Am 18. Dezember 2021 hatte ich geschrieben, was anlässlich des 80. Jahrestags der Deportationen im Juli 1942 angedacht sei. Vorausgegangen war eine Verteilung von Nachbarschaftsinfo in den Häusern im Schanzen- und Weidenviertel, aus den am 25. Oktober, 8. und 18. November 1941 die ersten jüdischen Menschen nach Riga und Minsk aus unserem Viertel verschleppt wurden.
Geblieben war bei mir auch das Gefühl, dass zu den ersten Tagen der Deportation aus 1941 zu wenig wahrzunehmen gewesen war, auch wenn der damalige 80. Jahrestag unter der Bedingung der Corona-Pandemie sicher auch anders zu bewerten ist.
Was gab es an Anregungen nach den bisherigen Aktivitäten?
Gestern war die letzte Aktivität am 15. Juli 2022 auf dem Gelände der Ganztagsgrundschule Sternschanze. Es haben sich daraus neue Projekte in der Zukunft ergeben, die im wesentlichen schon durchdacht und auf ihre Realisierbarkeit als möglich erscheinen. Es stehen zwei Aktivitäten zu verfolgten Nachbarn im Raum, die in der NS-Zeit als Sinti verschleppt und misshandelt wurden. Ein weiteres Projekt soll sich um das vergessene jüdische Erbe in der Hamburger Kulturlandschaft drehen. Es gibt noch kleinere Erzählungen, die ich noch seriös aufsetzen muss, u.a. zu Ruth Geistlich, die Theresienstadt/Terezin überlebt hatte. Eine Schülerin aus der Ganztagagrundschule Sternschanze hatte mich auf sie angesprochen. Es gab mehrere Anfragen und eine Absprache über ein Stolperstein-Projekt u.a. in Berlin zu einem von den Nazis ermordeten Redakteur. Das ergab sich auch aus einem neuen Kontakt zu eine der ersten Bewohnerinnen aus dem Nanny Jonas-Stift, Clara Barack, in der Agathenstraße 3. Aus praktischer Sicht muss ich es aber alles noch sauber strukturieren. Es sind ernsthafte inhaltliche Anliegen, auch wenn sie in planerisch Sinne ein „Projekt“ sind.
Gesamtbewertung und Kriterien
Im wesentlichen wurde alles umgesetzt. Die ursprüngliche Absicht, eine Lesung im Durchgang Schanzenstraße/Bartelsstraße zu organisieren, scheiterte am Verbot durch den Eigentümer, aber ich fand einen neuer Ort. Wo ich Unterstützungsstrukturen gewinnen konnte, wurde die Zielsetzung erreicht. Je kleinteiliger die Aktivität und damit die Zielgruppe, um so weniger konnte die unmittelbare Zielsetzung erreicht werden. Mit fünf Teilnehmer:innen an der Ecke Schanzenstraße/Lagerstraße am 23. Juni 2022 bliebt ich unter dem erhofften Besuchen von zehn Personen. Hier war die abzusprechende Gruppe mit 200 Personen aber auch sehr klein. Es fand sich auch kein weiterer Träger für dieses Idee. Inhaltlich ging es um die Familie Dublon, zu der den Nachbarn etwas erzählt werden konnte und es kam zu der erhofften Verlegung eines Stolpersteins für Hilde Dublon am 16. Juni 2022 vor der Hallerstraße 45. Mit diesem Stein konnte eine Idee umgesetzt werden, die auf einer Kundgebung am 15. Juli 2019 vor der Schule Schanzenstraße entstanden war. Die umfangreiche Recherche zur Familie konnte bisherige Wissen ergänzt und korrigiert werden. Mit den drei Kundgebungen am 3. Mai vor der Griegstraße 75, am 14. Juli vor der Bundesstraße 43 und am 15. Juli 2022 auf dem Schulhof der Ganztagsgrundschule Sternschanze wurden aber die für meine Verhältnisse „größeren“ Aktivitäten umgesetzt worden. Insgesamt haben sich an allen Aktivitäten 300 Personen beteiligt.
Ein besonderes Erlebnis war das Treffen vor der Rosenallee 11 im Hamburger Münzviertel vor zwei Stolpersteinen, um an Recha Lübke, Bella Spanier und Betty Worms zu erinnern. Es war eine sehr, sehr nette Atmosphäre und ich hatte es im Vorfeld mit einem Gesprächspartner zu tun, der mit sehr viel Empathie eine Erzählung für sein Stadtteil und deren Themen suchte, dabei aber nicht in der Vergangenheit blieb.
Inhaltlich wollte ich das Thema der „Judenkolonnen“ in die Öffentlichkeit tragen. Hier habe ich meine Vorstellungen nicht umsetzen können. In der Recherche bin ich aber weit über das gekommen, was ich mir vorstellen konnte. Auf der kleinen Erinnerungskundgebung vor der Rosenallee 11 habe ich öffentlich gesprochen wie auch am 3. Mai 2022 vor der Sternwollspinnerei-Spinnerei. Es gab weitere Texte zum Thema dazu auf verschiedenen Web-Seiten und ich habe eine Idee gewonnen, wie ich das Thema öffentlich angehen könnte.
Bewertung der öffentlichen Reflektion in den Medien
Die Medienreflektion zum 80. Jahrestag ging über das erhoffte hinaus. Es konnte die Geschichte zu Berthie Philipp in DAS erzählt werden. Der Bericht im „Hamburg Journal“ über die Aktivitäten am 14./15. Juli 2022 waren natürlich eine große Überraschung. Es gab einen Text im Elbe Wochenblatt zum 3. Mai 2022. Bei den Web-Zugriffen hatte ich keine große Planung, was die Zugriffe betrifft. Vergleichen mit den letzten beiden Jahren liegen sie natürlich darüber. Im Zentrum der Öffentlichkeitsarbeit standen aber die NS-Opfer, aus deren Leben ich gefundene Abschnitte ich in der Nachbarschaft in sehr kleinteiliger Auflage verteilt hatte. Es waren 20 Infos mit einer Gesamtauflage von 2.000 Exemplaren. Wie üblich habe ich von dort auch Reaktionen erfahren. Das Nachbarn aus der Kielortallee 26 und der Isestraße 51 auf Grund der Infos zu den Kundgebungen am 14. und 15. Juli 2022 gekommen waren, ist für mich sensationell. Die Tweets liefen für meine Verhältnisse gut, hier habe ich aber keine Reichweite.
Was funktionierte gar nicht?
Im Rückblick auf den 80. Jahrestag der ersten Deportationen 1941 wollte ich gerne mehr öffentliche Wirkung um die Deportationen insgesamt erreichen. Dazu wollte ich irgendwie die großen Player einbeziehen. Letztere begann temporär, aber mehr an Abstimmung war von denen nicht gewollt, so mein Eindruck. Ich werde das Thema nicht aus dem Anblick verlieren und mich weitere um die sublokale Aufklärung von NS-Geschichte im Viertel und auch die Mängel in der bisherigen Aufarbeitung bemühen.
Bin ich zufrieden? Um gewissermaßen mal Degenhardt zu singen: „Wie das so ist …„