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Holger Artus

Aufruf zu einer Kundgebung zur Erinnerung an NS-Opfer vor dem Lagerhaus G

Für eine Kundgebung am 16. Januar 2024 vor dem Lagerhaus G am Dessauer Ufer im Hamburger Hafen habe ich einen Aufruf entworfen und mich um Unterstützer:innen bemüht.

Vorher hatte ich mit fast allen Beteiligten am Prozess für eine Gedenkort gesprochen, da ich mich nicht einer Kritik auszusetzen wollte, ich hätte ohne Sinn und Verstand gehandelt. Auf keinen Fall will oder wollte ich in irgendein Fahrwasser der aktuellen Akteure kommen. Es geht mir um einen autonomen Platz, mit Blick auf die NS-Opfer. Ich habe eine Meinung zum Prozess, aber es sind genügend Player auf dem Platz, so dass ein weiterer nur schadet (keine Rolle spielen kann). Vor allem haben sie sich so zum Standort an sich engagiert, dass man nur ehrfurchtsvoll darauf schauen muss.

Mein Vorgehen bleibt eine schmale Gradwanderung. Lange war ich nicht mehr so wütend auf einzelne Akteure wie um diesen Kleinst-Aktivität. Gefühlt war ich wieder bei einer Besprechung in der ver.di-Bundesverwaltung mit Verantwortlichen des damaligen Fachbereichs Medien, die mir sagen wollten, was ich zu denken und zu tun haben. Damals habe ich alle Projekte, an denen ich beteiligt war, liegen lassen. Alles fiel zusammen, sie selber waren nicht dazu in der Lage. Mit diesen Spinnern wollte ich mich nicht mehr befassen. Ein nicken, wenn man sich sieht, aber kein Wort mehr wechseln. Das ist über zehn Jahre her und ich habe mich daran gehalten. Hier ging es mir jetzt ähnlich.

Sollten 20 Personen zum 16. Januar 2024 kommen, wäre es für mich ein Erfolg wie es ambitioniert ist.

Der Anlass ist, dass am 25. April 2024 ein Stolperstein vor dem Lagerhaus G für Luigi Tugnoli verlegt werden soll, einem italienischen KZ-Häftling. Da im Lagerhaus G mehr als 3.500 KZ-Häftlinge leben mussten, muss man auch auf die anderen Toten aus den anderen Ländern schauen. Deshalb die Idee, im Januar 2024 etwas zu niederländischen Opfer zu machen. Im Februar und März 2024 sind Aktivitäten zu KZ-Häftlingen aus anderen Ländern geplant, im April 2024 die Stolperstein-Verlegung und noch eine weitere Aktivität in der zweiten Jahreshälfte. Ich sehe die Geschichten.

Hier der Aufruf-Text zum 16. Januar 2024:

Am 16. Januar 1945 wurden 106 niederländische Bürger aus dem Groninger-Gefängnis ins Konzentrationslager Neuengamme deportiert. Von ihnen überlebte keiner, 29 kamen im Lagerhaus G am Dessauer Ufer ums Leben.

In Hamburg möchten wir vor dem Lagerhaus G an die niederländischen KZ-Häftlinge am Dienstag, den 16. Januar 2024 um 17 Uhr, Dessauer Straße zusammen mit Angehörigen erinnern und Blumen niederlegen. 

Wir wissen bis heute nicht die genaue Anzahl der Opfer aus dem Lagerhaus G. Es gibt Listen zu einzelnen Nationen. Es schmerzt, dass es so viele Tausende NS-Opfer im KZ Neuengamme und seinen vielen Außenlagern gab, und dass so wenig über sie erzählt wird. Dank der dokumentierten Erinnerungen der Überlebenden gibt es heute ein Bild von den Lebensbedingungen im Lagerhaus G, der Arbeit, aber auch der Hoffnungen der Menschen. In den Niederlanden wird an die 106 Menschen erinnert. Es gibt ausführliche Biographien, Darstellungen der Lebensumstände und der historischen Zusammenhänge.

Mit unserer Einladung und Veranstaltung wollen wir einen Beitrag am Ort leisten, damit die KZ-Opfer nicht vergessen werden. Zeitgleich wird in Groningen/ Harlingen an 106 NS-Opfer erinnert werden.

Das Lagerhaus G war ab Juni 1944 ein Außenlager des KZs Neuengamme. Im Juli 1944 wurden rund 1.500 jüdische Frauen von Auschwitz ins Lagerhaus G verschleppt, um im Auftrag der SS u.a. im sogenannten Geilenberg-Programm für die deutsche Mineralölwirtschaft eingesetzt zu werden. Nach Auflösung des Frauen-KZ im Lagerhaus wurden an die 2.000 KZ-Häftlinge aus Neuengamme dorthin gebracht.Nach der Zerstörung von Teilen der Lagerhäuser Ende Oktober 1944 waren sie zunächst ins KZ Fuhlsbüttel verlegt worden. Im Februar 1945 wurden KZ-Häftlinge erneut im Lagerhaus G untergebracht. Von den 106 niederländischen Häftlingen aus Groningen verloren 29 dort ihr Leben. Im April 1945 wurden das KZ Neuengamme sowie das Außenlager Dessauer Ufer geräumt.

Die drei Lagerhäuser am Dessauer Ufer, F, G und H gehörten der HHLA (Hamburger Hafen- und Lagerhaus-Aktiengesellschaft)und wurden ursprünglich von Reemtsma als Tabaklager genutzt. Nach deren Verlagerung im Sommer 1943 wurden daraus ab September 1943 Zwangsarbeitslager für 6.000 italienische Militärinternierte (IMI). Viele Tausend andere wurden auf weitere Lager in Hamburg verteilt. Über 2.000 Menschen lebten im Lagerhaus F. 500 IMI mussten im Lagerhaus G leben und wurden über den GHB (Gesamthafenbetrieb) zur Arbeit in den Hafenbetrieben zur Arbeit gezwungen. 900 sowjetische Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen mussten im Lagerhaus H leben.

Wir würden uns freuen, wenn Sie und Ihr mit uns zusammen am historischen Ort vor dem Lagerhaus G am 16. Januar 2024 um 17 Uhr der NS-Opfer erinnern würdet.

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