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Holger Artus

Wo steht die Funke Mediengruppe heute im Lesermarkt?

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<Die Neuorganisation des Lesermarkts in der Funke Mediengruppe nimmt für die Entwicklung der Unternehmensstrategie – auch im Zusammenhang mit der neuen Digitalstrategie –  einen wichtigen Platz ein. Die Vertriebsumsätze sind langfristige Umsätze, die relativ stabil zu kalkulieren sind. Das Zeitungsgeschäft der Funke Mediengruppe macht 58 Prozent des Gesamtumsatzes aus. 2016 betrug der Umsatz der Zeitungssparte 763,4  Mio.€

Umsatz regionale Medienhäuser der

Funke Mediengruppe

2016

2015

davon

Zeitungen

592,1 Mio. €

617,4 Mio. €

Anzeigenblätter

171,3 Mio. €

172,2 Mio. €

Quelle: Bilanz 2016/2015
Unterstellt man, dass ⅔ der Umsätze aus dem Vertriebgeschäft  kommen, so dürfte der Zeitungsverkauf vom Volumen rund 400 Mio.€ realisieren. Während das Anzeigengeschäft massiv rückläufig ist, führt die Copy-Preis-Strategie bei den Zeitungstitel (Preiserhöhung) dazu, dass es in diesem Zweig noch eine stabile Lage gibt.

Abo ist Hauptform des Zeitungsverkaufs

Die Hauptform des Zeitungsverkaufs ist das Abonnementsgeschäft. Funke verkaufte im II/2018 insgesamt 920.254 Zeitungs-Exemplare über das Abo. Das sind 93,9 % des “harten Verkaufs” (Abo und Einzelverkauf).

Auflage der Zeitungstitel der Funke Mediengruppe nach Vertriebsarten II/2018

II/2018

verkaufte

Auflage II/2018

Abo

Einzel

Verkauf

sonstiger

Verkauf

WAZ Gesamt NRW

502.336

466.242

19.811

16.220

Mediengruppe Thüringen

233.242

218.977

8.899

5.366

Braunschweiger Zeitung

72.365

65.418

2.797

4.150

Hamburger Abendblatt

165.258

124.196

21.054

15.565

Berliner Morgenpost

78.766

45.421

7.004

15.211

1.051.967

920.254

59.565

56.512

Quelle: IVW

Im Vergleich II/2018 zu II/2017 gingen die Abos um 7,5 Prozent zurück. Dieser Rückgang setzt sich aus Abbesteller und Neukunden zusammen.

Aus langfristiger Unternehmensplanung kann die Entwicklung des Vertriebs zwingend nur über neue Abos gesichert werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass dafür erhebliche Mittel aufgewendet werden müssen. Vor zehn Jahren lagen die Kosten für eine Neukundengewinnung/Bewerbung in der Zeitungsbranche bei rund 150 €. Schaut man nach Berlin, wo sich die Berliner Morgenpost in einem sehr harten Wettbewerb behaupten muss, so sind die hohen Investitionen für die Neu-Kundengewinnung eines der Gründe war, dass sich alle drei konkurrierenden Zeitungsunternehmen 2016/2017 hingesetzt hatten, um diesen Wettbewerb neu zu gestalten. Ein Ziel war, zu einer Kostenreduzierung zu kommen. Ob Tagesspiegel, Berliner MOPO oder die Berliner Zeitung, sie sind seit längerem mit defizitären Ergebnissen in Berlin konfrontiert. Ihre Sanierung wird durch den Wettbewerb um die Neukundengewinnung herausgefordert.

Entwicklung Abo-Auflage II/2017/2018 und 2013/2018

II/2018

Abo II/2018

Abo II/2017

Differenz

II/2018 zu

II/2017

Abo 2013

Differenz

II/2018 zu II/2013

WAZ Gesamt NRW

466.242

491.428

./. 5,1 %

632.158

./. 26,3 %

Mediengruppe Thüringen

218.977

227.404

./. 3,7 %

267.049

./. 18,0 %

Braunschweiger Zeitung

65.418

67.515

./. 3,1 %

77.266

./. 15,3 %

Hamburger Abendblatt/
Bergedorfer Zeitung

124.196

129.587

./. 4,2 %

165.164

./. 24,8 %

Berliner Morgenpost

45.421

49.090

./. 7,5 %

71.040

./. 36,1 %

920.254

965.024

./. 4,6 %

1.212.677

./. 24,1 %

Quelle: IVW

Strategische Herausforderungen

Durch den Medienwandel hin zu mehr und mehr virtuellen Medien über verschiedene Ausgabegeräte (Devices), bleibt die gedruckte Zeitung weiter unter dem Druck des Auflagenverlusten. Früher oder später wird auch der Vertriebsumsatz rückläufig werden. Durch eine Kostensenkungsstrategie kann dem entgegengewirkt werden, aber nicht das Problem lösen. Auch eine reine Lokalisierung bekommt das Problem nicht in den Griff und es gibt keine Schwelle, unter der eine Abo-Auflage nicht mehr fallen würde.

