Am Mittwoch, den 25. Oktober 2023 wird ein Stolperstein für Klara Pappe aus der Schäferkampsallee 22 um 10:30 Uhr verlegt. Die kleinen Messingsteine erinnern an die NS-Opfer von 1933 bis 1945. Sie finden Sie überall in unser Nachbarschaft, links und rechts vor den Häusern in der Schäferkampsallee, so vor der 18 oder 30 auf Ihrer Straßenseite, aber auch in jeder Straße in unser unmittelbaren Nachbarschaft.
Über die Familie Reich in der Schäferkampsallee 22
Quelle: Staatsarchiv Hamburg, 351-11_42872
Klara Jacob, die später Fritz Pappe heiratete, wurde am 8. Mai 1912 in Jaroslav/Polen geboren. Ihre Eltern waren Jacob (geb. am 9. September 1872) und Anna Reich (geb. 4. Oktober 1875). Die Familie lebte seit 1927 in der Schäferkampsallee 22. Klara hatte noch weitere Geschwister: Ida (geb. 15. September 1896), Amalia (geb.1900), Dina (geb. 28. August 1898 ) und Laura (geboren 17. Juli 1908).
Alle Kinder von Anna und Jacob waren im Jaroslaw aufgewachsen. Jacob war ein erfolgreicher Unternehmer. 1916 zog die Familie nach Wien, da das Gebiet damals noch zum Kaiserreich Österreich gehörte.
Mit dem Ende des 1. Weltkrieges lebten die Reichs in Hamburg. Zuerst im Alten Steinweg 16 (Hamburg-Neustadt), später erfolgte der Umzug in die Hasselbrookstraße 66. Jacob Reich gelang es auch in Hamburg erfolgreich Fuß zu fassen. Zum 31. Dezember 1923 übernahm er mit seinem Bruder Nathan (der in New York lebte) und seinem Schwiegersohn, Joseph Pohoryles, das Papier- großhandelsunternehmen, Friedrich Mertens GmbH. Zwei Häuser in der Schäferkampsallee 18 und 22 wurden gekauft. Der Firmensitz war im Erdgeschoss der Nummer 22. Die Reichs wohnten im 1. Stock. Das Haus gibt es nicht mehr, da es im Juli 1943 beim Bombardement der Alliierten zerstört wurde. Heute würde man es auf Höhe der zwischen der Berufs- genossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) und dem MVZ verordnet werden müssen.
Das Leben der jüdischen Menschen änderte sich grundlegend mit der Machtübernahme der Macht der NSDAP und ihren Verbündeten 1933 auch in Hamburg. Der Antisemitismus wurde von der Politik auf die Ebene des Staates erweitert und führte am Ende zum Massenmord an den jüdischen Menschen. Der 1. April 1933 wurde von den Nazis zum Tag des “Boykott der Juden” erklärt. Auch bei uns im Viertel wurden Unternehmen attackiert. Gegenüber der Christuskirche war die “Hansa-Apotheke” an der Ecke Fruchtallee/Vereinsstraße. Sie gehörte Paul Freundlich. Vor dem Geschäft, so erzählte mir seine Tochter vor einigen Monaten, Erika Estis, stand die SA und an den Fenster waren Losungen geschmiert, nicht bei Juden zu kaufen. Zwischen 1933 und 1941 emigrierten bis zu 12.000 jüdische Menschen aus Hamburg. Dazu gehörten auch die Kinder von Anna und Jacob. Sie flohen im Juli 1933 ins britische Mandatsgebiet Palästina. Es wurde in den ersten beiden Jahren der national- sozialistischen Herrschaft zum wichtigsten Zufluchtsland für Hamburger Juden.
Quelle: Staatsarchiv Hamburg, 351-11_42872
Die finanzielle und wirtschaftliche Lage der jüdischen Menschen verschlechterte sich unter dem NS-Regime wesentlich. Das musste auch das Unternehmen Friedrich Mertens erfahren. Ab 1936 hatte es keine Umsätze mehr im Kerngeschäft. Anna und Jacob Reich wollten ihren Kindern ins Heilige Land folgen und planten ab 1935 ihre Ausreise. 1937 konnten sie fliehen und täuschten die Nazis über ihre wahren Absichten. Sie gaben einen touristischen Grund für ihre Reise an und bezahlten eine Hin- und Rückreise.
Weitere NS-Opfer aus der Schäferkampsallee 22
Die erste Tochter von Anna und Jacob Reich, Ida (geboren 15. September 1896), war mit Joseph Pohoryles (geb. 11. März 1888) verheiratet. Das Ehepaar hatte zwei Kinder, Manfred (geb. 9. Oktober 1919) und Benjamin (geb. 29. August 1924). Joseph Pohoryles war zu 20 Prozent Gesellschafter an der Friedrich Mertens Handelsgesellschaft mbH beteiligt und neben Jacob Reich deren Geschäftsführer. Seit 1927 wohnten die Familie Reich (I. Stock) und Pohoryles(III. Stock) in der Schäferkampsallee 22.
Die Pohoryles gehörten zu den polnischen Jüdinnen und Juden, die am 28. Oktober 1938 mit der ersten Deportation an die damals polnische Grenze verschleppt wurden und nicht mehr nach Deutschland zurück durften. Aus Hamburg wurden fast 1.000 morgens aus ihren Wohnungen gerissen, in die Viktoria-Kaserne (in der Max Brauer Straße, Höhe des Sportplatzes) gebracht und von der Polizei zum Altonaer Bahnhof gebracht. Von dort ging es an die deutsch-polnische Grenzstadt, Neu Bentschen/Zbaszyn. Die meisten von ihnen überlebten nicht. Joseph, Ida und Benjamin Pohoryles wurden am 8. Mai 1945 für tot erklärt. Martin überlebte und konnte später nach Kanada emigrieren.
Jacob Reich und Joseph Pohoryles wird ihr Eigentum geraubt
Quelle: Staatsarchiv Hamburg, 314-15_R 1939/2523
Nach der Flucht der Reichs und der Deportation am 28. Oktober 1938 der Familie Pohoryles wurde ihr Eigentum vom NS-Staat geraubt. Die Häuser in der Schäferkampsallee 18 und 22 wurden 1938/1939 „arisiert“. Zwei Banken stellten den Antrag auf “Zwangsversteigerung”, die die Häuser erwarben und ihrerseits verkauften. Die Gebäude wurden im Juli 1943 während der Alliierten Operation “Gomorrha”zerstört. Das Unternehmen Friedrich Mertens wurde auf Antrag der Stadt Hamburg aus dem Handelsregister ausgetragen.
Aktuell sind alle Blicke auf die furchtbaren Taten der Hamas gegenüber den israelitischen Bürger:innen und deren Bombardements auf israelische Orte gerichtet. Die Hamas ist eine islamistische Terrororganisation. Sie ist verantwortlich für die jetzt entstandene Lage. Sie vertreten nicht die Interessen der Palästinenser:innen. Die Verbrechen der Hamas, die Massaker an Hunderten von Menschen, das Verschleppen von Zivilist:innen, führen zu einer katastrophalen Eskalation, die eine Friedensperspektive für die Region in Gänze verbaut. Jeder Tag, an dem dieser Krieg weitergeht, ist ein Tag zu viel, jedes zivile Opfer ein Opfer zu viel. Meine Solidarität gilt den Opfern, ihren Angehörigen und Freunden. Wer heute das Existenzrecht Israels negiert und den Staat beseitigen will, muss man in meinen Augen als einen Antisemiten ansehen.