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Holger Artus

Schmerzlichen Glückwunsch

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Aus der ver.di-Fachzeitschrift “MMM” 10/1999: Jetzt ist sicher, was die Betriebsräte vom Berliner KURIER und Hamburger MORGENPOST bereits im Juni 1998 vermuteteten: (s.a. M 7-8/98). Die überregionalen Ressorts der beiden Gruner+Jahr-Tageszeitungen verlieren ihre Vollredaktion. Die Ressorts Politik, Nachrichten, Vermischtes, Auto, Reise und Service werden künftig gemeinsam mit n dem Berliner Kurier produziert; das Bonner Korrespondentenbüro soll ab Juli 1999 in Berlin arbeiten. Zum Oktober 1999 folgen Nachrichten, Vermischtes, TV und Service, zum Januar 2000 die Politik.

Folgen: in Berlin sind 17, in Hamburg 13 Arbeitsplätze betroffen – in der Berliner Redaktionsgemeinschaft werden jedoch nur 15 Stellen geschaffen. In Hamburg werden zudem zwei Volontärs und eine Sekretariatsstelle gestrichen.

Der MOPO-Geschäftsführer Buchholz erklärte Ende April auf einer Betriebsversammlung, daß es zu keinen betriebsbedingten Kündigungen kommen würde‚ wenn alle betroffenen Redakteure nach Berlin‘ gingen. Zeitverträge würden auslaufen, lediglich sechs Stellen werden in Hamburg real abgebaut. Zusammen mit einem ähnlichen Zahlenspiel beim Berliner KURIER, wo real nur vier Stellen eingespart würden, sei dies ein sozialverträgliches Vorgehen.

Die ultimative Mahnung jedoch: Sollten die Versetzungen nach Berlin nicht akzeptiert werden, sehe man betriebsbedingte Kündigungen

Mit von der Partie bei der Redaktionsgemeinschaft der Kölner EXPRESS. Während fiir die beiden G+J-Zeittmgen die Seiten zentral in Berlin produziert werden, wird der EXPRESS nur mit Texten beliefert. Der Vertrag zwischen Gruner+Jahr und dem Kölner EXPRESS (MDS) ist langfristig abgeschlossen und kann erstmals zum Juli 2000 gekündigt werden. MDS erpflichtet sich, einen bestimmten Betrag in die Redaktionsgemeinschaft einzuzahlen. Den Nutzen aus der Redaktionsgemeinschaft teilen sich die MOPO und der KURIER (der wiederum einen Teil des finanziellen Nutzens an die MOPO-Sachsen abgeben muß – bereits seit Jahren bezieht die Dresdner und Chemnitzer MORGENPOST den Politikteil und die Nachrichtenseiten vom KURIER).

Konzentration auf das Lokale

Der Versuch, die überregionalen Themen verschiedener Kaufzeittmgen produktiontechnisch zu zentralisieren, soll nach Meinung der G+J-Manager dazu führen, sich auf die Lokalberichterstattung zu konzentrieren. Dies soll insbesondere die seit Jahren finanziell und wirtschaftlich stark angeschlagene Hamburger MORGENPOST aus ihrer prekären Lage herausführen. Während sich der EXPRESS redaktionelle Kapazitäten vor Ort weiter hält (wie auch der KURIER), verliert die MOPO diese – Bedingung für die Zukunft.

Ob diese Kernkompetenz wirklich die wirtschaftliche Zukunft ist, beruht auf Spekulationen. Man hoffe, billiger zu produzieren, um trotz sinkender oder stagnierender Auflage in die schwarzen Zahlen zu kommen. Redaktionsmitglieder bezweifeln den Qualitätssprung, den die Manager immer wieder predigen. Kritiker der Synergie verweisen zudem darauf, daß es den in den Startlöchern für den Vorstandsvorsitz bei Gruner+Jahr stehenden Bernd Kundrun (z.Z noch Verantwortlich für die Tageszeitungen) darum geht, im nächsten Jahr mit einer sauberen Bilanz in die Fußstapfen von Gerd Schulte-Hillen (Oktober 2000) zu treten. Dabei dürfte es weniger um die MOPO gehen, als darum, dass sich die gesamte Kaufzeitungsgruppe in ruhigem Fahrwasser bewegt.

