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Holger Artus

Welches Hafenunternehmen hat eigentliche keine Zwangsarbeiter eingesetzt?

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Für die jüngste Ausgabe von Mittn Mang, der Mitgliederzeitschrift der Linken in Hamburg-Mitte, habe ich einen kleinen Text zur Stolperschwellen-Verlegung im Kontorhausviertel geschrieben, vor allem mit dem Blick, dass die Fraktionsvorsitzende, Ina Morgenroth, eine große Spende dafür geleistet hat. Ich stehe den bekanntlich sehr skeptisch gegenüber, aber immer, wenn ich Ina etwas frage, ist sie schneller im Antworten als ich am fragen, will sagen, sie überzeugt mich in den angefragten Dingen mit einem starken Verhalten.

Am 13. Februar 2021 wird eine Stolperschwelle im Kontorhausviertel verlegt, die an die Opfer der NS-Zwangsarbeitssystems erinnern soll. Ab 11 Uhr soll in einer virtuellen Kundgebung live über die Verlegung berichtet werden. Falko Droßmann, Bezirksamtsleiter Hamburg Mitte, wird einer der Redendensein.

Die Schwelle ist den Opfer der NSZwangsarbeitssystems gewidmet. Es waren italienische Militärinternierte, die von Dezember 1943 bis Mai 1945 u.a. im damaligen HeinrichBauer-Haus, in der Schützenpforte 11 kaserniert waren. Die Schützenpforte gibt es seit 65 Jahren nicht mehr, auch das Heinrich-Bauer-Haus ist abgerissen: Dort steht heute das Gebäude der Bauer Media Group – also derselbe Eigentümer.Bauer gehört zu den weltweit größten Zeitschriftenunternehmen. Erst im Januar 2020 wurde
bekannt, dass der frühere Geschäftsführer, Alfred Bauer, NSDAP-Mitglied war und sich die Familie am Raubkauf jüdischen Eigentums bis
1938/1939 beteiligt hatte.

Stolperschwellen werden gelegt, wenn es eine größere Anzahl an NS-Opfer an einem Ort gab und die Namen nicht mehr vollständig oder teilweise ermittelbar sind. So zum Beispiel auf dem Gelände der evangelischen Stiftung Alsterdorf, die an die Krankenmorde erinnert sowie hunderte Opfer, die später ermordet wurden. Die Stolperschwelle im Kontorhausviertel wird künftig an insgesamt 700 italienische Zwangsarbeiter erinnern. Sie verweist auch auf die Elbinsel Kaltehofe, von wo aus einst die Hamburger Wasserwerke Hamburg mit Trinkwasser versorgten. In der NS-Zeit waren hier Zwangsarbeiter u.a. auch
italienische Militärinternierte, von denen 14 aus dem Lager in der Schützenpforte kamen, eingesetzt. Seit 2016 erinnert ein Mahnmal an die
Zwangsarbeiter bei den Hamburger Wasserwerken auf Kaltehofe.

Seit September 1943 waren über 13.500 von rund 600.000 italienischen Militärinternierten nach Hamburg verschleppt worden. Sie wurden
im Laufe der Zeit auf über 200 Standorte in der Stadt verteilt – vor allem in öffentlichen Gebäuden wie Schulen oder im Hamburger Hafen.
Aber eben auch in Kontorhäusern.

„Es ist längst überfällig, dass an die italienischen Militärinternierten im NS-Zwangsarbeitssystem in Hamburg erinnert wird“, so Ina Morgenroth, Fraktionsvorsitzende der Linksfraktion in der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte. „Die von dem Einsatz profitierenden Unternehmen haben nach meiner Meinung noch heute Verantwortung zu übernehmen. Aber ich habe auch mich gefragt, was ich selbst praktisch tun kann. Also habe ich
einen Teil der Finanzierung der Stolperschwelle mit übernommen. Gäbe es nicht diese finanzielle Bereitschaft der Zivilgesellschaft in Hamburg, es
würden sicher weniger Stolpersteine auf den Gehwegen zu finden sein. Es gab eine halbe Million Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter in
der NS-Zeit von 1939/40 bis 1945. „Während die Stadt Hamburg von einer historischen Schuld spricht, wollen die feinen hanseatischen Unternehmen zumeist nicht an ihre Rolle in der NS-Zeit erinnert werden.“, meint Morgenroth. „So haben wir als Linksfraktion außerdem die Woche des
Gedenkens in Hamburg-Mitte angestoßen und freuen uns besonders, dass diese nun jährlich stattfinden wird. Ein weiterer wichtiger Baustein,
um der millionenfachen Opfer zu gedenken und die Gräueltaten der Nazis nicht vergessen zulassen.“

Ina Morgenroth greift noch ein weiteres Thema des NS- Zwangsarbeitssystem am Beispiel des Bezirks Hamburg-Mitte auf: „Welches Hamburger Hafenunternehmen hat eigentlich keine Zwangsarbeiter eingesetzt? Diese Liste wäre sichernschneller erstellt, als die der Profiteure.” Im Überseeheim auf der Veddel waren tausende Zwangsarbeiter gezwungen, zu leben.

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