgt über Tairverhandlungen. Aber auch die sekundäre Verteilung spielt für Arbeitnehmer/innen eine bedeutsame Rolle. Was im Unternehmen nicht an die Beschäftigten verteilt wird, teilen sich diverse Couponschneider, heißen sie nun Bank oder Immobilieneigentümer. Ein weiterer im Bunde ist der Staat über die Erhebung der Steuern bzw. Sozialabgaben. Was der Staat über Steuern einnimmt bzw. verteilt.

Die Frage nach der eigenen Strategie ist kompliziert, weil es hierüber kaum eine entwickelte Debatte geschweige den Strategie in Hamburg gibt. Diese Debatte mit den sozialen Bewegungen anzuschieben, ist eine der großen Herausforderungen der Debatte um ihr Verhä’tnis zum Abgeordnetenmandat. So wie im wirklichen Leben, reden wir nicht nur darüber, was wir wollen oder fördern, in den praktischen Bewegungen treten wir für unser Gerede ein, stehen zu unserem Wort. Insofern kann es keine isolierte Debatte um das Verhältnis zum Parlament gehen, sondern um unseren gewerkschaftlichen Beitrag für eine demokratische und soziale Wende in der (Hamburger Politik). Das ist keine Frage nur der Debatte, sie ist eine Frage der praktischen Politik, in der wir als engagierte Gewerkschafter stecken.

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