Nach Auflassung der beiden G+J Unternehmen bedarf die Rationalisierung keiner weiteren Beteiligung der Betriebsräte – in Hamburg und Berlin wird die Sozialplanpflicht bestritten. Es handele sich um individuelle Fragen…

Ideologische Fixierung

Nun deutet sich an, daß jetzt seitens der Beteiligten Verlage alles daran gesetzt wird, dieses rein kostenpolitisch vorgedachte Redaktionsmodell zum Leben zu erwecken. Die zudem fixierte Idee, weitere externe Kunden zu gewinnen, wird sowohl in Hamburg, als auch in Berlin belächelt: Warum sollten sich andere Zeitungen an die G+J-Redaktiongemeinschat wenden, wenn es allein bereits aus technischen Gründen schwer die Marktreife erreichen wird? Warmn sollten kleinere und in ihren Gebiet sogar (noch) wnt’schafllich erfolgreiche Zeitungen kommentierte Agenturmeldungen beziehen? Die Art der Teilhabe des EXPRESS und seine Form signalisiert hat schon die Keime für das Ende diese Marktabsicht in sich.

Probleme der Verleger

Die Problematik des Urheberrechts dürfte im Vorfeld der Verhandlungen eine besondere Rolle gespielt haben. Das gegenwärtige Gerüst sieht vor, daß die Redakteure ihren Arbeitsvertrag nur dem jeweiligen Arbeitgeber behalten. Sollten Texte von ihnen für zwei (beteiligten) Zeitungen stehen, stellt sich die Frage des Verwertungsrechtes. Hier hat sich der EXPRESS verpflichtet, daß er das Risiko für etwaige Honorarforderungen seitens der Redakteure der Redaktionsgemeinschafi übernimmt. Da es sich bei dem Düsseldorfer EXPRESS noch um ein weiteres Unternehmen handelt, ein doppeltes Risiko. Ähnliches dürfte aber auch für die MOPO oder den KURIER zutreffen.

Die Zusammenarbeit von drei unterschiedlichen Zeitungen dürfte auch in der Zusammenarbeit der drei Chefredakteure nicht ohne sein. Um hier eine bestimmte Abgrenzung bzw. einen Regelungsbereich für Meinungsverschiedenheiten zu haben, ist ein joumalistisches Regelwerk dem Vertrag zwischen G+J und MDS beigefügt worden. Ob dies bei Meinungsverschiedenheiten ausreicht, bleibt abzuwarten, für den EXPRESS dürfte diese Thematik der Hauptgnmd für die jetzige Favorisierung der Zusammenarbeit gewesen sein.

Motive von MDS und G+J

Spekulationen über das Motiv von MDS, sich finanziell an dieser Redaktionsgemeinschaft und Dienstleister zu beteiligen, gehen auch in‘ die Richtung, daß mit der „Zusammenarbeit“ MDS/G+J darauf gesetzt wird, die Ausgangslage von G+J bei den Nachfolgern von Alfred Neven DuMont besser wird. Der inländische Zeitungsmarkt ist ziemlich abgegrast. Expansion im Zeitungsmarkt findet aus deutscher Sicht vor allem im Ausland statt. So wie sich G+J erst jüngst an einer rumämischen Boulevard-Zeitung beteiligte, engagieren sich die anderen deutschen Zeitungsverlage an anderen osteuropäischen Ländern. Bezogen auf die Kaufzeitungen kann nicht davon gesprochen werden, daß sich diese Gattung am Printmarkt weiter an Einfluß gewinnt. Die Konkurrenz der elektronischen Medien, die Entwicklung der privaten Aufwendungen fiir Zeitungen und Zeitschrifl’en aufgrund der Einkommensentwicklung sowie der Entwicklung der Media-Mix zwischen den verschiedene Mediengattungen drückt auf die Ergebnisse der Kaufzeitungen.

