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Holger Artus

Gertrud Stillschweig, Schwester im Israelitischen Krankenhaus

Aus Anlass des Besuchs der Familie von Ella Michel aus Argentinien in Hamburg war eine meiner Absichten, über weitere Krankenschwestern zu informieren, die mit Ella Michel in der NS-Zeit im Israelitischen Krankenhaus zusammen gearbeitet hatte. Im Fall von Ellen Glück konnte ich eine Info in der heutigen Nachbarschaft ihrer damalige Wohnadresse verteilen. Bei Martha Dessen und Gertrud Stillschweig gab es nur die Möglichkeit eines Web-Beitrages. Hier die Info zu Gertrud Stillschweig.

Ein Stolperstein erinnert an Gertrud Stillschweig, er liegt vor der Schäferkampsallee 29. Hier war von 1942 bis 1959 das Israelitische Krankenhaus. Sie war Krankenschwester und arbeitete dort in der NS-Zeit unter schwersten Bedingungen.

Gertrud Stillschweig wurde am 24. Mai 1907 in Heide/Dithmarschen geboren. Sie hatte vier Geschwister: Herbert (geb. 1890), der nur drei Monate alt wurde, Frieda (geb. 1891), Dagobert (geb. 1896) und Martha (geb. 1906). Die Familie lebte in der Friedrichstraße. Vater Samuel betrieb bis zu seinem Tod 1935 als letzter jüdischer Unternehmer der Stadt ein Bekleidungsgeschäft, das seit den 1880er Jahren bestand. Er kam aus Böhmen. Die fünffache Mutter Auguste war bereits 1924 verstorben.

Während Frieda, Dagobert und Martha nach Berlin zogen, dort studierten und sich eine berufliche Existenz aufbauten, blieb Gertrud bis 1937 in Heide und zog dann nach Hamburg. Vermutlich musste Gertrud das Geschäft des Vaters verkaufen. Seit 1938 hatte sie im Israelitischen Krankenhaus in der Eckernförder Straße 4  auf St. Pauli gewohnt und war dort als Krankenschwester tätig gewesen.

Gertrud Stillschweig begleitete 1939/40 den zweiten unfreiwilligen Umzug des Krankenhauses und dessen Aufteilung die Johnsallee 68 (Krankenhausbetrieb) bzw. Johnsallee 54 (chronisch Kranke und Schwestern). Im September 1942 musste es erneut umziehen, und kam in den ehemaligen jüdischen Pflegeheimen in der Schäferkampsallee 25/27 (chronisch Kranke/Pflegebedürftige) und 29 Krankenhausbetrieb und Schwestern) unter. Die beiden Gebäude hatten nach den Deportationen vom 15. und 19. Juli 1942 über die nahegelegene Schule Schanzenstraße leer gestanden. Zum Zeitpunkt des Umzugs hatte das Israelitische Krankenhaus noch 20 Patienten:innen.

Am 24. März 1943 wurde Gertrud Stillschweig zusammen mit 50 weiteren Menschen wie die Familie Beit, die ebenfalls in der Schäferkampsallee 29 wohnte, nach Terezin/Theresienstadt (Nähe Prag), deportiert. Am 12. Oktober 1944 erfolgte ihr Transport nach Auschwitz. Ihre Geschwister Frieda, Dagobert und Martha wurden von Berlin aus direkt nach Auschwitz verschleppt und wie Gertrud dort ermordet.

Vor dem Grundstück in der Friedrichstraße in Heide, auf dem sich früher das Geschäft von Samuel Stillschweig befunden hatte, sind seit 2005 vier Stolpersteine in den Boden eingelassen, die an die vier Geschwister erinnern. 

Die „Stiftung gegen Extremismus und Gewalt in Heide und Umgebung“.“ in Heide kümmert sich um die Pflege der Steine. „Die Erinnerung an die Einzelschicksale soll lebendig erhalten und unvergessen bleiben. Initiiert wurde das Projekt von der Stiftung gegen Extremismus und Gewalt in Heide und Umgebung und dem Offenen Kanal Westküste, in Zusammenarbeit mit dem Geschichtsprofil des Abitur-Jahrgangs 2014/2015 de Werner-Heisenberg-Gymnasiums, NDR 1 Welle Nord und dem Schleswig-Holstein Magazin.“

Der Stolperstein für Gertrud Stillschweig vor der Schäferkampsallee 29 wurde im März 2024 verlegt, da es ihr letzter Wohnort vor der Deportation gewesen war.

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