Die jüngste Darstellung der Digitalisierungsstrategie der Funke Mediengruppe weist darauf hin, dass man mehr digitale Vertriebsumsätze erzielen will. Klassisch sind das aktuell die ePaper Exemplare.

Tabelle ePaper von Funke II/2017 zu II/2018

ePaper Abos II/2018

ePaper Abos II/2017

WAZ Gesamt NRW

32.693

25.636

Mediengruppe Thüringen

5.076

3.323

Braunschweiger Zeitung

3.087

2.154

Hamburger Abendblatt

8.204

5.203

Berliner Morgenpost

2.118

1.736

51.178

32.849

Quelle: IVW

Die Herausforderungen für künftige Lesermarktstrategien beschreibt der Geschäftsführer der überregionale NZZ aus der Schweiz. Ein “ Omni-Channel-Ansatz für die Veröffentlichung der Publikationen hat NZZ dabei geholfen, wöchentlich für die verschiedenen mobilen Apps und Webseiten mehr als 2,5 Millionen digitale Leser weltweit zu gewinnen. Hinzu kommen 150.000 zahlende Print- und digitale Abonnenten.” Künftig dürfte es mehr Leserbeziehungen im Zusammenhang mit digitalen Produkte geben, als man es sich heute vorstellen kann.  Dazu bedarf es der technischen Möglichkeiten, diese Beziehungen zu führen und zu pflegen. Das Internet, die Datenbank-Technologie u.a.m. bieten dafür umfassende Möglichkeiten.

In der digitalen Welt verändert sich die Kommunikationsbeziehung zu den Kunden. Heute will  ein Medienunternehmen mehr Umsatz aus den Beziehungen generieren wie man im Gegenzug wissen muss, was den Kunden interessiert. Nicht im Sinne, kann ich ihn für eine Leserreise gewinnen oder andere Formen von Zusatzumsatz oder Kundenbindung. Im abstrakten Sinne geht es darum, dass ich das  Verhalten des Kunden kenne, weiß, was ihn interessiert, was seine Vorlieben sind etc. und daraus Lösungen entwickeln. Aus der Lagerhaltung von Amazon weiß man mittlerweile, welche Verkaufstrend zu erwarten sind, so dass die Produkte schnell im Zugriff sind etc. Es können also Informationen über das Kundenverhalten auch Aussagen zu seinem künftigen Verhalten getroffen werden.  In der papierenden Welt war die Kundenbeziehung mehr eine Einweg-Beziehung, vom Verlag zum Kunden: Er bestellt und kündigt. Wenn etwas nicht mit der Zustellung klappte, erfuhr man es auf die eine oder andere Weise im besten Fall über das Call-Center, den Kundenservice. Aber über den Kunden wusste man außer der Adresse, der Unterbrecher-Meldung relativ wenig.

Will man als Verlag in der digitalen Kommunikationslandschaft eine Rolle spielen, muss man an die Daten seiner Kunden kommen. Theoretisch wissen die Unternehmen, was der Kunde sich um Netz anzieht, welche Themen ihn interessieren uvam. Aber man muss ihrer habhaft werden. M/SD von SAP hilft dem Unternehmen dabei nicht, da es hier nur um die Abo-Verwaltung geht. Es bedarf weiterer technischer Lösungen, wie z.B. ein modernes CRM. Ein weiteres Sichtwort im künftigen Vertriebsmarkt ist der Auf- und Ausbau der Personalisierung des Angebots. Dazu gehört auch eine weitere Verzahnung von Vertriebs- und Anzeigenkampagnen.

Der Lesermarkt sichert die Umsatzplanung und damit Finanzierung der Gruppe langfristig mit ab. Die Abo-Auflage wird weiter zurückgehen, der Preis pro Exemplar würde steigen, so dass man hier eine mittelfristige Optimierungsstrategie verfolgen wird. Die Automatisierung und Standardisierung der Abläufe trägt zur Reduzierung der Sachkosten bei. Die Kundenbeziehung wie deren technische „Reisebegleitung“ wird durch neue Software im umfassende Sinne erfasst, es kommt zu neuen Produkten bis hin zu einer Personalisierungsstrategie in den Zielgruppen. In diesem Zusammenhang werden Lesermarkt- und Vermarktungskampagnen mehr verzahnen, es kommt zu einer einheitlichen Kundendatenbank, die aber nur im Zusammenhang mit einem einheitlichen CRM einen Sinn hat.

Früher oder später werden diese Informationen sich in die Cloud verlagern. Service ausgerichtete Tätigkeiten im Sinn der Datenpflege werden abnehmen. Die Transformation der Kundenbeziehung von der klassischen Ein-Weg-Beziehung – im Sinne des wirtschaftlichen Interesse des Unternehmens – zu einer Hin- und Zurückbeziehung ist die eigentliche Herausforderung im Lesermarkt-Geschäft.

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