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Holger Artus

Zwei Kundgebungen im Februar 2021 zum gleichen Thema, aber unterschiedliche Ziele

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Im Februar 2021 sollen zwei lokale Kundgebungen in Hamburg zum gleichen Thema stattfinden, die italienischen Militärinternierten. Sie wurden als Kriegsgefangene zu Zwangsarbeit zwischen 1943 und 1945 in Hamburg eingesetzt. Insgesamt gab es in Hamburg 0,5 Millionen Zwangsarbeiter/innen.

Mit der Verlegung der Stolperschwelle am 13. Februar 201 im Kontorhausviertel dürfte ein ganzer Prozess abgeschlossen werden

Am 13. Februar 2021 soll die Stolperschwelle im Kontorhausviertel vor der Burchardstraße 11 verlegt werden. Vom Dezember 1943 bis Mai 1945 waren 700 italienische Militärinternierten im 11. Stock des Heinrich Bauer Haues untergebracht. Von hier ging es zu ihren Arbeitsorten. Das Lager wurde zu erst militärisch bewacht, später zog man die Bewachung ab, verbot aber die Reise zurück nach Italien. Die Räumlichkeiten im Kontorhaus waren von der Stadt beschlagnahmt worden und mit Standard Holzbetten ausgestattet worden. Die Lebensbedingungen in diesen Lagern waren furchtbar. Der Eigentümer erhielt für die Fremdnutzung Mietzahlungen, alles wurde vertraglich geregelt.

Mit der Verlegung der Stolperschwelle wird der angeschobene Prozess vom Januar 2020 beendet. Die Initiativen „Kein Vergessen im Kontorhausviertel“ und „Initiative Dessauer Ufer“ hatten am 75. Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz dazu aufgerufen, sich an diesem Tag vor dem Meßberghof im Kontorhausviertel zu treffen. Bewusst war der Ort nicht nur wegen dem Täterbezug Tesch & Strabenow gewählt. Sie waren Entwickler und Verkäufer von Zyklon B. Es wurde zum industriellen Massenmord vor allem im KZ Auschwitz, aber auch in anderen KZ, eingesetzt.

Es war die Absicht, in diesem Viertel vor den Betrieben die Beschäftigten über die „braune“ Geschichte dieses Unternehmensstandortes zu informieren. Aufgegriffen haben wir die vielen Raubkäufe jüdischer Unternehmen rund um die Burchardstraße, auf die Stolpersteine im Kontorhausviertel hingewiesen, des Einsatzes von Kriegsgefangenen als Zwangsarbeiters angesprochen und auf die Zwangsarbeitslager zum Thema gemacht. Zum damaligen Zeitpunkt hatten wir alle drei Standort für die italienischen Militärinternierten genannt, aber wegen der Spiegel/ZAPP-Veröffentlichung vom 15. Januar 2020 zur Unternehmensgeschichte der Bauer Media Group in der NS-Zeit uns Zurückhaltung verortet. Das Unternehmen selber, denen auch der Meßberghof gehört, hatte im Intranet im übrigen auf die Kundgebung hingewiesen.

Bewusst hatten beide Initiativen nach der Kundgebung auch noch eine Info verbreitet, wo wir unter dem Titel „Zurückgeben“ unsere politisch-moralischen Standpunkt deutlich gemacht: Unternehmen wie die Bauer Media Group, die historisch durch den Raubkauf eine Anlageform für ihre Gewinne in der NS-Zeit gefunden hatte, finanziell mehr machen müssen als nur einen Historiker zur Unternehmensgeschichte zu beauftragen.

Mit der Kundgebung am 8. September 2020, am Tag des Waffenstillstandes Italiens mit dem Alliierten 1943; der wieder angeschobenen Info-Arbeit gegeben über den Beschäftigten im Kontorhausviertel und wie bereits im Januar, der begleitenden Medienarbeit, hatten wir das Thema der NS-Zwangsarbeitslager für italienische Militärinternierte neu platziert. Mit dem Auftritt des Unternehmens und dem Statement der Unternehmensführung auf der Kundgebung hat es eine deutliches Zeichen gegen NS-Zwangsarbeit und für demokratische Werte in der Deutschland gesetzt, dass man nur begrüßen kann. Es steht noch die Beauftragung eines Historikers zur Unternehmensgeschichte in der NS-Zeit der Bauer Media Group an, aber es gibt keine Anzeichen, dass man davon Abstand nehmen will. Das Unternehmen hat ein ernstes Interesse, diese Geschichte aufzuarbeiten.

