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Holger Artus

Über das Zwangsarbeitslager in der Schule Schanzenstraße 105

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Seit dem 15. Oktober 1943 müssen etwas 400 italienische Militärinternierte in der damalingen Mädchenschule Schanzenstraße/Altonaer Straße eingewiesen worden sein. Die Schulleiterin, Emma Lange, schrieb am 1. November 1943 an die Schulverwaltung, dass vor 14 Tagen die „Italiner“ gekommen sein. Für sie wurden in den Schulräumen vom Erdgeschoss bis in den zweiten Stock Holzbaracken-Betten eingerichtet worden.

Von den 600.000 gefangen genommenen italienischen Soldaten seit dem 8. September 1943 sind 13.500 nach Hamburg deportiert worden. Die Zwangsarbeiterlager wurden in Schnellgang entschieden und eingerichtet. Vor allem wurde in staatlichen Gebäuden der benötige Platz geschaffen. Im Dessauer Ufer auf der Veddel wurden in den beiden Lagerhäusern F und G über 6.000 Plätze aufgebaut. Insbesondere in den Hamburger Schulen wurden Lager für die italienischen Soldaten, die den Status „italienische Militärinternierte“ bekamen, geschaffen. Es sollten Kapazitäten für 15.000 Gefangene gebaut werden. Sie sollten in der Kriegswirtschaft, also der Rüstungsproduktion, aber auch in der Aufrechterhaltung der Infrastruktur verwendet werden.

Die italienischen Soldaten kamen alle über das Kriegsgefangenenlager XB Sandbostel, in der Nähe von Bremervörde/Niedersachsen. Bisher sind 240 Namen der in der Schule internierten italienisichen Militärinternierten bekannt. Daraus ergibt sich, dass sie aus dem großen Lager am Dessauer Ufer, Lagerhaus Fkamen. Entweder direkt oder über das Zwangsarbeitslager in der Schützenpforte 11 im Hamburger Kontorhausviertel. Drei Namen wurden auch aus dem Lager Schilleroper hinter dem neuen Pferdemarkt gefunden.

Die Organisierung des Arbeitseinsatzes erfolgte über das Wehrkreiskommanda X, dass an der Alster saß. Aus dem Arbeitskommandos würde ich ergeben, wo und für welche Firmen die Zwangsarbeiter eingesetzt wurden. Das Kommando für die Schule Schanzenstraße hatte die Nummer 1088. Es gibt eine Übersicht aus der NS-Behörde, demzufolge 57 Prozent der italienische Militärinternierten zur Schutt- und Leichenbeseitigung eingesetzt wurden.

Es ist leider wenig über die Lebensbedingungen von ihnen in der Schule bekannt. Sie waren auf drei Stockwerke verteilt, das Lager war bewacht und sie mussten sechs Tage die Woche arbeiten. Aus Erzählungen ergab sich, dass die Hygiene in der Schule katastrophal gewesen sein muss. Viele Klo waren nicht benützbar. Wasser und Heizung war zu Beginn der Internierung noch defekt. Ob und wann sich das geändert hatte, weiß man zurzeit noch nicht. Was es gab, war ein 200 Liter-Kaffee-Behälter.

Den „arischen“ Deutschen waren die Italiener ein großes Übel und sie wurden als einstige Verbündete sehr schlecht nach ihrer Gefangennahme behandelt. Italien hatte nach dem Sturz von Musollini am 8. September 1943 ein Waffenstillstand mit dem Alliierten vereinbart und Tage später Deutschland den Krieg erklärt. Die deutsche Wehrmacht nahm die italienische Verbände im September 1943. Man bot ihnen an, in die Wehrmacht zu „dienen“, was aber die große Mehrheit ablehnte. Sie wurden so mit zu Zwangsarbeiter nach Deutschland verschleppt. Hier wurden sie als Verräter bezeichnet und ähnlich schlecht behandelt wie die sowjetischen Gefangenen. Von den 600.00 nach Deutschland verschleppten Italiener verloren über 50.000 ihr Leben. Von den über 12.000 Soldaten sind an die 1.000 verstorben. Sie verhungerten oder starben an Erkrankungen bzw, den Folgen eines Arbeitsunfalls. Es gab auch Erschießungen und Bomben-Opfer unter ihnen. Bisher sind keine Namen über italienische Opfer aus der Schule bekannt. Um dazu etwas zu sagen, bedarf es noch weiterer Recherchen. Bisher liegen nur 240 Namen vor, die Schulleitung sprach von 400. Es wird auch zu Abgängen aus dem Lager gekommen sein, weil sie einzelnen oder größere Gruppe wo anders benötigt wurden.

Die Hetze hatte verschiedene Erscheinungsformen. Sie waren auf der einen Seite „Verräter“ angesehen und mit Steinen beworfen, es gab kaum oder keine Luftschutzräume für sie. Der Rassismus der „Arier“ war aber auch im Alltag zu verfolgen. Die Schulleiterin, Emma Lange, ließ an ihnen keine gutes Haar. Sie waren zu doof zur Toilettenspülung, sie klauen und verwüsten die ganze Schule. In einem Schreiben an die Schulverwaltung vom 1. Dezember 1943 stellte sie die Frage, ob je ein deutsches Kind wieder in diese Schule einziehen wird.

Hamburg wurde am 3. Mai 1945 von der britischen Armee befreit. Im Juni 1945 wurden alle italienischen Soldaten in das Lager auf dem heutigen Lager von Planten & Blomen verlegt. Von dort ging es im gleichen Monat zurück nach Italien.

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