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Holger Artus

Warum verbietet ein Immobilien-Unternehmen eine Erinnerung an ein NS-Opfer, dass einst sein Mieter war?

In einem Schreiben habe ich mich an die gewerblichen Mieter:innen in der Schanzenstraße 75/77 („Montblanc-Haus“) gewandt und um deren Unterstützung gebeten, da der Eigentümer eine kleine Versammlung im Juni 2022 im Durchgang Schanzenstraße/Bartelsstraße auf Höhe des Kino 3001 abgelehnt hat.

Anläßlich des 80. Jahrestages des 80. Jahrestag der Deportation von über 1.700 jüdischen Menschen über die Schule Schanzenstraße nach Theresienstadt/Terezin, sollte hier eine Lesung aus Dokumente der jüdischen Familie Dublon stattfinden. Daniel Dublon war damals selber Mieter in dem Gebäude.

Für den 15. Juli 2002 ist eine Kundgebung auf dem Gelände der heutigen Ganztagsgrundschule Sternschanze geplant. Im Vorfeld sollen vier kleinere dezentrale Aktivitäten für die Nachbarn anbieten, bei denen es um einzelne Deportierte gehen soll.

Hier ein Auszug aus dem Schreiben: „ Wir haben für Ende Juni eine Lesung am Durchgang Schanzenstraße/Bartelsstraße auf Höhe von Kino 3001 geplant. Doch das hat der Eigentümer des Montblanc-Hauses über die HWS Immobilien- und Vermögensgesellschaft GmbH als Verwalter jetzt verboten. Gründe wurden nicht genannt. 

Daniel Dublon war Viehhändler und Vorsitzender eines Zusammenschlusses der Viehhändler auf dem Schlachthof. Er wohnte seit 1928 in der Schanzenstraße 52, sein Arbeitsort war der Schlachthof, auf dem Geländ der heutigen “Schanzenhöfe”, Ecke Lagerstraße/Schanzenstraßre.

Seine Tochter, Hilde Dublon, besuchte die hier ganz in der Nähe gelegene Israelitischen Töchterschule in der Karolinenstraße 35. Am 19. Juli 1942 wurde die 17-jährige Hilde, ihre Mutter Gretchen, ihr Vater Daniel und ihre Tante Henny über die Schule Schanzenstraße nach Theresienstadt/Terezin deportiert. Erst vor kurzen ist eine Notiz gefunden worden, aus der hervorgeht, wie Hilde im Mai 1943 an Theresienstadt an Flecktyphus gestorben ist. Die Infektion wird durch Läuse übertragen. Wir haben weitere zeitgenössische Texte gefunden, aus den wir etwas über die Geschichte der jüdischen Familie Dublon in einer Lesung erzählen wollen. Im Juni wird auch ein Stolperstein für Hilde Dublon verlegt werden, am Großneumarkt. Dort wart ihr letzter Wohnort.

Die Deportationen vom 15. und 19. Juli 1942 fand unter den Augen der Öffentlichkeit in den Stadtteilen statt. Später behauptete man, dass man das alles nicht gewusst hätte. Vor der Schule Schanzenstraße und an den Wohnorten der Deportierten verfolgten es damals die Nachbarn und beschimpften die jüdischen Menschen. Mit unseren dezentralen Aktivitäten wie am Großneumarkt 56, der Bundesstraße 43, der Griegstraße 75 und der Schanzenstraße 75/77 wollen wir mit dem Thema bewusst in die nachbarschaftliche Öffentlichkeit gehen. Das ein Eigentümer eine solche Erinnerung auf seinem Eigentum, der eine Art öffentlicher Durchgang im Stadtteil bei uns ist, verbietet, passt nicht in unsere Zeit. Wir spekulieren nicht, ob für das Verbot politisch und antisemitisch motiviert ist oder andere Gründe vorliegen, enttäuschend ist es auf jeden Fall. Wir sind auch empört, da wir die Untersagung als respektloses Verhalten gegenüber den jüdischen Opfern empfinden.  

Vielleicht sehen Sie eine Möglichkeit, mit der HWS in Kontakt zu kommen. Wir wären für Unterstützung und Hilfe dankbar. Melden Sie sich für Rückfragen oder Vorschläge sehr gern bei mir.“

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