Mit der Verlegung der Stolperschwelle am 13. Februar 2021 dürfte es dann dauerhaft eine weitere Erinnerung an die NS-Opfer unter den italienischen Militärinternierten im Kontorhausviertel geben. Der vor 1 1/2 gestartete Prozess dürfte dann fast punktgenau abgeschlossen sein. Eine Vakanz im Gesamtprozess gibt es noch, aber auch die wird gerade angegangen und wird je nach Verlauf noch einmal für einen Aufreger sorgen oder es gibt von den Verantwortlichen einen souveränen Umgang damit. Auch hier haben wir uns Ruhe und einen längeren Atem auferlegt.

Mit der Kundgebung am 12. Februar 2021 im Schanzenviertel kann eun neuer Prozess angeschoben werden

Am 12. Februar 2021 findet einen Kundgebung vor der heutigen Ganztagsgrundschule Sternschanze statt. Es soll auch an ein Zwangsarbeitslager für die italienische Militärinternierte im Schanzenviertel erinnert werden. Insofern deckungsgleich mit dem Thema im Kontorhausviertel. Die Geschichte des Viertels in der NS-Zeit soll noch einmal belichtet werden. Es soll dazu 2021 noch weitere Aktivitäten geben.Sie zielen darauf ab, den Nachbarn ein Beteiligungsangebot zu machen, aktiv mit der NS-Vergangenheit umzugehen. Die Themen und Geschichten, die wir erzählen wollen, sind nicht alle neu, aber wir haben viele neue Unterlagen, so dass man neu auf die Geschichte gucken kann. Was wir machen ist der Versuch, die Geschichten im Viertel zu verbreiten. Mit der Kundgebung, der Form der Aufklärung, soll versucht werden, die Menschen anzusprechen. Ob sie zur Kundgebung, den andern Aktivitäten kommen oder nicht, sie werden eine Haltung entwickeln zu all dem. Zum anderen geht es um das generelle Thema der NS-Opfergruppe der italienischen Militärinternierten in Hamburg, im Kontorhausviertel gab es noch einen ganz konkreten Bezug und praktische Absicht. Da die Bundesregierung bisher ihre Entschädigung verweigert, ist dies eine der politischen Forderungen, die in diesem Prozess thematisieren und anlassbezogen in den öffentlichen Diskurs einbringen wollen.

Es gibt auch die Absicht, mit dem Thema des Zwangsarbeitslagers die NS-Geschichte der Schule in den beiden Wohngebieten links und rechts der Sternschanze nachvollziehbar zu erzählen. Die Nazi-Lehrer bis 1945 fanden danach wieder ihren Zutritt ins Hamburger Schulwesen. In der Schule Schanzenstraße wurden ehemalige NSDAP-Mitglieder nicht nur wieder Lehrer, sie waren bis 1982 auch Schulleiterinnen geworden – und hatten ihr ganzes NS-Gedankengut mit sich genommen. Allerdings hatten sich die Rahmenbedingungen für sie sich grundlegend geändert.

Die Hamburger Schulbehörde sieht sich aktuell nicht in der Verantwortung, einen Beitrag zur Aufklärung der Zwangsarbeitslager in über 30 Schulen in der NS-Zeit in Hamburg zu leisten. Es ist nicht ihr Thema. Das besonderen an dieses Zwangsarbeitslager liegt in der Tatsache begründet, dass hier italienische Militärinternierten untergebracht waren. Sollte es gelingen, das Thema der italienischen Militärinternierten in Zukunft mehr in die gesellschaftliche Debatte zu tragen, wird es auch um die Haltung der Schulbehörde gehen dürfen. Ich bin ein vorsichtiger Mensch, kann man das nicht sicher sagen. Sicher ist aber, dass die in meinen Augen ignorante Haltung der Schulbehörde mit zur Kundgebung am 12. Februar 2021 beigetragen hat. Was seit dem alles angeschoben wurde, war nicht von mir erwartet worden. Es ist war nicht davon ausgehen, dass es an deren Schulen ähnliche Aktivitäten geben wird, aber bisher ist die Platzierung des Thema gelungen. Ich hoffe, dass es nach dem 12. Februar 2021 wieder eine neue Lage gibt.

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