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Holger Artus

Partnerschaft zur Erinnerung an Deportation der Roma und Sinti vom März 1943 gesucht

Jetzt habe ich einen Antrag in ver.di Hamburg über den Arbeitskreis Anti-Rassismus auf Ebene des Landesbezirksvorstandes zur Debatte eingebracht, in der es um den 80. Jahrestag der März-Deportationen von Roma und Sinti über Hamburg geht.

Inhaltlich geht es um eine Beteiligung von ver.di Hamburg an einer Kundgebung zum Antiziganismus im März 2023. Eine Vorlage von mir wurde bei leichten Korrekturen im Arbeitskreis zur Kenntnis genommen. Eine dortige Befassung im Hamburger Vorstand dürfe aber erst nach Abschluss der Landesbezirkskonferenz im Februar 2023 erfolgen.

Nach über 40 Jahren gewerkschaftlicher Aktivität und ehrenamtlicher Verantwortung merke ich immer wieder die Brüche in den verschiedenen Generationen der Gewerkschaftsbewegung, mit der ich in meiner Arbeit konfrontiert wurde. Soweit es um die Tarifpolitik und -arbeit ging, gab es immer eine große Kontinuität, da die betrieblichen Träger/Akteure blieben und die Materie Haltung verlangte. Der Gegnerbezug, dessen Organisation und strategische Aufstellung war nicht mit Beliebigkeit und Phrasen zu durchkreuzen. Wo es diese tarifliche Aufgabenstellung und Verantwortung in den gewerkschaftlichen Aufgaben nicht gab, kam es m.E. immer wieder zu großeren Brüchen, da hier Fokus vor allem auf die Beziehungsarbeit ausgerichtet war. Eine kulturelle Vererbung über die Kämpfe gibt es hier eher nicht, es muss immer wieder neu erarbeitet und vermittelt werden. Manchmal fällt es mir schwer, mich dem immer wieder offen zustellen, denn leider ist es eine einseitige Erfahrung und Aufgabe 😉. Aber auch viele gewonnene Erfahrungen der Solidarität und einer normalen gewerkschaftlichen Kollegialität sehe ich schwinden. Eine neue Erfahrung für mich ist es, dass wenn man sich einbringt, etwas einbringt, nicht nur gewollt ist. Wenn ich mich an meine erste Teilnahme 1976 an der zuständigen Fachgruppe in der HBV erinnere, war der Umgang anders ;-).

Ganz praktisch suche ich natürlich auch Partner:innen zur Organisierung einer Erinnerungsaktivität, wo meine Einschätzung ist, das die Vermittlungsarbeit in den Stadtteilen um den Sternschanzen-Bahnhof schwerer wird. Das bisherige sublokale Vorgehen wird alleine nicht reichen, Menschen für das Thema zu sensibilisieren. Deshalb ein größer „Hamburg“ Bezug.

Beiliegend meine Stichworte zur Begründung.

Im Rahmen einer Kundgebung Anfang März 2023 soll anlässlich des 80. Jahrestag an die zweite Deportation von Roma und Sinti nach Auschwitz am 10. März 1943 vor der Ganztagsgrundschule Grundschule auf Höhe der Altonaer Straße öffentlich erinnert werden. Sie soll mit dazu beitragen, das zu diesem Jahrestag eine öffentliche Wahrnehmung dieses historischen Ereignisses in Hamburg unterstützt wird.

Sinti und Roma teilen mit den Juden das furchtbare Schicksal der systematischen Vernichtung durch die Nazis. Nach deren Machtübernahme 1933 wurden Sinti und Roma stufenweise aus der Gesellschaft ausgeschlossen, ausgebürgert, enteignet, deportiert und vernichtet. Nur wenige tausende Sinti und Roma überlebten die nationalsozialistische Verfolgung, Zwangsarbeit, Haft in Konzentrations- und Vernichtungslagern sowie die Zwangssterilisationen.

Am 11. März 1943 wurden nach den bisherigen Dokumenten 251 Roma und Sinti aus Hamburg nach Auschwitz deportiert worden. Insgesamt waren es über 300 auch aus anderen Orten neben Hamburg. Es war nach der großen Massendeportation vom Mai 1940 die zweite Verschleppung der Roma und Sintis aus Hamburg. Nur wenige überlebten.

Während die Bundesrepublik Deutschland nach ihrer Gründung 1949 die Holocaust anerkannte und den jüdischen Opfern Entschädigung entgegenbrachte, wurde der nationalsozialistische Völkermord an den Sinti und Roma (Porajmos) jahrzehntelang aus der öffentlichen Wahrnehmung ausgeblendet. So konnten etwa Kriminalpolizisten, die unmittelbar an der NS-Verfolgung der Sinti und Roma beteiligt gewesen waren, ihre Karrieren weiter fortsetzen, ohne sich juristisch für ihre Beteiligung an den NS-Verbrechen verantworten zu müssen. In der Nachkriegszeit habe es keine angemessene Erinnerung an das Leid der Sinti und Roma gegeben. Erst 1982 erkannte die Bundesrepublik offiziell den nationalsozialistischen Massenmord an den Sinti und Roma an.

Es sind verschiedene Aktivitäten anlässlich dieses Jahrestages durch die Organisationen der Roma und Sinti in Hamburg im Gespräch. Es wäre wünschenswert, wenn es gelingen könnte, dass diese Erinnerungsaktivität vor der Ganztagsrundschule Teil davon werden könnte.

ver.di Hamburg beteiligt sich an den kommenden Aktivitäten zum 80. Jahrestag der Deportation von Roma und Sinti am 11. März 1943 von Hamburg nach Auschwitz. Der Arbeitskreis Antirassismus vom ver.di Landesbezirksvorstand Hamburg beteiligt sich an der Planung und Organisierung der Kundgebung vor der Ganztagsgrundschule Sternschanze.

Die GEW Hamburg gehört als Interessenvertreter:in der Lehrer:innen zu den weiteren Partner:innen der Aktivität.

Aufhänger für den Ort zum 80. Jahrestag ist eine Sinti-Schülerin, Laura Rosenberg, die hier bis 1943 zur Schule ging und rassistisch von der Schulleitung denunziert wurde. 1944 wurde sie in der Frauenklinik Bülowstraße des AK Altona zwangssterilisiert und misshandelt. Über sie soll an dem Tag auch erzählt und die Menschen in den Stadtteilen informiert werden.

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