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Holger Artus

Betr.: Regina und Anna Pohl, Schule Thedestraße 101, Esmarchstraße 45

Anlässlich des 80. Jahrestag der Deportation von über 330 Sinti und Roma am 11. März 1943 findet eine Kundgebung vor der Ganztagsgrundschule Sternschanze am 12. März 2023 statt, um daran zu erinnern. Im Vorfeld wurde zu einzelnen NS-Opfer eine Info in der heutigen Nachbarschaft der damals verschleppten Personen verteilt. Auch bei Regina Pohl bin ich vor Ort weiter im Gespräch.

Regina Pohl und wurde zusammen mit Anna Pohl am 11. März 1943 von Hamburg nach Auschwitz deportiert. Die beiden wohnten in der Altonaer Löhmühlenstraße/Esmarchstraße 45. Heute gibt es diesen Abschnitt den Straßenabschnitt nicht mehr. Jetzt befindet sich dort die Louise Schröder Schule.

Regina Pohl wurde am 26. Oktober 1929 in Mecklenburg geboren. Ihre Mutter war Selma Pohl (geb. 22. Dezember 1894) , die weiteren Geschwister von Regina waren Frieda (geb. 21. Februar 1932) sowie Horst (geb. 16. Februar 1934). Ab Frühjahr 1936 ging sie in die Schule Thedestraße 101. Vermutlich hatte sie damals noch die Bezeichnung “Schule Bürgerstraße”. Eine Lehrerin, Anna Glocke, erinnerte sich an ihren Schulbesuch. Bis zum Tag der Deportation am 11. März 1943 ging Regina Pohl in die Schule Thedestraße.

Anna Pohl, die mit ihr in der Esmarchstraße 45 lebte, wurde am 25. Februar 1888 geboren und hatte eine eigene Familie. Sie wurde ebenfalls am 11. März 1943 deportiert und im Oktober 1943 in Auschwitz ermordet. Ihre Tochter, Bertha, auch am 11. März 1943 verschleppt, wurde mit ihren beiden kleinen Kindern, Sylvia (geb .4. September 1941) und Manfred ( geb. 2. Oktober 1939) von der Polizei im Steindamm 146 in St.Georg abgeholt und in Auschwitz ermordet wurden.

Regina Pohl schrieb 1949, dass ihre Mutter, Selma, den Völkermord an den Sinti und Roma ebenfalls nicht überlebt hatte.

Als die Nazis begannen, das KZ Auschwitz vor der vorrückenden Roten Armee Schritt für Schritt zu räumen, wurde auch das so genannte Zigeuner-Lager aufgelöst. Regina wurde am 7. März 1945 erst ins KZ Ravensbrück gebracht, danach ins KZ Mauthausen. Von dort wurde sie am 17. März 1945 ins KZ Bergen-Belsen in Niedersachsen verlegt. Wenn man heute die Berichte Überlebender liest, war Bergen-Belsen die Hölle. Am 16. April 1945 wurden die KZ-Häftlingen von der britischen Armee befreit, so auch Regina Pohl.


Weitere Sinti und Roma aus der Esmarchstraße 45 deportiert

Am 11. März 1943 wurde Hugo Bamberger (geb. 2. Januar 1935)  von der Polizei zum Hannoverschen Bahnhof (heute Hafencity, hinter dem Spiegel-Gebäude) gebracht. Genau wie Emma Rossbach (geb. 11.10.1912) und ihre Kinder Ernst (geb. 22.1.1941) sowie Bertold (geb. 18.1.1943) aus der Esmarchstraße 45.

Nach 1945

Der Terror fand mit der Befreiung 1945 ein Ende, das Verhalten der Stadt gegenüber den Roma und Sinti als Verfolgte änderte sich aber nicht. Ihnen wurden grundlegende Rechte vorenthalten, sie wurden weiter ausgegrenzt und verfolgt. Dazu gehörte ihre jahrzehntelange polizeiliche Erfassung. Ärzte, die die Zwangssterilisationen an den Sinti*zze und Rom*njas vornahmen wurden in den 1950er Jahren „rehabilitiert“. Entschädigungszahlungen der Stadt wurde ihnen immer wieder verweigert und zogen sich Zahlungen zogen sich bis in und 21. Jahrhundert hin.

Hintergrund:

Die Pohls gehörten zur Volksgruppe der Sinti und Roma, die durch das NS-Regime verfolgt und zehntausendfach ermordet wurden. Ab 1933 begann die Diskriminierung und Ausgrenzung von “zigeunerischer Personen” auf staatlicher Ebene, gepaart mit rassistischer und völkischer Ideologie. 1935 wurden Sinti und Roma in den Nürnberger “Rassegesetzen” den jüdischen Menschen gleichgestellt. “Zu den artfremden Rassen gehören alle anderen Rassen, das sind in Europa außer den Juden regelmäßig nur die Zigeuner”, erklärte der damalige deutsche NS-Innenminister, Wilhelm Frick. Man sprach von einer „deutschen Wesensart“, die den Sinti und Roma fremd sei. Man bezeichnete sie als „asozial“ und „arbeitsscheu“.

Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs durften Sinti und Roma ab Mitte Oktober 1939 ihre Wohnorte nicht mehr verlassen. Ende 1939 plante die Stadt, alle in Hamburg lebenden Roma und Sinti in einem Lager in Billstedt-Öjendorf zu internieren: „Das Lager darf nur zur Arbeit verlassen werden,“ stand in der Lagerordnung. Die Pläne wurden fallen gelassen, da man sich für die Deportation und Vernichtung der Sinti und Roma entschieden hatte. Am 20. Mai 1940 wurden über 1.000 Roma und Sinti aus Hamburg ins polnische Belzec transportiert. Am 11. März 1943 wurden über 330 deportiert. Die letzte Deportation war am 18. April 1944, beide nach Auschwitz. Bis zu 500.000 Roma und Sinti wurden während der NS-Zeit ermordet.

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