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Holger Artus

Zu einem Aspekt des Gedenkstätten-Konzept: Lagerhaus G am Dessauer Ufer

Die Hamburgische Bürgerschaft hat sich für eine Selbstbefassung zu einem neuen „Gedenkstätten-Konzept“ ausgesprochen. Jetzt liegt ein Papier vor, das über den Senat am Ende in die parlamentarische Diskussion eingebracht wird.

Es konzentriert sich auf Gedenkorte, die von der „Stiftung Gedenkstätten Hamburg und Lernorte“ verantwortet werden. Es geht von den heutigen Herausforderung in einer sich weiter verändernden Welt bzw. der Reflektionen auf aktuelle Veränderungen aus. Es geht auf die Rolle der Stadt in der Erinnerungskultur neben der „Stiftung Gedenkstätten“ ein und wirft auch inhaltlich perspektivische Fragen der Erinnerungsarbeit auf. Es ist ein sehr solides wie vorsichtiges Papier, dass den Konsens in der Aufgabenstellung sucht. Bei Abwägung alle mir bekannten Bedingungen ist es ein bemerkenswertes Papier.

Führt man sich vor Augen, dass in zwei zentralen Projekten die Stadt so tief ins Klo gegriffen hat, dass man es als scheitern des bisherigen Ansatzes der Partnerschaft mit Unternehmen ansehen muss, ist eine kritische Bewertung nötig. Der geplante Bau eines Doku-Zentrum zur Deportation zusammen mit Wintershall in einem Hausgemeinschaft war der Gau. „Die Wahl des Unternehmens, das Teil der Aufrüstungs- und Kriegsführungspolitik des NS-Regimes war, sich an der Ausplünderung okkupierter Staaten beteiligte und sich an der Arisierung bereicherte,“ wurde z.B. von der Liberalen Jüdischen Gemeinde kritisiert. Der zweite Gau was das Stadthaus als Sitz der Gestapo in der NS-Zeit. Ein Investor hielt sich einfach nicht an Verträge zur Schaffung eines Erinnerungsortes. Es gibt noch weitere Beispiele für diese gescheiterte Erinnerungsstrategie der Stadt in Partnerschaft mit Unternehmen bzw. von Verträgen.

Mit dem Thema eines Gedenkort „Lagerhaus G“, den es noch nicht gibt, äußert sich das Papier auch. Dazu habe ich mich mit anderen im Vorfeld eine Positionierung eingebracht. Mir geht es um eine Neubewertung der Fakten und den darauf beruhenden politischen Einschätzungen sowie eine Neuformulierung in dem Papier. Zentral ist, dass die Stiftung Lagerhaus G aus Angehörigen der NS-Opfer aus dem Außenlager des KZ Neuengamme besteht. Sie mit Wintershall oder Immobilienunternehmen gleich zu setzen ist völlig daneben. Hier das leicht überarbeitete Schreiben (wegen der Lesbarkeit). Wie sollte es anders sein, gibt es darüber Streit. Meine Position ist eine klare Minderheiten-Meinung, was für mich nichts Neues ist. Billigkeit in unseren Kreisen begleitet mich mein Leben. Heute gehe ich entspannter damit um.

Wir schätzen die Arbeit der Stiftung Gedenkstätten und wissen um den großen Nutzen, damit das Geschehen in der NS-Zeit nicht vergessen und der Transport in die Gegenwart so aufbereitet wird, dass Menschen heute und morgen um ihre Verantwortung wissen. Dabei spielt die KZ Gedenkstätte Neuengamme die zentrale Rolle. Inhaltlich wird im Papier zur Rolle, Bedeutung, aber auch zum Potenzial für die Vermittlung der NS-Geschichte sehr präzise argumentiert.

Wir wollen uns zu einem Punkt äußern, mit dem Ziel, dass der Abschnitt zum Lagerhaus G, einem der 15 in Hamburg direkt befindlichen Außenlager des KZ Neuengamme, im Konzept noch einmal überprüft wird. Durch seinen historischen Zustand ist der Ort für die Erinnerungsarbeit und Wissensvermittlung bzw. als Lernort emotional bedeutend. Es gibt mit der Schule am Bullenhuser Damm und der Spaldingsstraße nur wenige erhaltene Gebäude, die das furchtbare Geschehen in einem KZ Außenlager in die Gegenwart transportieren bzw. könnten.

