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Holger Artus

Die Sache mit den Ausschlüssen in dju 1972/1974 in Berlin, 1973/1974 und 1976 in Hamburg

Ab 1974 wurden Mitglieder aus KB, KBW, KPD und KPD/ML u.a. auf der Basis des „Unvereinbarkeitsbeschluss“ der IG Druck vom März 1973 ausgeschlossen. Bereits Ende 1972/Anfang 1973 tat sich aber erst ein anderes Feld auf. In Berlin wurden der dju-Vorsitzende, Jörg Mettke, und sein Stellvertreter, Stefan Reisner, aus der IG Druck und Papier ausgeschlossen. Ein anderer Konflikt in der Hamburger Morgenpost 1972/1973 machte ebenfalls deutlich, dass zu erst um einen Teil in der Sozialdemokratie ging.

Die beginnenden Konflikte mit den Journalisten:innen in der IG Druck, z.B. in Berlin 1972/1973

Am 15. Dezember 1972 waren der Berliner dju-Vorsitzende, Jörg Mettke (SPIEGEL) und sein Stellvertreter, Stefan Reisner, aus der IG Druck und Papier ausgeschlossen worden. Den beiden Sozialdemokraten wurde zum Vorwurf gemacht, dass sie, als „im vergangenen August die Berliner Officina-Druckerei geschlossen wurde, zu einer Spendenaktion für die betroffenen Arbeitnehmer aufgerufen (hätten), ohne den Landesverband der IG Druck zu informieren“, so der SPIEGEL am 7. Januar 1973.

„Die … fühlte sich verunglimpft, denn, so der Berliner DruPa-Chef Gerd Ballentin in der Begründung des Ausschlußantrags: Es bestand ‚keine Notwendigkeit … eine solche Solidaritätsaktion zu starten, da durch den Einsatz … unserer Organisation sichergestellt war, daß kein Mitglied in finanzielle Not geriet’. Schließlich kreidete Ballentin den beiden dju-Vorständlern noch an, daß sie die Spendengelder auch Nicht-Organisierten zukommen lassen wollten, daß sie ohne Absprache mit dem Westberliner Landesbezirksvorstand der Gewerkschaft eine Spendensammlung für die von der Schließung des Druckereibetriebs Officina KG betroffenen Kollegen organisiert hatten.“ Der Hauptvorstand bestätigte den Ausschluss.

Auf dem Gewerkschaftstag war Ballentin sich nicht zu blöde, davon zu sprechen, dass die beiden nicht wegen der Soli-Sammlung ausgeschlossen wurden, sondern dass sie sich nicht zur Satzung der IG Druck und Papier bekannten. Nach seiner Interpretation sei ihre Erklärung, dass für ihre Soli-Aktivität nicht die Satzung maßgebend, der Grund für den Ausschluss.

Im Vorfeld der ver.di-Veranstaltung am 28. Mai 2024 zu den Hamburger Ausschlüssen aus der IG Druck und Papier hatte ich mit einem guten Freund eine Debatte, in wie weit sich die stalinistischen KP mit der rechten Sozialdemokratie in der Frage der Durchsetzung der Organisationsmacht sich gleicher oder ähnlicher Begründungen bemühte. Ich habe ihm zugestimmt.

Der Berliner Ausschluss im Hamburger IG Druck und Papier Vorstand 1973

Auf der Hamburger Sitzung der IG Druck und Papier vom 16. Januar 1973 befasste sich der Vorstand mit dem Thema, um sein Vorgehen zu einer stattfinden Delegiertenversammlung am 25. Januar 1973 zu klären.

