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Holger Artus

Deportiert am 19. Juli 1942: Abraham Kron, Margaretenstraße 44

Die letzte Nachbarschaftsinfo, die ich im Vorfeld der Kundgebung am 19. Juli 2023 bei uns in der Nachbarschaft verteilt habe. Die Auflagen sind sehr klein, in diesem Fall 40 Exemplare.

In der Addition sind es 600 Exemplare für die Briefkasten-Verteilung zu dieser Kundgebung geworden. Der Anspruch ist, die Menschen direkt(er) anzusprechen. Wen es nicht interessiert, der schmeißt es gleich in den Müll. Da das Info namentlich gekennzeichnet ist, so meine Hoffnung, ist die Lese-Reichweite höher ;-). Aus Erzählungen weiß ich, das man auch schon mal durch die Agathenstraße geht, um zu gucken. Der Text wird verteilt, kommt auf die Web-Seite www.sternschanze1942.de und zur Web-Seite mit den Tafel-Namen verlinkt. Am Ende kommt der Text später noch auf meinen Blog.

Liebe Nachbarn, Mein Thema, das ich Ihnen gerne vermitteln möchte, ist lange her und betrifft einen Nachbarn, der bei Ihnen in den 1930/1940er Jahren wohnte, Albert Kron. Er wurde am 18. Juli 1942 vermutlich von der Gestapo abgeholt, zur Schule Schanzenstraße am Sternschanzen Bahnhof gebracht und nach Theresienstadt/Terezin bei Prag verschleppt. Die Nazis hatten aus der tschechischen Garnisonsstadt ein Getto angeblich für ältere jüdische Menschen gemacht, die hier „verrecken“ sollten. Man wollte Deutschland „judenfrei“ machen. Seit 1941 wurden sie aus Deutschland in die besetzten Länder Polen und Belorussland verschleppt. Hier wurden sie tausendfach erschossen bzw. vergast oder in KZs wie Auschwitz deportiert. Das Getto in Theresienstadt sollte etwas „menschlicher“ erscheinen, doch die Lebensverhältnisse waren furchtbar, an denen die Menschen, jung und alt, starben. 10 Prozent der Bewohner:innen überlebten.

Bei Durchsicht der Deportationsliste vom 19. Juli 1942 habe ich den Namen von Albert Kron  gefunden. Am 15. und 19. Juli 1942 wurden über 1.700 jüdische Menschen von Hamburg nach Theresienstadt/Terezin deportiert. Mehr als 1.500 mussten sich an beiden Tagen in der Sammelstelle der Schule Schanzenstraße einfinden. Von hier wurden sie von Polizeitransportern zum Hannoverschen Bahnhof gebracht, der Zug brachte sie in die CSR.

Quelle: https://www.statistik-des-holocaust.de/list_ger.html

Albert Kron (fälschlicherweise mit “h” in der Deportationsliste geschrieben)  war einer der wenigen, die nicht über ein so genannten Judenhaus, einer Massenunterkunft, zur Sammelstellen gebracht  wurde, sondern noch privat wohnte. Der Hintergrund ist mir nicht bekannt. Ich habe für den 19. Juli 1942 noch Ida Schwarz aus dem Weidenstieg 10 und Henriette Völker aus der Bartelsstraße 49 aus unserem Viertel gefunden, die von ihrer Miet-Wohnung zur Schule Schanzenstraße getrieben wurden.  Wenn Sie von Weidenallee auf die Agathenstraße schauen („Wittenball“), war in der Nummer 3 eines dieser “Judenhäuser”. In den 12 Wohnungen lebten über 70 Menschen, die hier auf Anweisung der Gestapo gezwungen waren, zu leben. Von hier wurden sie am 15. Juli 1942 zur Schule Schanzenstraße gebracht. Weitere diese „Judenhäuser“ bei uns im Viertel waren im Kleinen Schäferkamp 32 und in der Schäferkampsallee 25,27 und 29. 

Wer war Albert Abraham Kron?

Albert Abraham Kron war am 6. Dezember 1866 in Wolfshagen bei Kassel geboren. Verheiratet war er mit Friederike Rieks. Das Paar hatte zwei Kinder: Sophie (geb. am 15. Oktober 1898) und Frieda (geb. am 22. Februar 1906). Beide waren in Hamburg geboren. Die Familie lebte zuerst im Bullenhuser Damm 42 und 23. 1906 zogen sie die in Grossmannstraße 4 in Hamburg- Rothenburgsort (bis 1933). Albert war damals als Bierfahrer/-kutscher tätig. Für uns klingt es heute merkwürdig, aber er hatte erst seit 1901 die Hamburger Staatsbürgerschaft erhalten und dafür aus der preußischen „entlassen“ worden. 1897 war er aus der jüdischen Gemeinde aus- und in die evangelisch-lutherische Kirche eingetreten und ließ sich auf den Namen “Albert Abraham” taufen.

Quelle: https://www.holocaust.cz

Seit 1935 lebte er in der Margarethenstraße 44, im 1.Stock. Er war Untermieter bei Mathilde Göppel: “Er hatte ein Zimmer, das zu meiner Etage gehörte. Er hatte eigene Möbel. Sein Schwiegersohn war Tischler gewesen und hatte ihm ein schönes Zimmer angefertigt … Die Sachen waren sehr gut und in der Pflege gut erhalten”, erinnerte sie sich später. Seine Kinder hatten sich eine eigene Familie aufgebaut, Sophie lebte in Hamburg, Frieda war nach Leipzig gezogen. Albert hatte noch drei kleine Hypotheke (zwischen 5.000 bis 6.000 RM), so dass die Zinsen daraus seine Lage etwas verbesserten. Die Miete für das Zimmer muss bei 30 RM gelegen haben. Den Deportationsbefehl zum 19. Juli 1942 bekam er in die Margarethenstraße 44.  Seinen Haushalt musste er aufgeben. “Die Kleidung hatte er allerdings mitgenommen, ebenso auch Bettwäsche und Federbetten”, erinnerte sich Frau Göppel 1952. Am 18. Juli 1942 wurde er von der Gestapo abgeholt und zur Schule Schanzenstraße begleitet. Hier wurde ihm sein restliches Eigentum abgenommen.  Sein Schwiegersohn, Hans Rogalski, erfuhr über seine Tochter, dass Albert Kron zur Schule Schanzenstraße gebracht wurde und fuhr zu ihm. “Mit Tränen in den Augen erzählte er, dass man ihm auch sein Geld” abgenommen hatte. Sein Haushalt wurden von einem Speditionsunternehmen abgeholt und im Eppendorfer Weg versteigert. Albert Kron starb am 2. Oktober 1942 in Theresienstadt/Terezin.

Was will ich von Ihnen?

Seit einigen Jahren ruft die Initiative “Kein Vergessen im Weiden” dazu auf, mit einer Kundgebung an das Geschehen vom 15. und 19. Juli 192  zu erinnern. Dieses Jahr findet diese Kundgebung am

Mittwoch, den 19. Juli 2023 um 17 Uhr vor dem Haupteingang der Ganztagsgrundschule Sternschanze auf Höhe der Altonaer Straße 38

statt. Hier befinden sich alle Namen der damals Deportierten über die Schule auf mehreren Tafeln. Vielleicht haben Sie Interesse und kommen vorbei? Ich würde mich freuen und danke für Ihr Interesse. 

Mehr über die Hintergründe, die Deportierten erfahren Sie auch über die Web-Seite https://www.sternschanze1942.de 

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