Ansichten

Holger Artus

Welche Rolle spielte das Thema der MOPO bei den Ausschlüssen in der IG Druck?

Die Vor- und Nebengeschichte in der Ausschlusspraxis in den 1970er Jahren in der IG Druck und Papier wegen unterstellter Mitgliedschaft oder Unterstützung linker Gruppen war immer auch das Thema des Verhältnis der IG Druck zu den Journalisten:innen in der Gewerkschaft in Hamburg und damit zur damaligen (sozialdemkratischen) MOPO.

Bevor es zu den Unvereinbarkeitsbeschluss 1973 kam, wurden zwei Journalisten (in Berlin) aus der IG Druck ausgeschlossen. 1972 und 1973 verweigerte sich der IG Druck-Vorstand in Hamburg der Unterstützung der MOPO-Redaktion gegen eine inhaltliche Wende des Blattes und der Unterstützung gekündigter Redakteure. Sie wollten Schaden an der SPD verhindert und waren dafür bereit, Schaden in der Gewerkschaft anzurichten. Damals gehörte die MOPO der SPD.

SPD Druckereien und Zeitungen sind oder steuern in die Krise

Das Grundproblem der IG Druck-Verantwortlichen in Hamburg war – liest man die Vorstandsprotokolle -, dass sie alles unternahmen, um Schaden von der SPD-Zeitung abzuwenden. Das bedeutete angesichts der damaligen Marktprozesse aber immer größere größere Zerwürfnisse, bis zum Beschluss zur Schließung der MOPO 1979. Bis dahin verloren hunderte Beschäftigte ihre Arbeit und die Redaktion ihre Loyalität zur SPD.

Die SPD-Zeitungen kamen immer mehr in eine Schieflage. 1972 beschließt die SPD, die beiden West-Berliner Tageszeitungen, “Telegraf” und “nachtdepesche” (Boulevardzeitung wie die MOPO) einzustellen. Im gleichen Jahr kam das Ende der “Braunschweiger Presse”. Damit waren nach dem Ende des zweiten Weltkrieges insgesamt 20 sozialdemokratische Zeitungen vom Markt verschwunden. Bereits 1967 war in Hamburg das „Echo“ eingestellt worden.

IG Druck-Chef Mahlein (und Mitglied des Aufsichtsrats) erklärte zu Beginn der 1970er Jahren, wenn Auer Druck (MOPO-Druckerei der SPD) keinen Zuschuss bekäme, stände die Druckerei vor dem aus, was mit Folgen für die MOPO verbunden wäre. Der Auer-Druck Geschäftsführer Nevermann erklärte im Dezember 1973, dass sie prüfen, ob die MOPO nicht in einer anderen Druckerei als bei Auer gedruckt werden könnte. Eine Zuschuss durch die SPD schloss er aus. Im gleichen Atemzug beschloss die Geschäftsleitung einen erheblichen Stellenabbau in der Druckerei und Weiterverarbeitung. 1974 war auch die MOPO in den roten Zahlen und kam bis zur Einstellung 1979 bzw. dem Verkauf 1980 nicht mehr raus. Die Auflage der MOPO stürzte ab. Von 1970 bis 1975 reduzierte sich die verkaufte Auflage um 70.000 Exemplare.

Der Protest in der MOPO-Redaktion 1972 – IG Druck-Verantwortliche wollen die Redaktion nicht unterstützen

Die SPD hatte Wolf Heckmann 1969 zum neuen Chefredakteur der MOPO ernannt.

Zu Beginn 1972 präsentiert er sein „Konzept 1972“. Das stieß auf massive Ablehnung. U.a. wollte er die Politik von vorne auf die letzten Seiten verlegen. „Im März 72 kündigten die Ressorts Politik und MAGAZIN geschlossen, weil der damalige Chefredakteur Wolf Heckmann ohne Absprache mit diesen Ressorts das Blatt mit dem Ziel umgestaltete, es weitgehend zu entpolitisieren. Vor allem das MAGAZIN war ihm zu ‚link‘“, hieß es in einem gemeinsamen Info der dju und den Jungsozialisten in Hamburg. In der folgenden Wochen kündigen 12 Redakteure:innen. Bis zum 9. Mai 1972 eskaliert die Lage in der Redaktion. Die Verantwortlichen DruPa-Funktionäre bremsen jede Gegenwehr aus.

IG Druck-Vorstand will das Thema der MOPO-Kündigungen nicht in der Öffentlichkeit haben

Am 28. Februar 1972 war die MOPO Thema auf der Tagesordnung der Vorstandssitzung der IG Druck und Papier Hamburg. In der dju hatte sich wegen der Proteste in der Redaktion ein Arbeitskreis gebildet. Dieser forderte die Einberufung einer Protestkundgebung im Audi-Max.

