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Holger Artus

Noch kein Abschluss einer Aktivität, aber ein weiterer Schritt

Mit der Verlegung der drei Stolpersteine vor der Hoheluftchaussee 91/93 am 5. Oktober 2021 wird auch ein weiterer Schritt realisiert, um die Auseinandersetzung um die Geschichte dieses Häuser und deren Besitzer/in auf einen Punkt zu bringen. Mir wurden sie erst bei der Recherche zur NS-Vergangenheit von Alfred Bauer bekannt. Er hatte sie im Rahmen der „Arisierung“ 1938/1939 den jüdischen Eigentümer genommen. Ich denke, man darf und muss von Raubkauf sprechen.

Die Geschichte selber ist geschrieben. Die Danksagung der Familie Heinrich in einem der Häuser ist es m.E. noch nicht erledigt. Sie bedanken sich bei ihm für seine „Bescheidenheit“. Das mag sein, aber im Zusammenhang mit diesen Häuser mehr als unpassend. Der Kauf dieser Häuser war alles andere als „bescheiden“ und es ist in meinen Augen zynisch mit Blick auf die NS-Opfer. Ich kann es nicht ändern, aber so lange dieses Ding da hängt, werde ich auch dieses Thema begleiten. Eine weitere Aktivität ist in Vorbereitung.

Kersten und ich habe die Nachbarschaft um die beiden Häuser jetzt zu einem Treffen für eine Blumenniederlegung eingeladen. Hier die Info:

Am Dienstag, den 5. Oktober 2021 werden vormittags drei Stolpersteine vor der Hoheluftchaussee 91/93 verlegt. Wir hoffen, Sie um 17 Uhr, vor den Häusern Hoheluftchaussee 91 und 93, für ein kurzes Zusammensein bei Blumen an den Stolperstein zu gewinnen.

Um WAS genau geht es bei den Stolpersteinen?

Auf Hamburgs Gehwegen gibt es tausende dieser kleinen, vergoldeten Pflastersteine. Sie erinnern an Menschen, die in der NS-Zeit ermordet wurden und liegen vor ihrer letzten Wohnadresse, bevor sie deportiert oder von der Gestapo verhaftet wurden. Es waren jüdische Menschen, es waren kranke Menschen. Es waren Sinti und Roma, Kommunist*innen und Sozialdemokrat*innen, Homosexuelle – „minderwertiges Leben“ nach der rassistischen, sexistischen und amoralischen Nazi-Ideologie. Stolpersteine benennen für uns heute die NS-Opfer mit ihrem Namen. Ihr persönlicher Horror begann vor ihrer Haustür. Momente, in denen andere anfingen, Unrecht zu akzeptieren, wegzuschauen und beim Meinungsterror sogar mitzubrüllen. 

Um WEN geht es bei den Stolpersteinen?

Zu ihren ehemaligen Nachbarn hatten wir  vor einiger Zeit bereits Informationen in Ihren Briefkasten gesteckt. Die Häuser, die damals hier standen. verbrannten im Sommer 1943 nach den Bombardements der Briten. Nach dem Ende des 2. Weltkrieges wurden sie wieder neu aufgebaut. 

Die drei Stolpersteine sollen an Gertrud und Aron Feibel erinnern, die bis zum 9. November 1941 in Hoheluftchaussee 93 im 1. Stock wohnten. Gertrud, geborene Fürstenberg, war am 21. März 1873 geboren und mit Aron Feibel verheiratet. Er wurde am 7. August 1873 geboren. Weil sie jüdisch waren, wurden sie deportiert. Edith Jacobs, geboren am 10. Dezember 1920, wohnte zur Untermiete bei der Lehrerin Frau Streim in Hoheluftchaussee 91, 2. Stock. Die 19-jährige hatte seit Juli 1939 bei Ina und Louis Löwenthal in der Haynstraße gewohnt. Da die im Januar 1940 hier auszogen, suchte sich Edith Jacobs eine neue Wohnung. Ihre Eltern lebten in Gelsenkirchen. An sie erinnern heute dort Stolpersteine. Die jüdischen Menschen hatten seit 1939 kein eigenes Wohnrecht mehr. Vermutlich war Frau Streim auch Jüdin, aber noch wissen wir leider nichts über ihren Weg. Sie hatte auch Max Sommerfeld bei sich wohnen lassen, der am 9. September 1909 geboren war.

