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Holger Artus

Warum findet die Kundgebung zur Erinnerung an die italienischen Militätinternierten in der Süderstraße 112 statt?


Anlässlich der Kundgebung am 8. September, auf der es wie 2020 und 2021 um die italienischen Militärinternierten geht, soll einiges zum Anlass erzählt und das vorhandene (neuere) Wissen vermittelt werden.

Am 8. September 2022 führt die „Projektgruppe italienische Militärinternierte Hamburg 1943-1945“ um 18 Uhr eine Kundgebung auf dem Gelände Süderstraße 112/114 durch. Anlass für das Datum ist der 8. September 1943, als die neue italienische Regierung mit den Alliierten nach dem Sturz Mussolini einen Waffenstillstand verkündete. Für Deutschland und Italien änderte sich die politische und militärische Lage grundlegend. Aus dem ehemaligen Verbündeten Italiens wurde ein Gegner. Die italienischen Soldaten, die sich weigerten, weitere an der Seite Nazi zu kämpfen, wurden nach Deutschland verschleppt. Hitler machte sie zu „Militärinternierten”, um nicht an internationale Regeln gebunden zu sein.

Was hat es mit dem Ort Süderstraße 112 auf sich?

Hier war ein Zwangsarbeitslager für über 140 italienische Militärinternierte der damaligen Hamburger Wasserwerke. Räumlich war hier der Hauptlagerplatz der Wasserwerke mit einem Haus in der Süderstraße 114 für Beschäftigte.

Aus einem Tagebuch wissen wir, dass der erste Arbeitstag für die IMI der 18. Oktober 1943 in einer Fabrik der Wasserwerke war. Sie kamen aus dem Kriegsgefangenen-Stammlager Sandbostel bei Bremervörde. Ihr Lager wurde bis August 1944 von der Wehrmacht bewacht.

Hamburg Wasser, ein heutiges Unternehmen der Stadt und Nachfolger der “Hamburger Wasserwerke”, verhält sich zu seiner NS-Geschichte. David Templin hat ein Buch darüber publiziert und nicht nur das Thema der italienischen Militärinternierten aufgearbeitet, sondern die NS-Geschichte der Hamburger Wasserwerke.

Auf der Elbinsel Kaltehofe erinnert ein Mahnmal an die italienischen Zwangsarbeiter, dass aus Initiative von Manfred Hessen-Stahl entstand, dem Sohn eines IMI, der in Hamburg lebt. In Kaltehofe war ein zweites Lager für über 70 IMI.

Die Absicht der “Projektgruppe“ ist es, den Fokus auf die Erinnerung im Zusammenhang mit den Hamburger Unternehmen zu setzten, also sie zu benennen. Wir suchen den Dialog mit den Hamburger Unternehmen, die die italienischen Soldaten als Zwangsarbeiter einsetzten. Es geht u.a. um die Frage, wie heute eine Aufklärung erfolgen kann und wie sich das ausgestaltet.

Viertens ist der heutige Mieter der Süderstraße 112/114, der Techno-Veranstalter Südpol, nicht nur an der Aufarbeitung der Geschichte des Ortes und der Erinnerung interessiert, sondern nimmt einen aktiven Platz ein, der mehr ist, als wir mit unseren Kundgebungen tun.

Deren Veranstaltung am 24. August 2022 auf ihrem Gelände legt auch davon Zeugnis ab.

Das Gelände hat „Hamburg Wasser“ an die Sprinkenhof verkauft. Ein Unternehmen, das leider keine positive Rolle bei der eigenen NS-Geschichte aufnimmt oder der Geschichte ihrer heutigen und damaligen Immobilien in der NS-Zeit.

Das besondere: Es gibt ein Tagebuch eines Zwangsarbeiters der Hamburger Wasserwerke

Die Hamburger Wasserwerke kamen für uns auch in den Blick, an welchem Ort wir die diesjährige Kundgebung stattfinden soll, da es von Marino Rugs, einem IMI aus dem „Lager Kaltehofe“ ein Tagebuch gibt, das sehr authentisch ist, weil es in seiner Zeit in Hamburg von Oktober 1943 bis Juli 1945 entstanden ist und eben nicht Erinnerungen im Nachgang.

Wir haben seinen Sohn eingeladen, werden mit dem Ehepaar zu verschiedenen Orten der IMI der Wasserwerke in Hamburg gehen. Dort kommt es zu Gesprächen mit den den heutigen Nutzern bzw. Eigentümern der Gebäuden oder den Träger des Erinnerungsortes.

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