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Holger Artus

“Betreff: Ergebnisse des SZ-Streik 1999”

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Beim ordnen der Unterlagen über den Streik in der Sächsisichen Zeitung 1999, um sie dann ins Archiv für soziale Demokratie zu senden, bin ich wieder über spannende Dokumente aus diesem Streik gestolpert. Natürlich achtet man dabei auch auf seine eigenen Papiere ;-). Bei klarem Blick für meinen Platz im Streik, war meine Rolle vor allem in der Organisierung der Öffentlichkeit nach außen und innen.

Nach außen waren die Hintergrundgespräche mit den Medien, das briefen der Journalisten/innen, also das aktive zu anrufen, an der IG Medien vorbei. Innen meinte vor allem die Betriebsräte von Gruner+Jahr. Jetzt habe ich meine Mail an die G+J-Betriebsräte vom 19. Dezember 1999 gefunden. Da ich vor Ort war, hatte ich noch die Streikversammlung über die Verkündung des Verhandlungsergebnisses abgewartet, dann aber schnell geschrieben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Gewerkschaften und die Konzemleitung haben sich am Sonntagmorgen auf ein Verhandlungsergebnis in der SACHSISCHEN ZEITUNG verständigt, was ihr beiliegend findet (IG Medien-Papier). Urabstimmung ist am Montag von l2 – l4 Uhr.

Auf einer Streikversammlung heute Mittag wurde das Ergebnis mit Begeisterung aufgenommen. Die Gewerkschaften haben um 16.30 Uhr über die Ergebnisse die Presse informiert. Es wurden zwei Tarifverträge und eine Vereinbarung zwischen Betriebsrat und Geschäftsleitung ausgehandelt.

Ich will mit meiner ersten, spontante Bewertung nicht hinter dem Berg halten. Das Ergebnis stellt einen grossen Erfolg für die Beschäftigten der SACHSISCHEN ZEITUNG dar. Es war der erste engagierte Versuch, sich mit politischen Möglichkeiten gegen eine Ausgliederung einer wirtschaftlich erfolgreichen Zeitung zu wehren. Andere Abo- Zeitungen waren diesen Weg bereits vorher gegangen (wie z. B. die Rhein-Zeitung, die Ostsee-Zeitung oder die Magedeburger Volksstimme), ohne das es auch nur einen nenneswerten Protest gegeben hatte. Die Absicht,des Konzerns, die Gewinnsituation durch Reduzierung der Personalkosten in den Lokalredaktionen bzw. Geschäftsstellen mittels Tarifflucht zu verbessern, wurde mit diesem Abschluss durchkreuzt. Am Ende ging es nur noch darum, den politischen Schaden, der durch die Ausgliederungspläne für G+J entstanden war, zu minimieren. Es war ein lokaler Streik, der grosse publizistische Begleitung erfahren hat – aber nicht für die Tarifflucht der Geschäftsleitung.

Der Streik der Beschäftigten der SZ war am 22.11.1999 mit einem Warnstreik gestartet, der über ging in eine Urabstimmung bzw. unbefristeten Streik. Der G+J-Vorstand, wenn ihr euhc noch an die Betriebsräte-Vollkonferenz und den Auftritt von Dr. Kundrun erinnert, hatte nicht mir dem Widerstand der Beschäftigten gerechnet. Die Gewerkschaften haben sich erst zu einem sehr späten Zeitpunkt gegen die Ausgliederungspläne engagiert. Während des Streik wurde immer wieder deutlich, dass sich die Streikenden nicht von Gewerkschaftsfunktionären instrumentalisieren wollten. So wurde z. B. der Landesbezirksvorsitzende der IG Medien Südost während einer Streikversammlung massiv unterbrochen, weil er nur gelabbert hatte.

Dank der engagierten Streikführung und der Bereitschaft, die Aktivitäten in die eigenen Hände zu nehmen, haben die Streikenden viel Ideen und Phantasien entwickelt, und ihre Entschlossenheit verdeutlicht. Sie haben dies auch vor dem Hintergrund einer Identität zur Zeitung getan. Dies war eine Grundlage für einen der längsten Streik in den Printmedien. Es war ein politischer Streik gegen Unternehmensausgliederungen und Tarifflucht.

Das Engagement und die Organisation vor und im Betrieb hat auch einen Beitrag dazu geleistet, dass Beschäftigte und Betriebsrat nicht gegeneinander ausgespielt werden konnten. Die Ausgrenzung des Betriebsrat bei den Tarifauseinandersetzung in der Druckerei der Magdeburger Volksstimme durch die Gewerkschaften wurde ebenfalls verhindert. Damit ist ein gute Basis für die Umsetzung der Streikergebnisse und deren Auswertung geschaffen worden. Kritische Betrachter (zu denen ich auch gehöre) haben während der gesamten Streikaktivitäten auf die Schwächen der IG Medien vor und während des Streiks verwiesen. Die Nähe zu allen Beschäftigten, die Identität zur Zeitung stellen an die gewerkschaftliche Offentlichkeitsarbeit eine grosse Herausforderungn dar. Plumpheit und Phrasen finden bei aufgeschlossenen und engagierten Menschen wenig Nährboden.

Die Streikaktivitäten in der SZ wurde durch eine enges Netz auch unter den G+J- Betriebsräten begleitet, so dass es dem Konzern auch nicht gelungen ist, hier moralisch in die‘Vorhand zu kommen. Völlig überraschend für die Konzernleitung war auch die aufgeschlossene und gutinformierte 😉 Presse. Sie hat einen nicht unwesentlichen Anteil daran, dass nicht Nebenkriegschauplätze zur Desorganisierung des Streiks genützt werden konnten.

Die Debatte zum Abschluss und die Schlussfolgerungen über die Streikergebnisse werden über die SZ hinaus von Bedeutung sein. Sie sollte schnell eröffnet und strittig geführt werden.

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Tarifeinigung beim Dresdner Druck- und Verlagshaus in Sicht

Urabstimmung über das Verhandlungsergebnis am Montag, 20.12.1999, 12 bis 14 Uhr


Dresden, 19.12.1999

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