Gertrud und Aron Feibel wurden am 4. Dezember 1941 nach Riga deportiert. Edith Jacobs und Max Sommerfeld wurden am 18. November 1941 über den Hannoverschen Bahnhof (heute hinter dem Spiegel-Gebäude in der Hafencity) nach Minsk deportiert. Nach der Ausweisung wurde die Wohnung der Feibels versiegelt, ihre privaten Dinge beschlagnahmt und später versteigert. 552 Reichsmark kamen an Erlösen zustanden und wurden erst 1952 von deutschen Staat an die Erb*innen zurückerstattet. Minsk und Riga waren keine KZs, sondern Ghettos, in dem die jüdischen Menschen leben mussten. Von dort aus führte ihr Weg ins KZ. Aber es waren dennoch schlimme Verhältnisse: Kam eine neuer Zug an, wurde das Lager immer wieder geräumt, in dem man Tausende ermordete, um Platz für die nächsten Ankömmlinge zu schaffen. Während es von Gertrud und Aron Feibel sowie Edith Jacobs wenig Informationen über ihren weiteren Leidensweg gibt, ist festgehalten, dass Max Sommerfeld bei der Auflösung des Ghetto 1943 in mehrere KZs verschleppt wurde, zuletzt im KZ Mauthausen. Er gehörte zu fünf Hamburgern, die das KZ überlebten.

Die damaligen Häuser Eppendorfer Weg 221, sowie Hoheluftchaussee 91/93 gehörten bis 1938 jüdischen Menschen, die von den Nazis gezwungen wurden, sie zu verkaufen, „arisieren“: So mussten Else und Lambert Leopold sowie Elfriede David das Haus in der Hoheluftchaussee 93 an den Hamburger Drucker und Verleger Alfred Bauer verkaufen, heute Bauer Media Group, eine der größten Zeitschriftengruppen der Europas. Die Leopolds wurden in Chelmno vergast. Elfriede David beging Suizid, nachdem sie den Deportationsbefehl bekommen hatte. Paul Dessauer gehörten die Häuser im Eppendorfer Weg 221/Hoheluftchaussee 91 und das Kaufhaus Hoheluft. Auch er verkaufte an Alfred Bauer und konnte zusammen mit seiner Meta Freundlich in die USA fliehen.

NSDAP-Mitglied Alfred Bauer beraubte im Rahmen der „Arisierung“ nicht nur die jüdischen Menschen dieser Häuser, sondern weitere. Er beteiligte sich zudem mit seinen damaligen Zeitschriften an der rassistischen Nazi-Hetze. Nach 1945 weigerte er sich, den jüdischen Menschen ihr Eigentum wiederzugeben. Doch erst Anfang 2020 entblätterte sich dieses Kapitel der Verlegerdynastie Bauer der Öffentlichkeit. Und immer noch wird im Hausflur der Hoheluftchaussee 91 Alfred Bauer seitens der Familie Heinrich Bauer gedankt! Es bleibt zu hoffen, dass so schnell wie möglich der Respekt vor den jüdischen Opfern gewinnt und dieses Schild entfernt und durch eine historisch angemessene Darstellung ersetzt wird. 

Die Finanzierung der Stolpersteine: Das nötige Geld für die Herstellung und Verlegung der drei Steine haben wwor bei Beschäftigten und ehemaligen Beschäftigten der Bauer Media Group gesammelt und auf diese Weise genügend Pat*innen gefunden.

Es wäre eine große Freude, wenn wir uns am 5. Oktober 2021 um 17 Uhr nach der Verlegung der Steine treffen könnten.

Hier das Info als pdf.

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