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Holger Artus

Zum 100. Geburtstag von Erika Krauß

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Erika Krauß war uns ein Anliegen, im Alltag haben wir uns insbesondere um sie gekümmert. Es ging um die Sicherung ihrer Monatspauschale, die das eine oder andere Jahr gefährdet war, es ging um immer mal wieder zusätzliche Mittel. Die Gleichgültigkeit der anderen ihrer Person gegenüber, die Nicht-Schätzung älterer Menschen trieb uns auch. Aber sie zählte auch für einen großen Teil unserer MOPO-Geschichte. Wer konnte von sich sagen, 50 Jahre bei ihr zu sein? Wir haben dann auch ihren 100, Geburtstag in der MOPO im Haus angeschoben. In Anwesenheit einer Senatsvertreterin haben wir an sie erinnert. Die Führung lies sich nicht sehen, sie wollte diese Feier nicht.

Am 6. Februar 2017 wäre Erika Krauß 100 Jahre alt geworden. Seit Anfang der 1950 Jahre war sie als Pressefotografin für die MOPO tätig. Ihre Fotos dokumentieren nicht nur das Geschehen in Hamburg, sie spiegeln auch ein Stück der Geschichte der Hamburger Morgenpost, die 1949 gegründet wurde, wieder. Wir waren mal die angesagteste Zeitung der Stadt. Zu Höchstzeiten verkauften wir 367.000 Zeitungen im IV. Quartal 1967. Die aktuellen Themen und die Bilder in der Zeitung, das waren die morgendliche Lektüre in U- und S-Bahn bzw. der Straßenbahn. In dieser Aufschwungsphase kam Erika nach Hamburg und ihre Bilder dokumentieren diese Zeit. 

Im schlesischen Karski in der Provinz Posen wurde Erika Krauß während des Ersten Weltkrieges geboren. Ihr Vater war Wanderlehrer bei der Reichsbahn und sie zogen fast jedes Jahr um, bevor sie in Berlin sesshaft wurden. Nach Vorstellung ihrer Eltern sollte sie Wirtschaftswissenschaften studieren. Später sagte sie: „Dafür bin ich nicht geeignet, ich kann nicht lange sitzen, ich muss unter Menschen, muss alles sehen und hören.“ In der deutschen Hauptstadt als Kamerafrau ausgebildet, hat sie ab 1942 bis 1944 an Ufa-Filmen mitgewirkt. Der Krieg führte sie später nach Österreich. Weil die Filmindustrie nach dem Zweiten Weltkrieg daniederlag, verschaffte sie sich ein zweites Standbein, erwarb den Meisterbrief für Fotografie auf abenteuerliche Art und Weise. In nur drei Tagen waren alle Prüfungen der Neueinsteigerin erledigt. Sie begann ihre Arbeit bei einer Freundin in Düsseldorf. Doch sie wollte nach Hamburg.

Der STERN und der SPIEGEL im Speersort wollten sie nicht nehmen: „Frauen nehmen wir nicht, geh‘ mal runter zu Bucerius oder gleich in den ersten Stock, da hat eine neue Zeitung aufgemacht, “ erzählte sie später über diesen ersten MOPO-Kontakt. Heinrich Braune, Chefredakteur der ein Jahr zuvor gegründeten „Hamburger Morgenpost“, engagierte sie als freie Mitarbeiterin. Nie wollte sie sich an ein festes Anstellungsverhältnis binden lassen, meinte sie später. „Da bin ich stur“, zitiert sie das Hamburger Abendblatt zu ihrem 90. Geburtstag 2007. In einem Interview mit dem WDR schildert sie ihren ersten Arbeitstag: „Ein menschenleerer Flur, nur wenige am Arbeiten. Irgendwie feierten sie Geburtstag und waren schon lange am Trinken. ‚Wenn du eine Zeitung mitmachen kannst, hilf mir‘, sagte der Blattmacher zu mir.“

Erika Krauß hat es sich und das Leben hat es ihr nicht leicht gemacht. Sechs Kinder brachte sie zur Welt (zwei leben nicht mehr), sechs Enkelkinder waren es zu Lebzeiten. Ihr Mann starb nach dem letzten Krieg, von ihrem zweiten Mann trennte sie sich 1972. Sie wohnte zum Schluss in St. Georg.