Das Lagerhaus G gehört der Heritage Foundation KG. Die Stiftung LAGERHAUS G Heritage FOUNDATION hat nach eigenen Angaben “gemäß ihrer Satzung und gemäß der internen Struktur sämtliche Rechte daran, diesen Ort einer würdigen Nutzung und Entwicklung für die Zukunft zuzuführen, diese zu leiten und mitzugestalten.” Sie ist nach eigenen Angaben auch Gesellschafterin in der KG. Das Ziel ist nach eigener Erzählung die Errichtung eines Denkmals im LAGERHAUS G in Hamburg zum Gedenken an die Gefangenen und Opfer, die Erzählung der Geschichte des LAGERHAUS G durch Veröffentlichungen, Treffen und (soziale) Medien, die Pflege von Partnerschaften mit Institutionen und Unternehmen aus den Bereichen Kulturgeschichte, Kunst, Medien, Bildung und Wissenschaft, die Unterstützung einer nachhaltigen und zukunftsgerichteten Nutzung des LAGERHAUS G unter Berücksichtigung seiner Geschichte und seines herausragenden Platzes in Hamburg-Grasbrook (Dessauer Ufer) u.a.m. Die Stiftung wurde nach deren Angaben „gegründet, um mit den Nachfahren, der hier an diesem Ort zu Tode gebrachten oder misshandelten Menschen zu gedenken und ihrer zu erinnern. Insbesondere sind die Nachfahren weltweit eingeladen, in einem demokratischen Prozess beispielsweise durch diese Stiftung für diesen Ort ein direktes Mitsprache- und Entscheidungsrecht auszuüben.”

Der formulierte Zweck und die Zielsetzung der Stiftung LAGERHAUS G deckt sich mit den an verschiedenen Stellen formulierten Essentials für einen Weiterentwicklung eines Gedenkstättenkonzepts, wenn man sich bei Weiterentwicklung an den Papieren von 2009 und 2013 orientiert.

Die Gesellschafter der Lagerhaus G haben bisher rund 1 Million Euro in Erhalt und Sicherung des Lagerhauses G gesteckt. Dennoch gibt es bis heute keinen Nutzungsvertrag mit der Gesellschaft und den Verantwortlichen der HPA oder Hafencity. Wir würden uns erhoffen, dass es bei inhaltlicher Übereinstimmung mit den Angehörigen von NS-Opfern, in der Empfehlung davon gesprochen wird, dass nach einem Beitrag gesucht werden sollte, wie diese Hürden aus dem Weg geräumt werden könnten. U.E. ist die Haltung, dass ein Eigentumsnachweis fehlt, ein Vorwand ist, der zu einer tragischen Belastung in der Erinnerungsarbeit und -orte geführt hat, die auch das zivilgesellschaftliche Engagement belastet. Das wieder auf die Füße zu stellen, kann ein weiterer Handlungsrahmen in den Empfehlungen sein.

Die Zeitzeugen sterben, und wie Perspektiven aussehen könnten, was es an Formaten und Möglichkeiten gibt, dazu wird im Konzept argumentiert. Dazu gehört die Pflege der Zusammenarbeit mit deren Angehörigen. Die Stiftung Lagerhaus G ist, auch wieder im Unterschied zu den Interessenlagen am Beispiel privaten Eigentümer von Immobilien, einer dieser Partnerschaften, die man entwickeln sollte. Die Fehler der Stadt Hamburg am Beispiel des Stadthauses oder des Neubaus eines Dokumentationszentrums ist u.E. nicht auf die Eigentümer des Lagerhaus G zu übertragen und wäre mehr als fragwürdig. Das wäre unser dritter Punkt bei den “Empfehlungen”.

Im Abschnitt “Prioritäten für eine gemeinsame Aufgabe von Gesellschaft und Staat” wird zu den notwendigen Kriterien für die Stiftung an Erinnerungsorte am Beispiel der “Public-Private Partnership-Konstellationen” geschrieben: “Die Beteiligung der SHGL, als Vertreterin öffentlicher Belange, an der Begutachtung von Projekten an historischen Stätten in Hamburg, die in engen Kontexten zum Nationalsozialismus stehen, ihre Einbeziehung bei den, für die Ausgestaltung von Gedenkorten, relevanten Verfahrensschritten (Vertragsverhandlungen, Liegenschafts- und Baufragen, Jurys) sowie die Beratung der Projekte in der Fachkommission und dem aus gesellschaftlichen Organisationen und den Verbänden von Angehörigen ehemals Verfolgter zusammengesetzten Beirat (Vorlage für die Sitzung des Stiftungsrats am 3. Juni 2022).”

Wir wünschen uns einen erinnerungspolitischen Neuanfang in der Debatte um den Erinnerungsort des Lagerhaus G, so dass er mit der Stiftung LAGERHAUS, Angehörigen, der Einbeziehung der zivilgesellschaftlichen Bewegungen unser Stadt, mit euch,  anderen Gruppen und Vereinen u.a.m., entwickelt werden kann. 

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