Der Antrag der dju: „Die versammelten Mitglieder der dju stellen den Antrag, schnellstmöglich eine öffentliche Protestversammlung über die schwerwiegendenVeränderung des politischen Konzepts der Morgenpost und die Bedrohung der inneren Pressefreiheit durch die Kündigung von Journalisten, die für Mitbestimmungnoen eingetreten sind, einzuberufen. Diese Veranstaltung sollte noch in diesen Monat in Hamburg von der dju mit Unterstützung der IG Druck und Papier veranstaltet werden.“

Der IG Druck-Landesbezirksvorsitzende, Hans Dörhöfer, sagte auf der Sitzung, das sich keiner von den Kollegen:innen, die gekündigt, sich an ihn gewendet hätten. „Es ist unklar“, so Dorhöfer, „was die Gewerkschaft tun soll.“ Und dann steht im Protokoll: „Die Vorstände lehnen eine Unterstützung einer solchen Demonstration ab.“

Das funktionierte natürlich nicht, die dju drängte auf eine gemeinsame Sitzung von dju Hamburg und dem Ortsvereinsvorstand der IG Druck und Papier. Am 21. März 1972 kam es dazu: „Die Mitglieder des dju-Vorstandes bringen in der ausführlichen Diskussion zum Ausdruck, daß die diesbezüglichen Vorgänge in der Bundesrepublik Grund zur Warnung und zur umgehenden Durchführung einer öffentlichen Veranstaltung seien. Der dju-Vorstand habe beschlossen, daß die Veranstaltung unter allen Umstanden stattfindet, ihm sei aber daran gelegen, die Gewerkschaft Druck und Papier hinter sich zu haben.“ Was folgt, ist die Belehrung durch Heinz Wolf, dem Hamburger Ortsvereinsvorsitzenden. Obwohl das Thema bereits vor vier Wochen Thema auf der Vorstandssitzung war, erklärt er: „Nach Ansicht des Kollegen Wolf ware folgende Rangfolge ein-zuhalten: Zuerst Gespräche oder Verhandlungen mit den Herren Müller und Heckmann von der Morgenpost, dann Gespräche in Bonn unter Einschaltung des Hauptvorstandes und dann die vorgesehene öffentliche Veranstaltung.

Quelle: Staatsarchiv Hamburg 136-3_185

Die Kollegen des diu-Vorstandes haben Bedenken gegen diesen „langwierigen“ Weg und bringen immer wieder zum Ausdruck, daß die geplante Veranstaltung umgehend stattfinden müsse…. Kollege Wolf dankt dem dju-Vorstand für die ausführliche Unterrichtung und weist darauf hin, daß nunmehr der Ortsvereinsvorstand darüber zu beraten.“ Auf der dann ohne den dju-Vorstand fortgeführte Sitzung lehnt der Ortsvereinsvorstand eine Protestkundgebung im Audi-Max ab.

Am 12. April 1972 fand im Audi-Max die Protestkundgebung ohne die IG Druck und Papier statt. Veranstalter waren: Deutsche Journalisten-Union in der IG Druck und Papier, Hamburg, Jungsozialisten – Landesverbände Hamburg und Schleswig-Hostein. Jungdemokraten, Landesverband Hamburg. Aktionszentrum Hamburger Jugendverbände und der AStA der Universität und Fachschaft Germanistik: „Pressefreiheit in Gefahr“.

Das Zerlaber der Lage in der MOPO durch den IG Druck-Vorstand ändert nichts am Leben: Heckmann konnte nicht gegen die Redaktion agieren, am 8. Mai 1972 ist er vom Acker.

Der Konflikt in der SPD/IG Druck mit der MOPO-Berichterstattung zur Besetzung der Häuser in der Ekhoffstraße 1973

Die Besetzung der Häuser in der Eckhofstraße 1973 stellte eine Zäsur in der SPD-MOPO dar. Redakteuren wurde vorgeworfen, die Einsatzpläne der Polizei an die Besetzer verraten zu haben. Interessierte Kreise in der SPD und Polizei diffamierten die Berichterstattung der MOPO. Werner Irle, Lokalchef und Andreas Conradi, damals CvD, wurde gekündigt. Der Lokalreporter und MOPO-Betriebsratsvorsitzende, Werhart Otto, schmiss den Job. Über die innerredaktionelle Auseinandersetzung entschieden sich weitere Redakteure/ innen,  die Zeitung verlassen.