 Die Liste der Prominenten dieser Welt, die sie vor die Kamera bekommen hat, nimmt kein Ende. Sie reicht von Charles de Gaulle bis Bill Clinton, von Nikita Chruschtschow bis Wladimir Putin, vom Schah von Persien bis Königin Silvia von Schweden, von Königin Elizabeth II. bis Prinz Charles und Lady Diana. Erika lichtete eine übellaunige Marlene Dietrich ebenso ab wie einen aufgeräumten Alfred Hitchcock, der sich in Krimimanier ein Messer an den Hals hielt. Als einzige, sagte sie einmal stolz, hat sie Heinrich Braune und Axel Springer in trauter Eintracht im Bild festgehalten. In jüngeren Jahren machte sich Erika Krauß auch als Theaterfotografin einen Namen. Gustaf Gründgens, bis 1963 Generalintendant am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg, ermahnte sie damals: „Langsam, Erika! In der Eile steckt der Teufel.“

Erika Krauß und Henning Voscherau

Erika Krauß war regelmäßig bei Bürgerschaftssitzung dabei und machte ihre Fotos. 13 Hamburger Bürgermeister hat sie in Bildern festhalten. Die kleine Frau war bekannt, vor allem durch ihren schwarzen Hut. Im Dezember 1999 erhielt sie den Alexander-Zinn-Preis der Stadt Hamburg. Der damalige Hamburger Bürgermeister, Ortwin Runde, würdigte anlässlich der Preisverleihung Erika Krauß als eine „Frau mit Format, eine originelle und originale Bildgestalterin sowie markante Foto-künstlerin, die Hamburgs Fotogeschichte mitgestaltet hat. Sie ist die bekannteste Hamburger Fotografin. Ob Staatsbesuche, ob Rathauspolitik, ob Premieren oder Vernissagen – alles spiegelt sich in der Linse ihrer Kamera. Dass Erika Krauß zu denen gehört, die uns mit einem Foto eine ganze Geschichte erzählen können, wissen wir.“ Auf der MOPO-Feier zum 50jährigen  Bestehen der Zeitung, sprach er in seiner Rede von „unserer Erika”. 

Im so genannten Quartier „Neue Mitte Altona“, in der Nähe des Altonaer Bahnhofs, werden neue Wohnungen gebaut. Das Gebiet sollen rund 3.500 Wohnungen gebaut werden. Eine Straße in dem neuen Wohngebiet wird künftig den Namen „Erika Krauß Twiete“ bekommen. Der Senat hatte im November 2016 entschieden, insgesamt 14 Straßen in dem künftigen Wohngebiet nach Frauen-Namen zu benennen. 

Kolleginnen und Kollegen von Erika Krauß

Erst kürzlich, zum 70. Bestehen der Hamburgischen Bürgerschaft, Ende November 2016, wurden Bilder von Erika Krauß für eine Inszenierung im Kaisersaal des Hamburger Rathauses  verwendet. Michael Batz, Autor, Dramaturg, Regisseur und Lichtkünstler, für uns vor allem für seine Licht-installationen in Hamburg bekannt geworden (Blueport, Elbphilharomie u.a.m.), meinte zu den Bilder von Erika Krauß, dass es sehr schöne Bilder gewesen sind. Sie haben einen sehr persönlichen Charakter. Es wurden nicht einfach nur Politiker abgelichet. Es sind sehr liebvolle Bilder aus der Nähe, nicht einfach nur ein Schnappschuss. „Ich habe mich sehr gefreut, diese Bilder für die Inszenierung zum 70. Jahrestag der Hamburgischen Bürgerschaft verwenden zu können. Sie zu zeigen, war auch eine Hommage an Erika Krauß.“

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