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Holger Artus

Margot und Bruno Gentrup, Laufgraben 27

Margot und Bruno Gentrup wohnten seit 1932 im Laufgraben 27, im III. Stock. Margot war am 27. Oktober 1898 in Hamburg geboren, Bruno am 19. August 1900 in Hannover. Beide waren seit dem 27. April 1927 verheiratet.

Sie war Jüdin, er evangelischer Konfession. Von Beruf war Bruno Seemann und arbeitete in der NS-Zeit als Lagerarbeiter. In den Unterlagen konnte ich zum Beruf von Margot Gentrup keine Angaben finden. Weil ihr Mann evangelischer Konfession war, wurde sie nicht deportiert. In Hamburg lebten im Oktober 1944 noch etwa 1.600 jüdische Menschen, die sich in einer solchen Beziehungen befunden hatten und verheiratet waren. Wenn sich die Paare trennten, wurde der jüdische Teil deportiert. Ein noch heute lebender Nachbarn erzählte mir von den beiden und dass er sich noch gut daran erinnere, wie sie immer untergehakt durch die Straßen gingen.

Im Verlauf des 2. Weltkrieges benötigte die deutsche Wehrmacht immer mehr Soldaten. In den Schlachten vor Moskau ab Dezember 1941 und in Stalingrad ab Winter 1942 verloren hundert- tausende deutscher Soldaten ihr Leben. Für die Kriegsproduktion in Deutschland und die Nachschub- versorgung wurden weitere Arbeitskräfte inländisch benötigt, da man diese an die Front abkommandierte. Dafür setzte man Zwangsarbeiter/innen aus den überfallenen und besetzten Ländern ein. In Hamburg waren es bis 1945 insgesamt 500.000 Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter. So sehr die Nazi gegen die jüdischen Bevölkerung hetzten, sie aus dem Arbeitsleben ab 1933 entlassen hatten, sie aus ihrem Geburtsland vertrieb, ihre Arbeitskraft wurde mit dem Krieg dann doch wieder benötigt. Im Verlauf des 2. Weltkrieges wurden sie zur Arbeit gezwungen. In so genannten „Judenkolonnen“ von bis zu 30-40 Personen wurden sie zusammengefasst und arbeiten getrennt von den anderen Beschäftigten in kriegswichtigen Betrieben.

Staatsarchiv Hamburg 213-13_26862

Margot Gentrup erzählte nach 1945, dass sie erst in einem Lebensmittelunter- nehmen seit Februar 1942 arbeiten musste. Die Zwangsarbeit wurde auf Befehl der Gestapo beendet, weil Jüdinnen keine „arischen“ Lebensmittel berühren sollten. Sie selber musste dann in einer Munitionsfabrik, J.G. W. Bergholtz, arbeiten. 1943 arbeitete sie in der Seifenfirma Dralle, die heute zum L‘Oreal-Konzern gehört und ebenfalls „Judenkolonnen“ einsetzte.

Bruno Gentrup wurde ab Oktober 1944 als Zwangsarbeiter von der Baubehörde (damals Aufräumamt) in Hamburg bis zur Befreiung 1945 eingesetzt. Rund 1.000 jüdische Zwangsarbeiter setzte die Behörde damals insgesamt ein. Die „Judenkolonnen“ mussten sich an bestimmten Orten einfinden und wurden von dort an Unternehmen übergeben, um die Arbeiten auszuführen. Im Fall von Bruno Gentropp war der Sammelort ein Zwangsarbeitslager beim Bahnhof Alsterdorf.

Staatsarchiv Hamburg 351-11_23486

Stolpersteine im Laufgraben

Sichtbares Zeichen der NS-Zeit in Ihrer Straße sind heute die 17 Stolpersteine vor dem Laufgraben 37 und 39.  Diese kleinen Messingsteine auf dem Gehwegen erinnern an die NS-Opfer, die dort einst wohnten. Der Laufgraben 39 gehörte ursprünglich Laszo und Johanna Partos. Das NS-Regime zwang ihn, sein Haus 1939 für 17.000 RM  an Wilhelm Hasselbrink aus Lübeck zu verkaufen. Die Familie Partos musste auch ihr Bandagisten- Handwerksbetrieb im Schulterblatt 88 an Ernst Seifert in der Hinrich-Lohse-Straße 212-214 (heute wieder Königstraße in Altona) verkaufen. Alles jüdisches Eigentum in Hamburg wurde 1938/1939 „arisiert“. Die Immobilien und Unternehmen wurden erfasst und die Eigentümer mussten sie an „Arier“ verkaufen. 

Anlass der Recherche

Anlass meiner Recherche ist der 80. Jahrestag der Deportation am 15. und 19. Juli 1942 von 1.700 jüdischen Menschen nach Theresienstadt/Terezin in der Tscheslowakei über die Schule Schanzenstraße (S-Bahnhof Stern- schanze). Die beiden Gentrups waren davon nicht betroffen. Aus Ihrer Straßen wurden aber am 15. Juli 1942 Recha Oppenheimer, Maria, Esther, Henriette und Albero Jonas deportiert. Sie erhielten ihren Deportations- befehl unter der Adresse des Laufgraben 37. Hier war ein so genanntes Judenhaus, eine Massenunterkunft nur für jüdischen Menschen, die hier bis zur Verschleppung unter unmöglichen Bedingungen leben mussten. Bereits zum 25. Oktober 1941 wurden von hier 13 Ihrer damaligen jüdischen Nachbarn aus dem Laufgraben 37 nach Litzmannstadt/Lodz in Polen deportiert.

Weitere waren nach Darstellung der Hamburger Stolpersteine vermutlich Untermieter im Laufgraben 39 und erhielten unter dieser Adresse den Deportationsbefehl. Sie wurden 1941 nach Minsk, Auschwitz und Lodz verschleppt.

Hier die Info als pdf

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