Die verteilte Info zu Paul und Ellen Glück in einigen Briefkästen der Margaretenstraße hatte eine Auflage von 80 Exemplaren. Sie sind Infos einer ganzen Serie einer wohl eher Mikroverteilung. Alle drehen sich um die Aktivitäten zum Jahrestag der Deportationen vom 15. und 19. Juli 1942.
Es geht um Verschleppte, die hier lebten, ob gezwungen, in so genannten Judenhäusern oder davor in der Nachbarschaft wohnten. Die Auflage der Mikro-Verteilung wird irgendwas zwischen 700 bis 1.000 Exemplare liegen. Zu Peter Glück gibt es einen Stolperstein-Text von Susanne Lohmeyer. Ich keine neuen Infos zu ihm. Einmal habe ich meine aufgeschriebene Erzählung die Tage bereits in einer anderen Info in den Häusern um die Weidenallee 10 über Peter Glück verteilt und jetzt noch einmal um die Margaetenstraße 34 (gibt es nicht mehr, heute 38).
Liebe Nachbarn, die Margaretenstraße 34 gibt es nicht mehr. Die heutigen Hausnummern decken sich nicht mit denen, als Erna, Ellen und Peter Glück in den 1930er Jahren in Ihrer Straße wohnten. Da es die Nummer 19 noch gibt, lässt sich die 34 ihr gegenüber verorten, wie ein Bebauungsplan von 1956 zeigt. Sie lag in der Mitte zwischen Vereinsstraße und Lindenallee.
Was ist das Besondere an der Familie Glück?
Ellen und Peter Glück gehörten zu den beiden jungen jüdischen Menschen, die am 19. Juli 1942 über die Schule Schanzenstraße am 19. Juli 1942 nach Theresienstadt/Terezin deportiert wurden. Deutschland sollte nach Auffassung der Nazis “judenfrei” werden. Deshalb hatte man sich zu Beginn der 1940er Jahre dafür entschieden, sie aus Deutschland zu vertreiben – und zu vernichten. Ihre Mutter, Erna, wurde noch im Februar 1945 nach Theresienstadt verschleppt. Da sie seit 1931 mit einem nichtjüdischen Mann, Ernst Bogisch, verheiratet war, wurde sie 1942 als Jüdin aber noch nicht deportiert. Ihrem Mann wurde 1944 die Arbeit gekündigt, er wurde als Zwangsarbeiter in Hamburg zur Arbeit eingesetzt. Während Ellen und Peter ermordet wurden, erlebte Erna die Befreiung Theresienstadt/Terezin und kehrte nach Hamburg zu ihrem Partner zurück.
Wer waren Ellen und Peter Glück?
Ellen Glück wurde am 19. April 1924, Peter am 14. November 1925 in Hamburg geboren. Ihre Mutter, Erna Littmann, hatte beide in die Ehe mit Fritz Bogisch gebracht. Beide hatten am 25. Juli 1931 geheiratet. Zu diesem Zeitpunkt wohnten sie in der Margarethenstraße 34, im Haus 2. Erna sprach später davon, dass er trotz der Ehe mit dem evangelischen Partner, jüdisch erzogen worden sei. Peter ging auf die Talmud Tora-Schule im Grindelviertel. Nach der achten Klasse verließ er sie und wollte eine Lehre beginnen. Da er er jüdischen Religionsgemeinschaft angehörte, wurde ihm aber eine Besuch in der Berufsschule verweigert.
Ellen begann eine Ausbildung als Krankenpflegerin im Jüdischen Altenheim in der Grünestraße 5, Altona und in der dortigen Einrichtung. Peter wohnte bei seinen Eltern. Sie mussten 1940 im Schopenstehl 1-3 umziehen. Eine Adoption der beiden Kinder durch Fritz Bogisch hatten die Behörden abgelehnt. Für die beiden Kinder sollte das später furchtbare Folgen haben, da sie nach den rassistischen Gesetzen „Volljuden“ waren und am 19. Juli 1942 deportiert wurden, während Erna durch die Ehe mit Fritz zeitweilig vor der Deportation schützte. Erna wurde am 24. Februar 1945 nach Theresienstadt/Terezin deportiert.
Nach dem Verbot des Besuchs einer Berufsschule arbeitete Peter als Zeitungszusteller, bevor er in der jüdischen Werkschule in der Weidenallee 10bc im 4. Stock eine Schlosserausbildung anfing. Das NS-Regime hatte die Ausbildung toleriert, da deren Ziel die Emigration der jüdischen Jugendlichen war. Noch ging es ihnen nicht um die Vernichtung aller europäischen Juden. Wie heute gab es auch noch den schulischen Teil der Ausbildung und dafür ging er wie die anderen Lehrlinge in die Israelitische Töchterschule in der Karolinenstraße.
Auf Empfehlung eines Freundes der Familie zog Peter in das Jüdischen Waisenheims in der Papenstraße (heute Martin Luther King-Platz), wo sich für einige Wochen im Mai/Juni 1942 noch die Israelitische Töchterschule war. Zum Zeitpunkt der Deportation lebte er in der Kielortallee 22 bei E. Cohn. Seine Schwester, Ellen, hatte nach ihrer Ausbildung als Krankenschwester im Israelitischen Krankenhaus in der Johnsallee 54 angefangen, wo sie auch lebte. Beide wurden am 19. Juli 1942 über die Sammelstelle in der Schule Schanzenstraße mit über 800 jüdischen Menschen von hier über den Hannoverschen Bahnhof (heute Hafencity) nach Theresienstadt/Terezin verschleppt.
Am 28. September 1944 wurde Peter von Theresienstadt/Terezin bei Prag nach Auschwitz verschleppt und ermordet. Ellen wurde am 6. Oktober 1944 nach Auschwitz deportiert und ermordet.
Erna Bogisch erlebte die Befreiung von Theresienstadt durch die Rote Armee am 8. Mai 1945. Im Juni 1945 kehrte sie nach Hamburg zurück. Sie und ihr Mann wussten zum Zeitpunkt nichts über das Schicksal ihrer Kinder. Sie wurden erst später für tot erklärt.
Was will ich von Ihnen?
Am 29. Juni 2023 findet um 17:30 Uhr in der Aula der Ganztagsgrund- schule Sternschanze (Altonaer Straße 38) eine Veranstaltung statt, die sich mit den Verfolgten und deportierten Lehrer:innen und Schüler:innen aus den Schulen in der NS-Zeit aus unserem Viertel befasst. Peter Glück ging zur Israelitischen Töchterschule in der Karolinenstraße 35, die 1942 für einige Wochen bis zur angeordneten Schließung am 30. Juni im Papendamm war. An ihn soll auf der Veranstaltung wie andere, die am 15. und 19. Juli 1942 verschleppt wurden, erinnert werden. Am 19. Juli 2023 findet an der Namenstafel der Deportierten um 17:00 Uhr eine Kundgebung statt.
Wir können das Geschehene nicht ändern und tragen als Nachgeborene keine Schuld, aber wir tragen m.E. Verantwortung, in angemessener Form damit umzugehen. Vielleicht sehen wir uns am 29. Juni 2023 auf der Weidenallee 10 oder am 19. Juli 2023 an der Altonaer Straße 38? Mehr erfahren Sie auf der Web-Seite www.sternschanze1942.de. Für Ihr Interesse möchte ich mich bedanken.