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Holger Artus

Einladung der Nachbarschaft in der eigenen Straße zu Erinnerungsaktivitäten an die Juli-Deportationen von 1942

Drei Nachbarn aus unser Wohnstraße haben eine gemeinsame Info abgestimmt, die auf die Aktivitäten zur Erinnerung an die Deportation von 1.500 jüdischer Menschen über die Schule Schanzenstraße vom Juli 1942 hinweisen soll:

Der Stadtteilrundgang am 28. Juni 2023, die Veranstaltung in der Ganztagsgrundschule Sternschanze und die Kundgebung am 19. Juli 2023 vor der Namenstafel der Juli-Deportierten. Da Peter Hess von den Hamburger Stolpersteinen an der Agathenstraße 3 einen Zettel gehängt, ob sich Paten:innen für einen Stolperstein für Lea Goldmann finden, haben wir diese Frage an alle in unserer Straße weitergeleitet:

Liebe Nachbarn, seit einigen Jahren beteiligen wir uns an der Organisation zur Erinnerung an die Deportationen von über 1.500 jüdischen Menschen über die Schule Schanzenstraße am 15. und 19. Juli 1942. Seit vergangenem Jahr finden Sie alle Namen der Personen, die aus Hamburg nach Theresienstadt/Terezin in der Nähe von Prag verschleppt wurden, am Haupteingang der Ganztagsgrundschule Sternschanze auf Höhe der Altonaer Straße 38.

Kundgebung am 19. Juli 2023

Dieses Jahr findet die Kundgebung am 19. Juli 2023 an der Namenstafel der Juli-Deportierten von 1942 um 17 Uhr statt. Sprechen werden Stefan Hensel, der Antisemitismusbeauftragte der Stadt Hamburg, und Marlies Poss. Ihre Großtante, Berthie Philipp, wurde am 15. Juli 1942 über die Schule deportiert. Sie überlebte. Ihrer Haltung ist es mit zu verdanken, dass es so viele Informationen über diese Tage im Juli 1942 bei uns im Viertel gibt. Marlies Schmidt, die Urenkelin von Henny Karp, die auch am 15. Juli 1942 verschleppt wurde, ergreift neben Olaf Wunder, Reporter der Hamburger Morgenpost, ebenfalls das Wort. Er hat eine besondere Beziehung zu einem der Deportierten. Bei der Recherche zum 19. Juli 1942 wurden zwei Überlebende aus unseren Straßenzügen gefunden. Ida Schwarz lebte im Weidenstieg 10, Henriette Völker in der Bartelsstraße 49. Beide wohnten zum Zeitpunkt der Deportation noch in ihren eigenen Wohnungen. Die meisten anderen kamen aus den so genannten Judenhäusern wie aus der Agathenstraße 3, dem Kleinen Schäferkamp 32 oder den Schäferkampsallee 25/27 und 29. Das waren Massenunterkünfte zur Organisierung der Deportation.  

Veranstaltung am 29. Juni 2023 in der Aula der Ganztagsgrundschule Sternschanze

In der Aula der Schule findet eine Veranstaltung zu den verfolgten und deportierten Lehrer:innen in der NS-Zeit aus den Schulen um den Sternschanzen-Bahnhof, zwei verfolgten Schülerinnen der Schule Sternschanze und deportierten Lehrer:innen am 15. und 19. Juli 1942 statt. Sprechen werden u.a. Ruben Herzberg, ehemaliger Schulleiter des Gymnasiums Klosterwall und ehemaliger Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Hamburg. Für die Schulbehörde wird Lars Holster sprechen. Wir organisieren die Veranstaltung zusammen mit der GEW Hamburg. Günter Westphal wird zu Recha Lübke sprechen, einer Lehrerin aus dem Münzviertel, die zum Schluss im Kleinen Schäferkamp 32 leben musste und nach der vielleicht bald eine Straße in Hamburg benannt wird. Sie wurde am 19. Juli 1942 verschleppt.