Es lagen zwei Schreiben zur Versammlung vor, die das Thema des Ausschluss von Mettke und Reisner zum Thema machten: Einmal von der Betriebsgruppe der IG Druck und Papier im Spiegel vom 22.12.1972 und des dju-Ortsverein Hamburg von 21.12.72. Die Linie des DruPa-Vorstandes: Die Mehrheit ist „sich darüber einig, daß man in ein schwebendes Verfahren nicht eingreifen kann, außerdem könne man die Mitglieder des Hauptausschusses nicht vorher schon an Beschlüsse binden, denn sie sollen unabhängig und neutral über die Sache binden. Kollege Otte wiederholt in seinen Ausführungen, daß es sich bei den Ausschlüssen nicht um satzungsmässige Ausschlußgründe handeln würde, sondern um politische Gründe.“ Weiter heißt es: „Kollege Wolf weist darauf hin, daß dieses Thema auf der Delegiertenversammlung hart diskutiert werden wird und bitte alle Vorstandsmitglieder, an dieser Versammlung teilzunehmen.“

Im Oktober 1973 befasste sich die dju-Bundeskonferenz mit dem Ausschluss-Thema von Mettke und Reisner.. Die dju-Konferenz unterstützte die damalige Spendensammlung und sah darin „augenfällig den Organisationszweck unserer Gewerkschaft“, nämlich die „Pflege der Kollegialität und Solidarität“ (Satzung der IG Druck und Papier,§ 4) bestätig. Mit seinem Vorgehen gegen Gewerkschafter, die praktisch Solidarität geübt haben, stellt der Hauptvorstand der IG Druck und Papier nun das Prinzip der Solidarität als Grundlage gewerkschaftlichen Handelns überhaupt in Frage.“

Mettke und Reisner wendeten sich nach dem Ausschluss durch den Hauptvorstand der IG Druck und Papier an ein weiteres Gremium, den Hauptausschuss, der den Ausschluss auch legitimierte. 1974 wendeten sich beide an den Beschwerdeausschuss der IG Druck und Papier. Der berichtete auf dem Hamburger Gewerkschaftstag (1974). QHier wurde das bisherige Verfahren inhaltlich noch getoppt, da ihnen durch die Kommission vorgeworfen, ihre Rechte als Mitglieder, alle Möglichkeiten der Satzung zur Klärung auszuschöpfen, als „Uneinsichtigkeit“ ausgelegt wurde. Ein elendes und dreckiges Verhalten.

„Die Kommission war der Auffassung, daß einzig die Vorgänge um die Officina-Pleite zu untersuchen seien. Alles andere wertete sie als Schilderung der Begleitumstände. So prüfte die Beschwerdekommission, ob satzungsgemäß verfahren worden ist, die Beschwerdeführer ausreichend gehört wurden und ob ein Verstoß gemäß Paragraf 11 Ziff. 1 Buchst. c der Satzung vorliegt. Sie fand kein Haar in der Suppe und prüfte dann weiter, ob die Gründe zum Ausschluß von Mettke und Reisner ausreichten. Dabei tauchte die Frage auf, wie schwerwiegend die Verstöße sind und welcher Schaden für die Organisation entsteht, wenn die Toleranzgrenze sehr weit gezogen oder gar ein Gnadenerweis vorgenommen würde. Die Beschwerdekommission stellte fest, daß die Beschwerdeführer ausreichend gehört wurden und im Laufe des über zweijährigen Verfahrens nicht zu der Einsicht kamen, daß ihr Verhalten im Widerspruch zur Satzung der IG Druck und Papier und zur dju-Geschäftsordnung steht. (Beifall) Dies kann auch im Interesse der erforderlichen Geschlossenheit der Organisation nicht verantwortet werden. Die Beschwerdeführer gaben durch ihre starre Haltung keiner Beschwerdeinstanz die Mög-lichkeit, anders zu entscheiden.“

Fritz Lamm, ein NS-Verfolgter und später Betriebsrat in der Stuttgarter Zeitung, spricht 1974 auf dem Gewerkschaftstag der IG Druck und Papier zum Ausschlussgrund bei den beiden. „Weil wir solche Spontaneität der Solidarität befürwortet haben, haben dann aus unserem Betrieb 35 Kollegen – drei davon sind hier anwesend – an den Hauptvorstand einen Brief geschrieben, in dem stand, wir bäten um unseren Ausschluß, weil wir uns im akuten Fall ähnlich verhalten hatten und weil wir uns in ähnlichen Fällen ähnlich verhalten würden. Dieses Schriftstück ist weder beantwortet noch in „druck und papier“ veröffentlicht worden. Wir stehen auch heute noch auf dem Standpunkt, daß eigentlich der Gewerkschaftstag die Spontaneität unter den Kollegen und damit auch den demokratischen Geist bei uns fördern sollte. Ich zitiere den Kollegen Paulus im 2. Korintherbrief 3: ‚Der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig.‘ (Lebhafter Beifall)“.

