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Holger Artus

Auch nach mehr als 70 Jahren kann man sich entschuldigen

Die Berichte des SPIEGEL und des NDR über die Aktivitäten der Bauer Media Group im Nationalsozialismus zeigen, dass das Unternehmen einen Umgang mit seiner Vergangenheit finden muss. Die demokratische Öffentlichkeit verlangt dringend Antworten und Aufklärung. Als international bedeutender Hamburger Medienkonzern trägt die Bauer Media Group eine besondere publizistische Verantwortung und hätte bereits seit langem seine Geschichte aufarbeiten müssen. Während Bertelsmann oder die DuMont-Mediengruppe selbstständig Historiker_innen beauftragt hatten, um die eigene Rolle im Nationalsozialismus zu erforschen, erweckte die Bauer jahrzehntelang den Eindruck, zwischen 1933 und 1945 hätte Stillstand geherrscht.

Wir erwarten, dass die Bauer einen angemessenen Beitrag leistet, seine geschäftlichen Aktivitäten, die Bedeutung seinerPublikationen in der NS-Zeit (Funk-Wacht, Mein Funk, Lesemappe, Welt von heute) wie auch die Rolle der Verlegerfamilie wissenschaftlich aufarbeiten lässt. Es muss herausgestellt werden, inwiefern sie von diesem Unrecht profitiert hat. Dies kann nur ein von Bauer unabhängiges Historiker_innen-Komitee leisten, das auch Einblick in die privaten Archive erhält.


Die Rolle von Bauers Programmzeitschriften „Funk Wacht“ bzw. „Mein Funk“ im Nationalsozialismus muss unmissverständlich aufgearbeitet werden. In ihnen fandFührerkult statt, sie reproduzierten Inhalte für die nationalsozialistische „Volksgemeinschaft“. Die Lehren daraus sind bedeutend für Medien in der demokratischen Gesellschaft und welche Schutzmaßnahmen nötig sind, um die Freiheit der Medien einerseits zu sichern, andererseits aber die publizistische Verantwortung hoch zu halten. Die Bauer Media Group muss daher auch ihr Portfolio von der Nachkriegszeit bis heute aufarbeiten und politisch einordnen.

„Das Unrecht der Entrechtung und Beraubung und dessen Folgen für die Gegenwart sollte uns bewusst sein. Die Nachgeborenen sind nicht schuldig an diesem Unrecht, das ihre Vorfahren begangen und geduldet haben. Aber all jene, die es potenziell betrifft, können in der Auseinandersetzung mit den Verbrechen der NS-Zeit das Gefühl zulassen, den Nachkommen der kollektiv geschädigten Menschen etwas schuldig zu sein. Und wir alle Nichtjuden_innen und Juden_innen, die Nachkommen der Täter und der Mitläufer, aber auch die der Opfer – können uns für unsere gemeinsame Zukunft verantwortlich verhalten durch die Förderung und Unterstützung einer lebendigen und vielfältigen jüdischen Kultur in Deutschland“ (Zitat, Stiftung Zurückgeben)


Unser Appell an die heutige Eigentümerin Yvonne Bauer lautet: Arbeiten Sie gemeinsam mit zivilgesellschaftlichen Einrichtungen und unabhängigen Historiker*innen die Geschichte des Unternehmens auf. Beteiligen Sie die Beschäftigten.

(Ko-Autor für eine Presse-Erklärung der „Initiative Dessauer Ufer“ und „Kein Vergessen im Kontorhausviertel„)

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