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Holger Artus

Über die Familie Heilbut aus der Schäferkampsallee 47

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Um nachharschaftsnah für eine Kundgebung am 15. Juli 2020 vor dem Bahnhof Sternschanze zu werben, habe ich eine Reihe von Infos geschrieben, die jeweils nur um die Adresse eines NS-Opfers in den Häusern verteilt wurden. Wer da nicht wohnte, bekam nichts davon mit. Es sind 20-40 auflagige Infos.

Ein Gesamtblick zur Kundgebung und den Infos im Vorfeld gibt es auf dem Blog www.sternschanze1942.de. Im Vorfeld der Kundgebung, die an die Deportation der jüdischen Menschen am 15. und 19. Juli 1942 erinnern soll, ist der Versuch, über eine Finanzierung eines Stolperstein für die Familie Heilbut ins Gespräch zu kommen mit der Nachbarschaft und den Gewerbeunternehmen. Hier der Wortlaut meiner Nachbarschafts-Info.

Es geht um die Familie Heilbut, die bis 1933 in der Schäferkampsallee 47 wohnte, dann aber in die Niederlande emigrierte. Das Gebäude gibt es nicht mehr. Heute befindet sich unter dieser Adresse das „NH Hotel Hamburg Mitte“ (inklusive Nummer 49).

Ab 1933 flohen über 50.000 jüdische Menschen aus Deutschland (und Österreich) in die Niederlande. Die Hoffnung, dass sie vor den Nazis geschützt waren, ging leider nicht auf. Am 10. Mai 1940 begann der Krieg Nazi-Deutschlands gegen die Niederlande. Mit der Besetzung der Niederlande begann auch hier die systematische Verfolgung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung. Der Angriff auf die Niederlande war Teil eines größeren Angriffsplans mit dem Codenamen Fall Gelb. Durch die Besetzung der Niederlande wollten die Nazis außerdem verhindern, dass Großbritannien eine Operationsbasis auf dem europäischen Festland errichten könnte. 75 Prozent der jüdischen Bevölkerung der Niederlande wurden unter der deutschen Besatzung von 1940 bis 1945 umgebracht. Drei der fünf Familienmitglieder der Heilbuts überlebten den Terror der deutschen Besetzer nicht – weil sie Juden waren.

Heinrich Heilbut,  war am 28. Mai 1891 in Hamburg geboren. Er war mit Fanny Heilbut, geborene Caro, geboren am 20. März 1893 in Hamburg-Eimsbüttel, verheiratet. Heinrich ging im Gymnasium Johanneum in Hamburg zur Schule und begann danach eine kaufmännische Lehre. Nach dem Überfall der Niederlande durch Deutschland wurde auch er im niederländischen Lager Westerbrook festgesetzt. Dies war 1939 von der niederländischen Regierung eingerichtet worden, um die zunehmende Anzahl an deutschen Flüchtlingen unterzubringen. Nach der Besetzung der Niederlande wurde den Juden ein Arbeitsverbot erteilt. 1941 wurden die sie dann als „Nicht-Bürger“ im „Polizeiliche Durchgangslager Westerbork“ festgesetzt und von dort in die Vernichtungslager im Osten deportiert.  Heinrich Heilbut wurde am 21. Juni 1944 in Bergen-Belsen ermordet. Fanny überlebte den Holocaust. Sie starb am 10. Oktober 1949 St. Marylebona in England. Ihr Sohn, Robert Heilbut, geboren am 26. Mai 1929, überlebte den Nazi-Terror. Beide konnten damals nach England fliehen.

Anders erging es ihren Kindern Arnold und Walter in den Niederlanden. Arnold Heilbut war am 22. Dezember 1922 in Hamburg geboren und ging wie Walter auf die Talmud-Tora-Schule. Sein Abitur schloss er in Amsterdam an der Höhere Handelsschule (HBS) ab. Er wollte Chemie studieren. Nach dem Überfall Deutschlands in die Niederlande war es nicht mehr möglich, sein Studium zu beenden: Am 11. Juni 1941 fand eine große Razzia der Nazis in Amsterdam statt. Über 300 jüdische junge Männer wurden verhaftet.  Arnold wurde ins KZ Mauthausen überführt. Ein paar Tage zuvor hatte der SS-Mann Klaus Barbie den „Judenrat“ aufgesucht und ersuchte sie, den ehemaligen Bewohnern des Arbeitsdorfs eine Nachricht zu senden, damit sie „keinen Schreck“ bekämen, wenn sie abgeholt würden. Und er forderte eine Liste mit den Namen und Anschriften. Über die Verhaftung von Arnold Heilbut schrieb Rian Verhoeven (Historikerin und Autorin des Buchs: „Anne Frank was niet alleen“). „Die Beamten durchkämmten das ganze Viertel auf der Suche nach jungen jüdischen Männern. Bei der Berlage-Brücke unweit des Merwedeplein nahmen sie zwölf Mitglieder des Ruderklubs Poseidon mit. Einige junge jüdische Männer wurden in letzter Sekunde gewarnt und suchten das Weite. Dieses Glück hatte der deutsche Jude Arnold Heilbut (18) nicht.“ Am 26. Juni 1943 wurde Arnold Heilbut “auf der Flucht erschossen”, wie es in der Nachricht an seine Eltern stand. Seine Eltern erinnerten an ihn in Traueranzeige im Het Joodsche Weekblad am 4. Juli 1941 in Amsterdam. Zum Zeitpunkt seiner Verhaftung hatte Arnold Tagebuch geführt, das heute im Jüdischen Historischen Museum in Amsterdam archiviert ist. 

Walter Heilbut war am 20. Juli 1920 in Hamburg geboren und ging hier zur Talmud-Tora-Schule. In Amsterdam lernte er ab Mai 1940 den Beruf des Schuhmachers, konnte die Ausbildung aber nicht beenden, da seinem Arbeitgeber verboten war, Juden zu beschäftigen. Er arbeitet dann als Hilfsbuchhalter in der jüdischen Gemeinde. Walter wurde am 20. Juli 1943 ebenfalls im Lager Westerbrook festgesetzt, am 15. Februar 1944 nach Bergen-Belsen deportiert und dort am 20. Juli 1944 ermordet.

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