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Holger Artus

Betr.: Berta, Sylvia und Manfred Pohl, Steindamm 146

Anlässlich der Deportation von Sinti und Roma am 11. März 1943 von Hamburg nach Auschwitz habe ich einige Informationen zu einigen deportierten Personen an den heutigen Adressen verteilt. Die Absicht ist bei allen Briefkasten-Verteilungen die gleiche: Die heutigen Mieter:innen auf diesen Fakt der Verfolgung in ihrer Nachbarschaft hinzuweisen.

Zu der Familie von Berta Pohl aus dem Steindamm habe ich nur leider nur wenig Fakten gefunden, sprich wann sie geboren und ermordet wurden. Ursprünglich wollte ich die Familie Betra Pohl in dem der Info zu Elisabeth Korpatsch mitnehmen, da die Häuser-Zeilen direkt hinter einander, da ich eben zu wenig hatte. Da ich im Laufe der Recherche noch über ihre Mutter Anna und Geschwister in der Altoaner Lohmühlenstraße gestolpert war, traf ich die Entscheidung ein eigenes zum Steindamm 146 zu verteilen.

Die Nummer 146 des Steindamm gibt es heute nicht mehr. Über drei Personen, die 1943 in den Hinterhäusern wohnten, möchte ich Ihnen etwas erzählen. Ihre heutigen Wohnhäuser stehen auf der damaligen Fläche. Die Pohls gehörten zur Volksgruppe der Sinti und Roma, die durch das NS-Regime verfolgt und zehntausendfach ermordet wurden.

Im Steindamm 146 wohnten 1943 Berta Pohl (geb. 12. Januar 1920) zusammen mit ihrem Partner, Ernst Brunk und ihren beiden kleinen Kindern Sylvia (geb. 4. September 1941)  und Manfred ( geb. 2. Oktober 1939) im Haus 12, im Hinterhof. Sie wurden am 11. März 1943 nach Auschwitz deportiert. Die beiden Kinder wurden am 5. und 14. April 1943 ermordet. Der Tag der Ermordung von Berta Pohl wurde in den Unterlagen zwischen Januar und März 1944 angegebenen.

Am 11. März 1943 wurde auch die Mutter von Berta, Anna Pohl (geb. 25. Februar 1888) und ihre Tante, Regina (geb. 26. Oktober 1929) nach Auschwitz verschleppt. Sie lebten zum Zeitpunkt in der Altonaer Lohmühlenstraße, heute Esmarchstraße. Regina gehörte zu den Überlebenden, ihre Mutter wurde ermordet.

In Ihrer Nachbarschaft, der Alexanderstraße 21, Ecke Stiftstraße, lebte für einige Zeit Elisabeth Korpatsch, die auch von hier am 11. März 1943 nach Auschwitz verschleppt und dort ermordet wurde.

Hintergrund:

Ab 1933 begann die staatlich verordnete Diskriminierung und Ausgrenzung von “zigeunerischer Personen”, gepaart mit rassistischer und völkischer Ideologie. 1935 wurden Sinti und Roma in den Nürnberger “Rassegesetzen” jüdischen Menschen gleichgesetzt: „Zu den artfremden Rassen gehören alle anderen Rassen, das sind in Europa außer den Juden regelmäßig nur die Zigeuner”, erklärte der damalige NS-Innenminister Wilhelm Frick. Die „deutsche Wesensart“ sei Sinti und Roma fremd, sie seien „asozial“ und „arbeitsscheu“.

Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs durften Sinti und Roma ab Mitte Oktober1939 ihre Wohnorte nicht mehr verlassen. Ende 1939 beabsichtigten die Nazis zunächst, alle in Hamburg lebenden Roma und Sinti – „ermittelt“ wurden 848 Menschen – in einem Lager in Billstedt-Öjendorf zu internieren: „Das Lager darf nur zur Arbeit verlassen werden.“ Die Pläne wurden fallen gelassen, da ihre Deportation und Vernichtung entschieden worden war. Am 20. Mai 1940 wurden über 1.000 Roma und Sinti aus Hamburg nach Belzec in Polen transportiert. Am 11. März 1943 erfolgte die zweite und am 18. April 1944 die dritte Deportation nach Auschwitz. Nur wenige Menschen überlebten.

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