Der Betriebsrat der Hamburger MORGENPOST hatte jüngst in einem BR-Info darauf hingewiesen, daß die Existenz der Zeitung insbesondere an der Haltung der Gesellschafter hängt. Diese Engagement kann nicht hoch genug eingeschätzt werden – bei aller sonstigen Kritik an dem konkreten Einsatz in die Zeitung und der heute offensichtlich falschen Einschätzung um ein Sparrnodell auf Kosten redaktioneller Qualität und publizistischer Vielfalt.

Da ursprünglich geplant war, daß die Zusammenarbeit der drei Redaktionen im überregionalen Bereich in der Gründung einer Agentur münden sollte, wird man gespannt sein, ob dieses fürs erste beendete Projekt zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal aufgelegt wird.

Zur Pressekonzentration gibt es gegenwärtig keine Alternative

Der redaktionelle Zusammenschluß der beiden G+J-Kaufzeitungen in den obigen Bereichen führt zu verschiedenen Spekulationen über die Bewertung und die Folgen dieser Entwicklung. So war bereits der M 2/99 zu entnehmen, daß es zu einem Zusarnmenschluß der drei Zeitrmgen kommt. Zweifelsohne hat man es hier mit einer fortschreitenden Pressekonzentration im publizistischen Sinne zu tun. Eine Zusammenlegung oder gar Auflösung von ganzen Redaktionen oder Hauptredaktionen sind es nicht. Die Spekulationen über den Fortgang dieser Redaktionsgemeinschafi sind unterschiedlich. In Teilen der Gewerkschaften wird jetzt das Gespenst des weiteren Ausbaus dieser Redaktionsgemeinschafi als Mantel für weitere kleine Zeitungen gesehen. Andere sehen in der Synergien einen Zusammenhang zu den anderen (kostenlosen Zeitungsprojekten) von Gruner+Jahr im Bereich der Sonntagszeitungen. Realistischerweise dürfte wenigstens spricht dafür die Vorgeschichte, dieses Modell einer Agentur/ Redaktionsgemeinschaft für weitere Interessenten attraktiv werden. Ob und wie das funktionieren kann, dürfte das Experiment der Berliner Redaktionsgemeinschat MOPO/KURIER zeigen. Unwahrscheinlich sollte aus heutiger Sicht sein, daß die Ganzseitenerstellung in Berlin andere Kauf- und Anzeigenzeitungen eine Perspektive hat.

Die Betriebsräte der drei Kaufzeitrmgen haben eine enge Zusammenarbeit und Abstimmung um die möglichen redaktionellen Folgen praktiziert. Die gemeinsame Erklärung der Betriebsräte von Anfang Januar dieses Jahres hatte dazu beigetragen, daß die Differenzen zwischen den beiden Unternehmensgruppen weiter aufbrachen und dazu führten, daß sich der EXPRESS als Partner für eine Agentur zurückzog. Kurz vor dem gesamten Scheitern gelang es G+J aber noch einmal, den EXPRESS mit in das Boot zu bekommen. Das jetzt der Öffentlichkeit vorgestellte „Redaktionsgemeinschaft”-Modell ist ein Kompromiß.

Auch wenn es sich um keinen Aufkauf handelt, hat es eine Zusammenarbeit der Betriebsräte über die Untemehmensgrenzen hinaus gegeben. Die Bedeutung der Medienöffentlichkeit für eine interessenorientierte Arbeit von Betriebsräten und Gewerkschaften ist für alle Beteiligten eine hilfreiche Erfahnmg gewesen. Die Gewerkschaften müssen weiterhin‘ die Diskussion um praktische und konkrete Alternativen der Zusammenarbeit führen, weil es derzeit keine Altemative zu den anhaltenden Pressekonzentrationsprozessen gibt.

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