Ansichten

Holger Artus

Unternehmensgeschichte am Beispiel des Heinrich Bauer Verlages in der NS-Zeit im Netz

Der Spiegel und das Medienmagazin des NDR, ZAPP, hatten die NS-Zeit der Bauer Media Group kürzlich beleuchtet. Alfred Bauer war in der NSDAP, er hatte sich an „Arisierung“, der Enteignung der jüdischen Menschen in Deutschland, beteiligt und davon profitiert. Profitiert meint hier die Tatsache der Beteiligung an der Aneignung jüdischen Eigentums, nicht mit dem Blick auf das Unternehmen. Während die jüdischen Eigentümer verkaufen mussten, hätte das Unternehmen auch nicht kaufen müssen. Nachteile wäre ihm nicht entstanden.

Bei einem Unternehmenskauf wurde von Alfred Bauer kein Goodwill bezahlt und der Warenbestand nicht ordnungsgemäß inventarisiert. Wenn euch das erpresserische Vorgehen am Beispiel der Chemischen Fabrik Kleemann nicht ganz vergleichbar ist, wenigstens konnten hier die Eigentümer den mordenden Verbrecher des Regimes entkommen. In beiden Fällen zog man sich von Kaufpreis auch noch seinen persönlichen Vorteil ab.

Im Netz haben sich jetzt zwei Web-Seiten mit der „Nazi-Geschichte“ von Alfred Bauer, des Unternehmens und der Rolle der damaligen Programmzeitschrift, Funk Wacht, beschäftigt. Ich finde es gut, das die Dokumente veröffentlicht werden, weshalb ich dazu etwas schreiben will.

Es werden weitere Dokumente aus der damaligen Zeit veröffentlicht. Wenn auch manchmal schwer verständlich, machen die Dokumente für mich auf das Problem aufmerksam, unter den Nazis davon einen Nutzen zu haben und aus wirtschaftlicher Sicht ein Unternehmen zu unterhalten. Ein Antifaschist, wie Heinrich Bauer sich im Lizenzverfahren 1949 darstellte, davon kann man bei diesen Unternehmensdokumenten m.E. nicht sprechen. Politisch und moralisch empfinde ich aus heutiger Sicht gegenüber den Opfern und Geschädigten als verwerflich. Das der Blog dieses Beispiel anführt, ist – denke ich – richtig.

Die Web-Seite https://alfredbauerverleger.wordpress.com widmet sich der NS-Zeit der Bauer Media Group an Hand verschiedener Themen. Es macht betroffen, wenn man liest, dass die jüdischen Eigentümer, die unter Zwang ihr Eigentum an Alfred Bauer verkaufen mussten, von den Nazis – wie viele andere Tausend Juden in Hamburg – ermordet wurden oder sich aus Verzweifelung das Leben nahmen. Die Namen der Täter wie z. B. in den Vernichtungslagern in Chelmno sind bekannt. Der Blog bleibt nicht bei 1945 stehen, sondern wirft die Frage auf, wie es danach um die publizistische Meinung in den Blättern des Unternehmens stand. Angesprochen wird ein Vorgang unter dem ehemaligen Chefredakteur der Praline, Jürgen Köpcke in den 1990er Jahre, als er gegen Geflüchtete gehetzt hatte, so die Darstellung. Das Beispiel des Military-Magazin „Landser“ wird ebenfalls angeführt. Nach Darstellung jüdischer Vereinigungen wurde hier die SS verherrlicht. Ob man diesen Bogen so ziehen darf, sei dahingestellt, moralisch kann ich es verstehen.

Die Web-Seite https://Funkwacht.wordpress.com beschäftigt sich mit der Funk-Wacht, der damaligen Bauer Programmzeitschrift. Nicht ganz klar wird im Blog, ob die Funkwacht erst 1933 untern den Nazis die Programmzeitschrift vom damaligen NDR, “Die Norag” übernahm oder noch vor dem Machtantritt des Nazis. Nach der Darstellung erfolgte der Aufschwung der Funkwacht erst nach der Übernahme der größeren Programmzeitschrift, der NORAG. Anhand von Erklärungen der Nazis in Funkwacht wird deutlich, welchen Zweck die Nicht-NSDAP Medien für sie selber hatten: Es ging darum, dass sie auf die Rundfunk-Sendungen hinweisen und dafür Werbung machen. Es wird an Hand von Ausgaben schon sehr deutlich, dass hier nicht eine unterhaltende Programmzeitschrift verlegt wurde, sondern massiv Propaganda für das herrschende Unrechtssystem. Man zuckt schon zusammen, wenn der sogenannte Marsch auf die Feldherrenhalle, für die Hitler eingeknastet wurde, von der Zeitschrift hochgelobt wurde. Das es eine Auftragsarbeit gewesen sei, dagegen sprechen die dargestellten Erklärungen, dass man schon Freiheiten hatten. Ungeklärt ist ein Konflikt des Unternehmens mit dem System aus 1935, wo es eine Karrikatur veröffentlicht, was angeblich gegen die „nationale Würde“ verstoße. Das Heinrich oder Alfred Bauer Stress hatten, signalisiert werden später Darstellung, dass sie untern den Nazis 11.000 RM Strafe zahlen mussten. Für was und warum, wird leider im Blog nicht erklärt.

Ich stecke nicht in den Unterlagen drin, bin Betrachter, aber ich frage mich schon, ob es ein Wort der Entschuldigung gegeben hat und ob man von dem – vielleicht auch der damaligen Zeit geschuldet – erworbenen Eigentum eine Form des Zurückgebens realisiert hat. Die Tatsache, dass das Unternehmen erklärt hat, es verfüge über keine eigenen Unterlagen, lässt mich aber vermuten, dass es so etwas wie ein Entschuldigung nicht gegeben hat. Daran würde man sich sicher erinnern können. Gut verstehen finde ich die Kritik von Kersten, die in dem Interview mit der Jungen Welt davon sprach, dass Nazis immer die anderen waren.

Wünschen würde ich mir einen guten Ausgang, der Bedauern und Entschuldigung beinhaltet und der eine Form des „zurückgebens“ beinhaltet.

Kommentare sind geschlossen.