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Holger Artus

Ist „Wiedergutmachung“ -„Tätersprache”?

Das Gespräch konnte ich nicht zu Ende führen. Die Person, die auf der Kundgebung am 14. Juli 2022 vor der Bundesstraße 43 einen Zwischenruf zu Ausführungen von mir gemacht hatte, war nach kurzem Austausch mit dem Fahrrad weggefahren. Ich hätte, so meine Wahrnehmung aus dem Zwischenruf, zu positiv von den Wiedergutmachungen gesprochen. Das sei Tätersprache.

Erstaunt war ich über den Zwischenruf, auch wenn er mich nicht störte. Ich hatte sogar gesagt, wenn jemand noch spreche möge: „Hier ist das Mikro.“ Das Angebot wurde nicht wahrgenommen, aber der Zwischenruf gemacht. Auch war ich darauf kurz im Anschluss eingegangen und hatte gesagt, dass die Wiedergutmachung in der Tat ein großes Thema ist, aber heute ginge es um den 80. Jahrestag der Deportation und den NS-Opfern sowie der Schaffung eines weiteren Erinnerungsortes. Während des Zwischenrufs der Person am Ende der Kundgebung hatte ich bis auf einen Punkt immer freundlich und zustimmend genickt. Mein Eindruck war, dass die Grundabsicht gewesen sei, einen kritischen Blick auf die nach 1945 erfolgten Wiedergutmachungen zu behalten.

Was hatte ich im Zusammenhang mit der Kundgebung zum Thema “Wiedergutmachung” gesagt? Einmal hatte ich von Berthie Philipp gesprochen, dass wir aus ihrer “Wiedergutmachung” – auf dem Aktendeckel stand „Wiedergutmachungskammer“ (vor dem Landgericht) – den genauen Ablauf der Deportation vor der Bundesstraße 43 und einem Augenzeugen wüßten. Das zweite Mal nahm ich auch auf sie Bezug, als ich davon sprach, dass sie den größten Teil ihrer Wiedergutmachung in eine Stiftung gesteckt hätte, die bis heute bestehe.

Im Anschluss der Kundgebung ging ich noch einmal zur Person, um das Gespräch zu suchen. Es bleibt freundlich, da ich nicht den Eindruck hatte, dass hier jemand provozieren wollte, sondern spontan reagiert hatte wegen meines Hinweises auf die Finanzierung der Stiftung aus der “Wiedergutmachung”. Inhaltlich klären konnte ich leider wenig, was genau gemeint war. Das mit der “Tätersprache“ habe ich politisch zurückweisen. Die Täter waren die Nazis vor der Befreiung 1945. Diesen Tätern habe ich nachträglich keine höhere Bedeutung als den Opfern gegeben, noch habe ich deren „Tätersprache“ aus den Akten verwendet, um die im Namen der Nazis begangenen Verbrechen zu verharmlosen. Ich stehe den gesamten Vorgänge nach 1945 durch das „Amt für Wiedergutmachung“ skeptisch gegenüber, wenn man es sich auch immer genau ansehen muss, was man genau gemeint sei. Hätte sich die Person die Mühe gemacht, auf die Web-Seite bundesstrasse43.wordpress.com zu gehen, hätte sie zu dem Thema eine deutliche Haltung von mir lesen können, was z.B. die fünf Vorgänge zu den Überlebenden NS-Opfern aus der Bundesstraße 43 betrifft.

Die Person suchte nicht weiter die Diskussion. Vielleicht meldet sie sich ja noch mal.

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