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Holger Artus

Inhaltliche Positionierung im Betriebsrat zu Finanzinvestoren im Zeitungsmarkt

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Dies ist ein weiterer Text, den ich fast 20 Jahre nach der Übernahme der MOPO durch VSS/Mecom 2006 geschrieben hatte (1. Oktober 2025), um unsere damalige Aufstellung als Betriebsrat zu beschreiben. Hier geht es um den inhaltlichen Teil, die Neuaufstellung zu Finanzinvestoren im deutschen Zeitungsmarkt.

Weitere rückblickende Texte befassten sich mit unserem strukturellen Herangehen (Bildung Konzernbetriebsrat, Initiierung eines Europäischen Betriebsrat), unsere Kommunikationsstrategie und unser Positionierung zum unmittelbaren Verkauf.

Wir wollten unaufgeregt auf den Einstieg von VSS/Mecom herangehen, damit keine Untergangsstimmung im Haus entsteht. Sonst wäre daraus Frust ohne Ziel, Enttäuschung und Ohnmacht entstanden. Auch wollten wir eine Klärung unserer neuen Strategie. Operativ waren wir uns in der Abwehr sicher bzw. hatten Erfahrung. Im Kern durften wir nichts versprechen, was wir nicht halten konnten.

Im Dezember 2005 befassten wir uns mit den verschiedenen Fällen, wer in den Medien als Anbieter gehandelt wurde, und suchten den Kontakt zu deren Interessenvertretungen, wenn eine Medienmeldung uns dafür einen Aufhänger bot. Ansonsten wären wir abgeblitzt. Dadurch hatten wir Kontaktdaten und kannten die Herausforderungen. Seit Oktober 2005 hatten wir das Haus sachgerecht über die Verkaufsspekulationen informiert. Seit September 2005 gab es für uns Indizien für einen Verkauf. Was wir nicht schreiben konnten oder wollten, war in den Medien nachlesbar. Wir nahmen die Dementis der Gesellschafter immer gern in die BR-Infos auf – ihr Glaubwürdigkeitsverlust nach einem Verkauf würde sehr groß sein und sollte dann von uns „erschlossen“ werden.

Mit dem Herangehen an die BILD-Meldung vom Januar 2006 über den anstehenden Verkauf und die Dementis von Depenbrock und Barlach in derselben Ausgabe hatten wir unsere Erstreaktion (Presseerklärung) im Falle des Verkaufs vorbereitet – in Abstimmung auch mit den anderen Betriebsräten.

Es gab gleiche Passagen, aber auch unterschiedliche, je nach Käufer, wie am Beispiel des s:hz. Warum also überhaupt „aufgeregt“ reagieren? Wo kündigt man schon zu Beginn Widerstand an? Aus den verschiedenen Szenarien (worst, realistic oder best case) ergab sich eine Grundhaltung: „unaufgeregt“. Dies schlug sich auch in unserer Presse-Info vom 27. Januar 2006 nieder. Mit dem Betriebsrats-Info vom 1. Februar 2006 gingen wir noch einen Schritt weiter und sprachen über mögliche Folgen des Verkaufs im 2. Halbjahr 2006.

Klärung nach innen

Um uns im Betriebsrat, aber auch in anderen betriebsrätlichen und gewerkschaftlichen Strukturen besser inhaltlich aufzustellen, führte ich verschiedene Gespräche – etwa mit Betriebsräten der Bundesdruckerei – über ihre Erfahrungen. Ich ließ mich von Bankberatern zur Mecom-Aktie und dem Grundgeschäft briefen und suchte weitere Ansprechpartner:innen. Sehr froh war ich, mit Dr. Alexandra Krieger von der Böckler-Stiftung ins Gespräch zu kommen. Wir verständigten uns auf die Themen, und sie schickte uns am 1. März 2006 ein erstes Briefing, das sehr gut war. Wir luden sie nach Hamburg ein und hatten am 12. März 2006 ein sehr gutes Arbeitsgespräch.

Daraus ergab sich, wie wir im Haus weiter vorgehen und den Dialog mit den Anteilseignern VSS und Mecom gestalten wollten. So hatte ich am 4. Mai 2006 ein Gespräch mit David Montgomery; mit dem Vertreter von VSS vereinbarte ich ein Interview für unser BR-Info. „Protokollauszug aus der Betriebsratssitzung vom 6. März 2006, TOP 6: Nächste BR-Sitzung vom 13.03.2006: Zur nächsten BR-Sitzung wird Alexandra Krieger von der Böckler-Stiftung kommen, die den BR über Private-Equity-Unternehmen informieren wird. Die bisherigen Ausarbeitungen von ihr werden im Vorfeld verteilt.

Klärung nach außen

Im Zuge der inhaltlichen Klärung, was Finanzinvestoren sind, womit wir es hier zu tun haben und welche Erfahrungen die Arbeiterbewegung gemacht hat, stand in der gewerkschaftlichen Diskussion der „böse“ Blutsauger-Kapitalist im Vordergrund, der wie eine „Heuschrecke“ das Land überfällt und alles abfrisst. Bereits unmittelbar nach dem Kauf sagten wir, dass wir „unaufgeregt“ an die neuen Erwerber herangehen würden.

Durch das „Heuschrecken“-Herangehen im Berliner Verlag war viel Empörung präsent – in meinen Augen auch eine gewisse „Verklärung“ mit Blick auf die deutschen Verleger, die alles andere als Engel waren, wenn es um Aufkäufe und Sanierungen ging.

Ich schrieb einen Artikel für eine Wochenzeitung (10.02.2006) und plädierte für ein aufgeklärtes Vorgehen. Nach der Zustimmung des Kartellamts zum Kauf der MOPO durch VSS/Mecom veröffentlichten der BR des Berliner Verlages und wir am 22.02.2006 eine gemeinsame Presseerklärung. Darin wurde unsere ruhige(re) Herangehensweise für die interessierte Öffentlichkeit noch einmal dargestellt und Aufklärung über Finanzinvestoren betrieben – nach dem Motto: „Kenntnis leitet uns“. Da ich die Web-Plattform verdi-verlage.de betreute und damit die Zielgruppe erreichte, bot sie sich als Publikationsform an.

Ein weiteres Ergebnis des Gesprächs mit Dr. Alexandra Krieger am 12. März 2006 war die Vereinbarung über eine wissenschaftliche Studie von Rainer Jung zum Marktzutritt von Finanzinvestoren in den deutschen Zeitungsmarkt.

Martin Dieckmann von der ver.di-Bundesverwaltung gab in der ver.di-Fachzeitschrift MMM (11/2006) ein hervorragendes Interview („Bei ‚Heuschrecken’ kein Grund zur Panik“). Ausgehend vom Tarifabschluss im Berliner Verlag argumentierte er dort erneut zu den Finanzinvestoren und ihren Folgen für die Medienwirtschaft.

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