Stadtteilrundgang am 28. Juni 2023 zum Widerstand gegen das NS-Regime 

Wir laden mit Abgeordneten der  SPD, Grünen und Linken aus Eimsbüttel und Altona zu einem Stadtteilrundgang am Mittwoch, den 28. Juni 2023, ein. Wir treffen uns um 17 Uhr vor der Schanzenstraße 41, wo einst der Friedensnobelpreisträger, Carl von Ossietzky, ein Büro hatte. Wir wollen zu insgesamt acht Orten gehen, wo es Erzählungen über Menschen gibt, die auf individuelle Weise oder organisiert im Viertel Widerstandsarbeit in der NS-Zeit geleistet haben. Es wird um eine Schülerin der Schule Schanzenstraße gehen, deren Familie einen Zwangsarbeiter 1944 bei sich leben ließ. Er wurde ermordet, sie wurde zu einer Zuchthausstrafe verurteilt. Ein Hundefrisör, der sich abfällig über Adolf Hitler geäußert und sich gegen den Krieg ausgesprochen hatte, wurde durch den NS-Volksgerichtshof zum Tode verurteilt. Es soll an zwei Beispielen von Nachbarn erzählt werden, wie die SPD und KPD hier illegal gewirkt haben. Es wird um die Haltung der jüdischen Gemeinschaft bei uns im Viertel in der NS-Zeit gehen, nicht aufzugeben und sich zu behaupten. Einer der Lehrlinge der jüdischen Werkschule in der Weidenallee 10bc, einer Ausbildungswerkstatt für Schlosser und Tischler, ist gerade 100 Jahre alt geworden. Aus einem aktuellen Gespräch werden wir aus dem Leben in dieser Schule und dem Zusammenhalt einiges vermitteln.

Lea Goldmann aus der Agathenstraße 3

Wir möchten Sie für eine Idee gewinnen: In Hamburg erinnern Stolpersteine an ermordete NS-Opfer. Sie finden sie bei uns in der Straße, aber auch an allen anliegenden Straßen. Es sind stille und auch emotionale Erinnerungen an Menschen aus einer Zeit, die wir nicht erlebt haben und für die wir auch keine Schuld tragen. Sie liegen vor den Häusern, in denen sie einst gewohnt hatten. Vor der Agathen- straße 3 finden Sie viele Steine. Es war einst das Nanny Jonas-Stift, in dem die jüdischen Menschen mietfrei leben konnten. Lediglich im Erdgeschoss waren zwei Läden, für die Miete gezahlt werden musste. Für uns heute nicht vorstellbar. Für die damaligen Stifter:innen war es ein soziales Anliegen. Aus dem Wohnstift wurde in der NS-Zeit später eine Massenunterkunft für jüdische Menschen auf dem Weg zur Deportation. Lea Grundmann wohnte hier seit 1902. Sie wurde am 18. Oktober 1851 in Hamburg geboren und lebte bis 1942 in der Agathenstraße 3 im III. Stock. Sie musste von hier in den Laufgraben 37 (hinter dem Schröderstift) ziehen. Von hier ging es weiter in die Beneckestraße 6 (heute Uni-Gelände im Grindelviertel).  Am 25. Juni 1943 wurde sie von dort nach Theresienstadt/Terezin verschleppt, wo sie am 19. Januar 1944 starb.  Für sie gibt es noch keinen Stolperstein. Die gibt es nur, weil Menschen heute Patenschaften übernehmen. Die Herstellung und die Verlegung  kosten 120 €. Könnten Sie sich vorstellen, auch Pate oder Patin zu werden oder eine Patenschaft zu verschenken? Jeder Stein mehr ist ein Stein gegen das Vergessen. Auf der Web-Seite www.stolpersteine-hamburg.de gibt es nähere Infos. Wir würden uns freuen, wenn Sie diese Frage überprüfen würden.

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