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Holger Artus

ver.di/dju auf dem Weg in die Isolation

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Das im Juli 2018 zwischen den Zeitungsverlegern und der größten Journalistengewerkschaft, dem DJV, erzielte Verhandlungsergebnis über eine Gehaltserhöhung für die Redakteure/innen wurde von der ver.di Verhandlungskommission damals nicht übernommen. Zwischenzeitlich hat der DJV den Abschluss bestätigt und auch die Verlegergremien haben dem zugestimmt. Jetzt hat eine Abstimmung unter den am Streik beteiligten Zeitungsredaktionen und in ver.di organisierten Beschäftigten stattgefunden, ob man sich dem Abschluss (des DJV) anschließt oder ihn ablehnt. Das Ergebnis: Eine Mehrheit von 62 Prozent der Befragten ist dagegen, informierte die Gewerkschaft am 11.Oktober 2018. Damit dürfte das von verdi/dju mit ihrer Positionierung angerichtete tarifpolitische Chaos “Nichtübernahme des Verhandlungsergebnisses” noch größer geworden.

Die kleine und unter den Redakteuren/innen bedeutungslose Gewerkschaft ver.di wird tariflich nichts anderes bewirken können, um einen höheren Abschluss zu erzielen. Um Macht zu entfalten, bedarf es der Kraft der Organisation. Diese ist unter den heutigen konkreten Bedingungen nur auf Basis eines geeinten Vorgehens vom DJV und ver.di zu entwickeln. Das man mit dem Ausscheiden die bestehende und bewährte Tarifgemeinschaft mit dem DJV schwächt, ist für sich genommen schon eine fragwürdige Aktion, wenn auch sicher immer eine taktische Option. Strategisch ist es völlig neben der Spur: Die Mobilisierungsfähigkeit beider Gewerkschaften ist heute schon im Keller.

Wer glaubt, dass man eine abweichende Tarifregelung auf Ebene von Häuserkampfes erreichen könne, die auch andere erreicht und in eine neue Auseinandersetzung führe, wird keine Basis vorfinden für eine streikfähige Durchsetzung. Die dju spricht davon, dass am sich am 5. November beraten will. Man ist sich seiner Optionen bewusst und wird sich eher überlegen, wie man verbalradikal irgendwie später aus dieser Nummer heraus kommt. Mit der reinen Abstimmung und keiner erarbeiteten Perspektive demonstriert man seine vollständige Ohnmacht. Zur Zerlegung der eigenen Kraft gehört bereits jetzt, dass der DJV-Abschluss alle Redakteure/innen die Erhöhung erhalten dürften, also auch die ver.di-Mitglieder.

Wollte man einen eigenen Flächen-Abschluss erzielen, bedürfte es dazu zwei Parteien. Neben ver.di auch den BDZV, den Unternehmerverband, der sich auch noch länderseitig organisiert, also braucht man theoretisch auch noch deren Landesverbände. Wenn der/die nicht wollen, macht ver.di dicke Backen. Ein Streik ist weder den eigenen Mitgliedern, noch den Redaktionen und denen im DJV organisierten Kolleginnen und Kollegen zu vermitteln, was die Voraussetzung für Kampfkraft wäre. Aus allen Tarifauseinandersetzungen in der Medienbranche ist bekannt, dass die Arbeitgeber in betrieblichen Auseinandersetzungen sehr wohl auch in der Lage sind, zielgerichtet Gegendruck in den Redaktionen aufzubauen. Auf der betrieblichen Ebene ist es wesentlich leichter, den Beschäftigten einen Schrecken einzujagen als in einer Flächenauseinandersetzung, wo die wirtschaftliche Lage der Zeitungen eine abstrakte ist – und auch die Auseinandersetzung darüber.

Die Zeitungsbranche ist in einer kompletten digitalen Transformation, früher oder später werden auch die Lokalzeitungen unter größeren wirtschaftlichen Druck in ihrem alten Kerngeschäft „Print“ kommen, die Boulevardzeitungen sind es heute und die regionalen Abo-Zeitungen sind mittendrin. Die Streikbeteiligung und die Anzahl der Streikunternehmen sind in den vergangenen 15 Jahren unter der den Zeitungsredaktionen wesentlich zurückgegangen. Man muss sich zusammen, DJV und ver.di, neu formieren. Die bisherige agitatorische Tarifstrategie von ver.di in den Zeitungsredaktionen hat nur geschwächt und den Grad der Isolierung erhöht. Nicht die verbal-radikale Phrase ist angesagt, sondern Neuaufbau der Beziehungen in die Redaktionen und eine handverlesene Betriebs- und Unternehmensarbeit, die wieder eine Chance eröffnet, Menschen an die Gewerkschaftsbewegung zu binden. Die Chancen, sich in der Transformation neu aufzustellen und mehr Redakteure/innen und neue Berufsgruppen für sich zu gewinnen, sind gegeben. Die Transformationsstrategie der Zeitungsunternehmen führt auch wegen dessen hin und her deren Verlust an Glaubwürdigkeit in den Redaktionen und damit auch deren Bindungsfähigkeit. Wirtschaftlich kommen die Verleger mit dem aktuellen Vorgehen nicht aus den Problemen ohne weiteres heraus. Eine Konsoldierungsstrategie des Aufkauf und der Kooperation, der Prozesszentralisierung und -standardisierung alleine löst ihre Abhängigkeit von Print nicht. Plump agitatorische Phrasen der Gewerkschaften DJV und ver.di helfen in dieser Umbruch- und Orientierungsphase nicht.

Was wird passieren? Jetzt lehnt ver.dinab, lässt den Zustand „offen“ und irgendwann 2019 wirft man in ver.di die Frage auf, ob man nicht doch dem Abschluss beitritt. Dann wird in den Gremien entschieden, dass man den Abschluss 2018 übernimmt. Spätestens zur nächsten Tarifrunde 2020 muss man strukturiert sein, will man sich nicht in der Unkenntlichkeit als ver.di selber suchen.

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