Zu Walter Drehmel habe ich zwei Texte geschrieben und in der Nachbarschaft verteilt. Einmal in der Gärtnerstraße 117 am 27. Januar 2023 anlässlich der Befreiung Auschwitz durch die Rote Armee 1945. Und einmal in der Rutschbahn 25a, wo er vor seiner Deportation am 10. März 1943 leben musste.
Werner Drehmel war ein jüdischer Nachbar, der in der NS-Zeit für kurze Zeit in Haus 2 in der Rutschbahn 25a wohnte, bevor er am 10. März 1943 nach Theresienstadt/Terezin in der CSR deportiert wurde. Dieses Datum, der 80. Jahrestag, ist für mich Anlass, Ihnen etwas über Walter Drehmel zu erzählen.
Gründe, etwas über Walter Drehmel zu erzählen
Es gibt für mich einige besondere Gründe, Ihnen etwas über Walter Drehmel zu erzählen. Er gehört zu den wenigen Kinder in Auschwitz, die den Tag der Befreiung, am 27. Januar 1945, erlebten. Nach seiner Rettung wurde er ins Getto nach Theresien- stadt gebracht und von dort weiter ins bayerische „Displaced Person“ in Deggendorf. Heute würde man von einer Geflüchteten- Unterkunft sprechen, damals war die Bezeichnung “DP-Camp”. Erst wollte er nach England fahren, dann verschlug es ihn aber in die USA. An der Boston University studierte er später Sozialpädagogik, leitete von 1962 bis 1968 das Stanford Center for Autistic Children und arbeitete dann bis zu seiner Pensionierung unter anderem als Familientherapeut. Im Rahmen einer Ausstellung in San Francisco zu Kindern, die den Holocaust überlebt hatten, besuchte „Vern“ Drehmel, wie er mittlerweile genannt wurde, als Zeitzeuge zahlreiche Schulen und erzählte von seinen Erlebnissen. Bis zu seinem Tod am 1. November 2008 lebte er zusammen mit seiner zweiten Frau Robin in San Mateo, Kalifornien. Beide hatten drei Kinder und drei Enkelkinder.
Einiges über das Leben von Walter Drehmer in Hamburg
Zum einen ist über ihn im Netz manches dokumentiert worden. Er war am 31. Januar 1929 in Hamburg geboren. Seine Eltern waren Reha Emanuel und Fritz Drehmen. Seit 1935 besucht er die Talmud Tora Oberrealschule am Grindelhof. Bis zur Schließung der jüdischen Schule im Mai 1942, die sich später in der Carolinenstraße 35 befand, besuchte er sie. Sie wurde zum 30. Juni 1942 von der Hamburger Schulbehörde geschlossen und der jüdischen Gemeinde ihr Schuleigentum geraubt.
Zuerst lebte die kleine Familie Drehmel 1929 in der Eimsbütteler Henriettenstraße 3, zog 1933 in die Eppendorfer Löwenstraße 14. Seit 1939 wohnten sie in der Gärtnerstraße 117, im Erdgeschoss. Das damalige Haus gehörte zu dem Zeitpunkt noch Helene Kaufmann, die aber gezwungen wurde, es an einen “Arier” zu verkaufen. Seit 1938 war die Stadt Hamburg dazu übergegangen, das Eigentum den jüdischen Besitzern zu rauben.
Seine Mutter, Renata, befand sich seit dem Tod ihres Mannes, Fritz, im April 1942, in einer extremen Lebenslage. Sie lebte fortan wegen ihrer seelischen Verfassheit bis zu ihrer Ermordung durch die Nazi 1944 in Krankenhäusern. Von der Gärtnerstraße 117 musste sie mit ihrem Sohn in Rutschbahn 25a ziehen. Fritz und Renata Drehmel lebten in einer “privilierte Mischehe”, da er nicht der jüdischen Konfession angehörte. Die Ehe schützte Renata vor der Deportation bis zu seinem Tod vor der Deportation. Sie trug keinen “Judenstern” und konnten noch “normal” zu Miete wohnen. Da Werner Drehmel aber zu einer jüdischen Schule gegangen war, gehörte er nach ihren rassistischen Vorstellungen und Weltbild zu denen, die man vernichten will. Am 10. März 1943 wurde er mit 51 anderen jüdischen Menschen nach Theresienstadt/Terezin deportiert. Am 12. März 1943 kamen sie dort an. Am 6. Oktober 1944 wurde er von dort nach Auschwitz transportiert.
Die Geschichte Ihrer Häuser und des Kinkel Salomon David Kalker-Stift werden Sie gut kennen. Alles was ich schreibe, wäre nicht angebracht. Im Hamburger Staatsarchiv habe ich mir die Zwangsein- weisungen von jüdischen Mieter:innen in der Rutschbahn 25a angesehen. Die zu Walter Drehmel habe ich nicht gefunden, aber der Grundprozess ist immer der gleiche: Die noch in Hamburg nach den Kategorien der Nazis lebenden Jüdinnen und Juden wurden ständig aus den Unterkünften in dieser Zeit vertrieben. So wollte man z.B. nicht mehr, dass sie in der Grindelallee 21 zur Straßenseite leben. Sie mussten ins Hinterhaus oder in andere Häuser umziehen. Mit Deportationen wurden Wohnungen frei oder Mieter:innen starben. Die Gestapo hatte alles im Blick und erstellte Listen, wer wo hinziehen musste. Diese Aufgabe oblag der „Reichsvereinigung der Juden“, der die verbliebenen Häuser nach den Massendeportationen bis 1942 gehörten. Die Häuser in der Rutschbahn 25a, der Bornstraße 22, der Grindelallee 21/23 und der Dillstraße 15 gehörten dazu.
Beispielhafte Dokumente zu den Zwangsumzügen jüdischer Mieter/innen:
Die „Reichsvereinigung“ bestellt die Betroffenen ein und sagt ihnen, wo sie ab wann zu wohnen haben. Angaben zur Person wurden aufgenommen, die zynischerweisr als „Bewerbungsantrag“ bezeichnet wurden. Das „alte“ Mietverhältnis wurde gekündigt, die Einweisung in das neue mitgeteilt und für das neue wurde ein neuer Mietvertrag mit übergeben. Zu drei ehemaligen Bewohner:innen der Rutschbahn 25a Haus 1 und 4 hier einige Dokumente
Salomon Engländer
Max Loszynski
Julius Asser
Quelle: Staatsarchiv Hamburg, 522-1_992 o Band 4