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Holger Artus

Die Käufer der Bundesstraße 43, einem ehemaligen „Judenhaus“, wurden in der NS-Zeit auch verfolgt

Heute habe ich eine Info zum Stand der Diskussion um die Form der Erinnerung an die deportierten jüdischen Menschen 1941/1942 vor der Bundesstraße 43 in der dortigen Nachbarschaft verteilt und darüber auch Gespräche geführt.

Wir sind im laufende Projekt und ich hoffe, alles zusammen kommt. Noch sind nicht alle Bedingungen dafür gelöst. Aber die Erinnerung an des 80. Jahrestag des 14. Juli 1942 wird kommen und es wird auch eine öffentliche Aktivität. Im heutigen Flyer ging es um die Verfolgungsgeschichte der Käufer der Bundesstraße 43 während der NS-Zeit, die 1952/1953 das zerstörte Gebäude kaufen und wieder aufbauten. Über die kleine Web-Seite https://bundesstrasse43.wordpress.com dokumentieren wir das Vorgehen.

Die Bundesstraße 43 war 1942 ein so genanntes Judenhaus. Die Nazis hatten in ganz Hamburg ehemalige jüdische Stifte zu Massenunterkünfte für jüdischen Menschen gemacht. Über sie wurden vor allem die Deportation organisiert. 

Nach 1945 übernahm die Vaterstädtische Stiftung das fast komplett im Juli 1943 zerstörte Gebäude und suchte einen Käufer. Es fanden sich verschiedene Unternehmen, die aber immer wieder vom Kauf zurücktraten. 1952/1953 wurde das Grundstück an Joachim Geist und Paul Preis für 65.000 DM verkauft. Hinzu kam vermutlich noch der Wert der Ruine. Der Vertrag wurde am 14. Januar 1953 abgeschlossen. Aus dem Verkaufserlös finanziert die Vaterstädtische Stiftung den Neubau eines John R. Warburg-Stift, den es bis heute im Kurzen Kamp in Poppenbüttel in Form eines Alten- und Pflegeheim gibt. Joachim Geist und Paul Preis konnten mit einem Kredit ihre Vorhaben finanzieren. Die beiden bauten das Bauwerk wieder neu auf. Auf Bildern ist zu ersehen, dass das innere total zerstört war, die Außenwände erhalten und in Teilbereichen im Keller noch Mieter:innen bis zum Wiederaufbau wohnten. Dies besagen die Hamburger Melderegister ab 1944/45. 

Die beiden Käufer waren selber von den Nazis verfolgt worden, Familienmitglieder waren geflohen, aus der Beruf gezwungen oder wurden in Auschwitz ermordet. Hans-Joachim Geist, der 1918 geboren war,  erlebte den Antisemismus am eigenen Leibe. Wegen seiner jüdischen Mutter musste er im Oktober 1935 das Heinrich-Hertz- Gymnasium verlassen. Seine Mutter erinnerte sich, wie der Schulleiter Dr. Studt sie aufforderte, “meinen Sohn sofort und mitten im Schuljahr von der Schule zunehmen”.  Ein Studium war für ihn nicht möglich, es wurde ihm auch verboten,  zu heiraten. Ab Juni 1944 bis zum April 1945 wurde er segen seiner jüdische Familie vom Aufräumungsamt (damals Baubehörde) als Zwangsarbeiter eingesetzt. Seine Mutter, Aenne Geist, wurde wegen ihrer jüdischen Identität in einer so genannten Judenkolonnen bei einem Unternehmen in der Wexstraße als Zwangsarbeiterin eingesetzt, getrennt von den anderen Beschäftigt, zu schlechten Arbeitsbedingungen, ungleicher Entlohnung und unter Kontrolle der Gestapo. Der Vater von Hans-Joachim Geist, Dr. Otto Geist, war Amtstierarzt der Stadt Hamburg. Er wurde 1937 aus dem Dienst entlassen, weil seine Frau Jüdin war. Er starb im Januar 1945. Aenne Geist überlebte den Holocaust auf Grund ihrer Ehe mit Dr. Otto Geist, der evangelischer Konfession war. 1946 schrieb Hans-Joachim Geist,  dass sein Vater sich den “Berufsverlust und die Bedrückung meiner Mutter so zu Herzen nahm, dass er vor Gram starb.”

Paul Preis war in 1910 in Düsseldorf geboren, wo seine Eltern, Christine und Alfred Preis sowie seine Schwester Elisabeth zu der Zeit lebten. Sein jüdischer Vater, Alfred Preis war bis 1939  Betriebsleiter des Bergischen Kraftfutterwerk Hermann Schmidt KG im Düsseldorf-Hafen. Dann wurde er gezwungen, seine Arbeit aufzugeben. Am 9. Juni 1943 wurde von Hamburg zusammen mit 81 jüdischen Menschen nach Theresienstadt verschleppt. Einige der Deportierten stammen aus anderen Städten, darunter Bremen und Emden. Sie waren im Vorfeld nach Hamburg gebracht worden. Die Deportierten wurden einige Tage vor dem Transport in das Gebäude der jüdischen Gemeinde in der Beneckestraße zusammengefasst. Ihr Gepäck, das auf 50 Kilogramm beschränkt worden war, wurde im Sammellager durchsucht. Dann mussten sie eine Vermögenserklärung ausfüllen und eine Erklärung unterschreiben, in der sie ihren gesamten, verbleibenden Besitz dem Deutschen Reich übergaben.  Am 28. Oktober 1944 wurde Alfred Preis von Theresienstadt  nach Auschwitz verschleppt und dort ermordet. 

Liesel Preis, erging es ähnlich wie ihrem Bruder Paul. Sie wurde 1933 erst in der Schauspiele Düsseldorf aufgenommen, aber kurz danach wegen ihrer “nichtarischen” Verhältnisse abgewiesen.  Deren beiden Mutter, Christel Preis, überlebte. Paul Preis wurde ebenfalls von der Stadt Hamburg ab 1944 als Zwangsarbeiter eingesetzt.

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