Die Debatte um den Journalisten Werner B. (SPIEGEL) und sein Ausschluss 1976

Ein Einschreiben an Werner B., einem SPIEGEL-Redakteur, vom Hamburger dju-Vorstandes vom 16. Februar 1975 landete nicht nur beim Empfänger, sondern auch beim Hamburger Verfassungsschutz. Mehrere zuständige Sachbearbeiter quittierten ihre Kenntnisnahme. Die Beamten des Verfassungsschutzes überprüfen vorsorglich alle Unterzeichner:in des Schreibens des Hamburger dju-Vorstandes an Werner B., ob es etwas über diese Personen bei ihnen gebe. Ordentlich werden die Namen abgehackt.

Im Schreiben ging es darum, dass B. vorgeworfen wurde, dass er sich auf der IG Druck und Papier-Demo vom 31. Januar 1975 „lauthals der Parole angeschlossen zu haben, ‚Mitbestimmung hat kein Zweck, das Kapital muss‘“ … „Wir sehen darin eine Mißachtung der Beschlüsse unser Mitglieder und damit unser Gewerkschaft. … für dieses gewerkschaftsschädigende Verhalten gibt es keinerlei Legitimation … nach unser Auffassung sind solche Parolen eine Verhöhnung aller Kolleginnen und Kollegen …“ Werner B. wird aufgefordert, sein Mandat als Delegierter des Ortsvereins Hamburg der IG Druck und Papier niederzulegen.

Am 25. Juni 1976 beschloss der IG Druck und Papier Ortsvereinsvorstand Hamburg den Ausschluss-Antrag von Werner B. Als Begründung wurde nicht auf das Schreiben vom 16. Februar 1975 Bezug genommen. Unter dem Tagesordnungspunkt 3 „Aktivitäten der Chaoten“ wird als Grund für den Antrag auf Ausschluss angeführt: „Während des Streiks sind entgegen ausdrücklicher Festlegungen der Bezirksmitgliederversammlung … Informationsblätter chaotischer Gruppen erschienen“. Deshalb wird gegen „die Herausgeber, Mitarbeiter und Verteiler dieser Infos“ der Ausschluss-Antrag gestellt. Im Schreiben an den Hauptvorstand heißt es, dass Werner B.“ wird seit langem dem Redaktionsteam des „Druckarbeiter“ und der Journalistengruppe „Solidaritat“ zugerechnet, ohne daß ihm diese Aitivitäten auch nachweisbar sind. Werner B. ist verschiedentlich als Verteiler des Druckarbeiters bzw. des Streik-Infos in Erscheinung setreten. Nachweislich durch Zeugenaussage ist die Verteilung des Streik-Info Nr.14 vor den Hause Axel Springer Hamburg.“

Der Hauptvorstand der IG Druck und Papier beschließt auf seiner Sitzung am 9./10. September 1976 den Ausschluss. Die Begründung ist: „Auf Grund der Mitarbeit im KB (Verteilung des Streikinfos Nr. 14).“

Werner B. war bereits im November 1975 vom SPIEGEL fristlos gekündigt worden. Der Betriebsrat hatte die Zustimmung zur Kündigung verweigert und die beantragte Ersetzung durch das Arbeitsgericht wurde von dem nicht gegeben. Werner B. musste weiterbeschäftigt werden. Er war nicht das einzige dju-Mitglied, dass wegen seiner Meinung ausgeschlossen wurde. Bereits 1974 war Ulla K. aus der STERN-Redaktion ausgeschlossen. Auch ihr wurde in einer sehr üblen Form durch den STERN-Chefredakteur Nannen„verhaltensbedingt“ damals gekündigt.

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