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Holger Artus

Hat es einen Sinn, in der Nachbarschaft über die NS-Geschichte am Beispiel zu informieren?

Über die fünfte Station eines geplante Stadtteilrundgangs am 28. Juni 2023 habe ich die um die Adresse wohnenden Mieter:innen informiert. Es geht um Emil Tiessat aus der Amandastraße 63. Er wurde für einen Anti-Hitler Äußerung denunziert und vom NS-Volksgerichtshof zum Tode verurteilt.

Der Zweck dieser Form der Verteilung in der unmittelbaren Nachbarschaft ist, dass sie vorab in Szene gesetzt ist (Ankündigung), prüft, ob sie dazu kommt (Beteiligung) und ich über die Station auf der Web-Seite informieren kann 😉 (Kommunikation). Was es bringt? Da ich das jetzt einige Jahr(zehnt)e mache, weiß, dass man einzelne erreicht, mehrere sich informieren und hier und da Menschen kommen. Mir geht es aber auch darum, dass es sichtbar gemacht wird und die Meinung eine Adresse hat. Hier das Info:

Liebe Nachbarn, am 28. Juni 2023 findet ein Stadtteilrundgang durch die Straßenzüge bei uns im Viertel statt, der sich mit dem Thema „Widerstand bei uns in der NS-Zeit“ befasst. Er soll sich mit Personen befassen, die im Viertel gewohnt und gegen das NS-Regime Widerstand geleistet haben. Wir starten vor der Schanzenstraße 41, wo einst das Büro von Carl von Ossietzky war, dem Friedensnobelpreisträger, der 1938 ermordet wurde. Der Rundgang führt weiter durch die Bartelsstraße, die Amandastraße, die Weidenallee und die Schäferstraße. Es soll ein Bild vermittelt werden, was die Menschen bewegte und was sie taten. Es soll um Solidarität, Selbstbehauptung, Ungehorsam, Ablehnung des Krieges und den politischen Widerstand gehen. Es soll um Solidarität, Selbstbehauptung, Ungehorsam, Ablehnung des Krieges und den politischen Widerstand gehen.

Anlass für den Stadtteilrundgang ist die Deportation von über 1.500 jüdischen Menschen am 15. und 19. Juli 1942 über die Schule Schanzenstraße nach Theresienstadt/Terezin, in der Nähe von Prag. Nur wenige überlebten. Am 19. Juli 2023 soll eine Kundgebung vor der Schule zur Erinnerung stattfinden. Der Rundgang soll aber auch ein Bild vermitteln, dass es Ablehnung und Gegenwehr gegen das NS-Regime gab.

Bei der Amandastraße 63 geht es Emil Tiessat, zu dem ich schon mal ein Info in Ihre Briefkasten gesteckt hatte. Er hatte  seine Meinung zu Hitler und dem sinnlosen Krieg gesagt. Dafür wurde er denunziert und vom NS-Volksgerichthof zu Tode verurteilt. Ein Stolperstein liegt für ihn vor der Amandastraße 41, neben Friedrich Stoltenberg, der politisch den Widerstand organisiert hatte. Die Amandastraße 63 war nach einem Bebauungsplan (von 1957) vor den beiden Hinterhäusern in der 61. Stoltenberg lebte wie Tiessat in der 63.  Die Häuser in der Amandastraße 63 bis 71 waren nach 1945 lt. dem Hamburger Adressbuch nicht mehr vorhanden. Es gibt im Web ein Luftbild auf das Schanzenviertel von der „Trolley Mission“ von 1945, wo man am linken Rand etwas über den Zustand der Zerstörung der Häuser in der Amandastraße sehen kann. Ich habe keine Nutzungsrechte, so dass ich nur auf das Bild verweisen kann. Die “Trolley Mission” war eine damals geheime Flugmission der US-amerikanischen Luftwaffe. Im Mai 1945 sind Luftaufnahmen erstellt worden, die deutsche Städte unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg sprichwörtlich zur „Stunde Null“ zeigen. Sie sind erschreckend, zeigen sie doch das Maß der Zerstörung in diesem Fall im Schanzenviertel und die Folgen des Krieges der Nazis gegen die Menschheit. 

Wir wollten Sie vorab informieren, so dass Sie im Zweifel wissen, warum sich in der Nähe Ihres Wohnhauses einige Menschen aufhalten. Natürlich sind sie willkommen. Geplant ist, dass wir uns gegen 18 Uhr an den Stolpersteinen vor der 41 einfinden. Mehr erfahren Sie auf der Web-Seite www.sternschanze1942.de

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