Ansichten

Holger Artus

Betr: Frieda Seifert, Griesstraße 71

Frieda Seifert gehörte zu den NS-Opfern in Hamburg und wurde wie viele andere Hamburgerinnen und Hamburger in das Getto Theresienstadt verschleppt. Sie lebte unter dieser Adresse in dem heute nicht mehr bestehenden Mietshaus. Während die meisten jüdischen Menschen in den Vernichtungslagern und Gettos ermordet worden, war sie eine der wenigen, die überlebte.

Frieda war am 11. November 1905 in Osnabrück geboren worden und hatte zwei Brüder, Fritz und Josef (geboren am 26. März 1908).  Seit 1922 wohnten sie in Hamburg. Ihr Vater Josef (geboren am 28. Dezember 1881) war Schneidermeister und hatte sein Geschäft zuerst in der Marienthaler Straße 138. Nach dem Tod seiner mir namentlich leider unbekannten Partnerin 1935 zog die Familie in die Griesstraße 71. Hier hatte er eine 4 ½-Zimmer im Erdgeschoss gemietet und im Ladengeschäft eine Schneiderei eingerichtet, in dem neben Frieda zwei weitere Gesellen arbeiteten. Sie übte diese Arbeit als so genannte Halbjüdin bis zu ihrer Verschleppung am 10. März 1943 unter sehr schwierigen Bedingungen aus.

Da Friedas Mutter jüdisch war, ihr Vater aber nicht, mussten die Geschwister nicht in einem so genannten Judenhaus leben. Ab 1941 war das NS-Regime dazu übergegangen, die jüdischen Menschen aus Hamburg zu verschleppten – nach Riga, Minsk oder Auschwitz – und dort zu ermorden. Bis 1945 waren es über 8.000 jüdische Menschen aus Hamburg. Seit 1939 war ihnen das Wohnrecht genommen. Der Vermieter konnte ihnen wegen “Jude” unmittelbar das Mietverhältnis kündigen, wenn eine anderweitige Unterbringung nachgewiesen werden konnte. Dazu waren diese “Judenhäuser” entstanden. Mit der Kündigung der Wohnung gab es auf dem gleichen Zettel die Einweisung in eines dieser Häuser, meisten ehemalige jüdische Stiftwohnungen bzw. Altenheime. Bis auf Frieda wohnte alle anderen 50 Menschen, die am 10. März deportiert worden waren, in einem „Judenhaus”.

Frieda musste ab September 1941 einen „Judenstern“ tragen, am Hauseingang im Flur war ein „J“ angebracht. Sie erinnert sich später daran: „In diesem Hause wohnten aber nur Nationalsozialisten, von denen ich stets belästigt wurde. Das war für uns ein besonders erschwerender Umstand. … Den Aufenthalt in meiner Wohnung habe ich als haftgleich empfunden. Ich wagte mich nicht aus der Wohnung heraus. Wenn ich im Treppenhaus mal etwas zu tun hatte, ging ich auf Strumpfsocken, um von niemandem gehört zu werden. Auch wagte ich nicht an die Tür zu gehen, wenn es klingelte. Ich war während dieser Zeit so mit den Nerven kaputt, dass man mir alles verheimlichte…. Während des Krieges durfte ich den Luftschutzkeller nicht aufsuchen und habe mich heimlich in unseren Kohlenkeller geschlichen. Ihr Vater schrieb: „Hart wurde sie von der Gestapo angefasst, nicht nur sie musste den Judenstern an der Kleidung tragen, sondern auch ich musste den Judenstern an der Tür anbringen. Sie musste sich möglichst versteckt halten, durfte sich im Hause nicht sehen lassen …. Hinzu kam, dass einer meiner Söhne zur Zwangsarbeit gezogen wurde.”

Am 10. März 1943 wurde sie telefonisch über ihre Deportation informiert und von der Gestapo abgeholt und Theresienstadt verschleppt. Das war ein so genanntes Altersgetto, um die Weltöffentlichkeit über die Mordpläne zu täuschen, die in den Vernichtungslagern wie z.B. Auschwitz oder Treblinka umgesetzt wurden. In der ehemaligen tschechischen Garnisonsstadt Theresienstadt herrschten unsägliche Bedingungen. Krankheiten führten zum Tod, wie Fleckentyphus, das durch Läuse übertragen wurde. Medikamente gab es keine. Die meisten Insassen wurde im Laufe des Jahres 1944 nach Minsk, Auschwitz und Treblinka gebracht und ermordet. 

Kommentare sind geschlossen.