Auf der Ortsvereinsvorstandsitzung vom 19. Juni 1973 wird der Rausschmiss Thema, Conradi klagt gegen seine Kündigung vom 31. Mai 1973 und stellt einen Rechtsschutz-Antrag. „Der geschäftsführende Vorstand hatte unter Bezugnahme auf die Satzung dieses Ersuchens abgelehnt“, hieß es am Ende im Protokoll. Die dju stellt den Antrag, ihn an den Hauptvorstand mit einer Empfehlung weiterzuleiten. Für eine positive Empfehlung fand „sich keine Mehrheit“.

Die Besetzung in der Eckhoffstraße 1973

Die Bewo-Bau, ein Unternehmen jener später skandalträchtigen Neuen Heimat (DGB), hatte seit den 1970er Jahren Grundstücke im Graumannsweg/Ekhoffstraße in Hamburg-Hohenfelde für 36 Mio. DM gekauft. Es sollten hier Eigentumswohnungen gebaut und später verkauft werden. Im März 1972 waren 80 der 111 Mietparteien ausgezogen. Die BeWo vermietet diese freien Wohnungen für die Zeit bis zum geplante Abriss an Studenten/innen. Im Mietvertrag stand eine  vierwöchige Kündigungsfrist. Im Oktober 1972 gründete sich eine Mieterinitiative aus den alten und neuen Mietern. Die Initiative verhandelt mit der Stadt über die Nutzung der Räume durch das Studentenwerk. Dies scheiterte und 30 Wohnungen stehen leer. Am 19. April 1973 kommt es zur Besetzung der leerstehenden Wohnungen in der Ekhoffstr. 39 durch rund 50 Leute. Die Initiative war in die Besetzung nicht eingeweiht.  Die MOPO schrieb damals: „Es hatte damit angefangen, dass die Hausbesetzer verhindern wollten, daß intakte Wohnungen angerissen, Mieter ausquartiert und anstelle der Miethäuser teure Eigentumswohnungen entstehen“ (24.05.1973).

Die Hausbesetzer wurden, für uns heute kaum nachvollziehbar, als „Polit-Rocker“ in der Öffentlichkeit dargestellt, um die Jugendlichen zu diskreditieren.

Die BILD Hamburg verbreitete das Treiben der „Polit-Rocker“ kurzerhand unter einer gemeinsamer Rubrik mit einem Rocker-Mord. „Bild“-Lesern grauste es vor „vermummten Terroristen, die eines Tages auch dem fleißigen Facharbeiter sein Reihenhaus wegnehmen wollen“. Die „Welt“ ermunterte die Polizei, „das Notwendige zu tun: zur rechten Stunde einzugreifen“. 

Quelle: Staatsarchiv Hamburg 136-3_838

Am 23. Mai 1973 räumte ein Mobiles Einsatzkommando (MEK) die besetzten Wohnungen in der  Ekhoffstraße. Bei der Räumung setzt das MEK Schusswaffen ein. „Gezielte Schüsse, das wurde noch einmal bestätigt, sind nicht gefallen. Die Polizei hatte lediglich Warnschüsse abgegeben“ (HABL 24.05.1973), die während der Räumung abgefeuert wurden. Es stellte sich auch der Einsatz von V-Männer der Polizei unter den Besetzern heraus (HABL 24.05.1973). Die MOPO schrieb am Tag nach der Räumung: „Ständige Observierungen durch die Polizei verleiteten die Hausbesetzer zu Handlungen, für die kaum jemand Verständnis hatte. Dazu trugen wohl beide Seiten bei.“

Hamburgs Polizeipräsident war mit der Berichterstattung der MOPO nicht einverstanden und hatte sich deswegen an den Chefredakteur gewandt. Im Kommentar von Conradi vom 24. Mai 1973 hatte er das Thema an die Hamburger Politik adressiert und sich gegen die polizeiliche Aktion am 23. Mai 1973 gewandt.

Am 30. Mai 1973 wurden Andreas Conradi und Werner Ihrle durch den Chefredakteur, Bodo Grosch gekündigt.

Quelle: Staatsarchiv Hamburg 136-3_838

Hamburger Jungsozialisten an der Seite der Betroffenen MOPO-Redakteure, zusammen mit der dju Hamburg

Die IG Druck-Verantwortlichen stellen sich nicht an die Seite der MOPO-Redaktion. Die dju Hamburg und die Hamburger Jungsozialisten machten es zu einem öffentlichen Thema. In der Stadt verteilen sie ein Flugblatt, um über die Vorgänge in der MOPO zu informieren.

Für den Hamburger Verfassungsschutz wird es ein Vorgang und legt einen Vorgang vorsorglich an.

Quelle: Staatsarchiv Hamburg 136-3_838

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