Ansichten

Holger Artus

Es ist gar nicht einfach, zu erklären, was man praktisch tut

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Vor zwei Wochen würde ich auf einer Geburtstagsfeier gefragt, wie es auf der Arbeit läuft. Eine einfache Frage, die schnell beantwortet war: Alles ok. Etwas mehr Dialog war schon erwartet, also sagte ich auf Nachfrage, dass meine Arbeit sich nicht im unmittelbaren Output misst, sondern an aufgeschobenen Prozessen und gesetzten Themen. Ich habe seit über zwei Jahren einige Projekte laufen. Hier bin ich im Plan, aber wo es endet und ob es einen Endpunkt hat, weiß ich noch jetzt immer weniger. Meine Grundannahme ist richtig, aber die Faktoren habe ich falsch bestimmt. Damit war der Dialog beendet. Das Geburtstagskind senkte den Kopf.

Wie über den Teil der Arbeit reden, die einen konkreten Bezug hat, aber die damit beginnt, dass man sich eine Skizze macht, wo man hin will und welche Abhängigkeiten es gibt, also ob man andere Prozesse auch treiben kann? Und immer ist da die Frage nach den sozialen Trägern. So stehe ich auf dem Standpunkt, dass sich die Gewerkschaftsbewegung in unserer Branche mit der digitalen Transformation noch weiter von den Menschen im Betrieb entfernt, sich ihr Klientel weiter reduziert, weil sie sich nicht inhaltlich als Arbeitnehmerbewegung damit befasst. Ich glaube, dass über die kommenden Jahre die Betriebsräte unserer Branche weiter organisationslos werden und die betrieblichen Akteure auf unserer Seite das unmittelbare Arbeitsumfeld in den Mittelpunkt ihrer Arbeit stellen, aber nicht mehr die Zusammenhänge. Ich denke, mit der neuen Arbeitswelt wird auch eine Denkweise in unsere Arbeit Eintritt finden, die sich eben aus deren Erfahrungen ihrer Arbeit ergibt. Wir müssen uns den neuen Berufsgruppen stellen, sie sind jung, bauen gerade ihr Leben auf, sind hoffnungsvoll und setzen auf das Team. Zu ihrer Erfahrung “Team” gehört Transparenz, aber auch Loyalität. Aber: Wir dürften aber nicht die anderen, gewissermaßen alten Berufsgruppen, vergessen.

Insofern ist für mich das Herangehen an die digitale Transformation in unserer Branche von zentraler Bedeutung. Ich denke, die Gewerkschaftsbewegung muss andere Antworten geben als sie es heute anbietet. Datenschutz und betriebliche Gesundheit sind unsere Themen. Gewissermaßen reflexartig wird ein negatives Bild aufgebaut, weil Technik gefährlich ist, nicht die Absichten ihrer Käufer in der Anwendung. Gegen die technischen Gefahren können wir mit dem Thema Gesundheitsschutz etwas entgegen halten.

Ich stehe auf dem Standpunkt, dass wir das allgemeinen Thema “digitale Transformation” im Zusammenhang mit ihrer Trägern treiben und dass wir unsere Vorstellungen einer sozialen Transformation einbringen müssen, also vorschlagen, beraten und in den Prozess einbringen. Wir sollten uns aber nicht an Themen abarbeiten, wo nur Belehrungen herauskommen. So ein Ansatz ruft massiven Widerstand in den eigenen Reihen hervor. Was bisher richtig war, also Klientelpolitik, muss auch künftig richtig sein. Dass sich unsere betriebliche Basis ändert und wir alleine durch die Themen abgehängt werden, will man jetzt noch nicht sehen. Da, wo eine Gewerkschaft als Berufsorganisatiom gefordert sein könnte, bei den Folgen der Transformation auf die Inhalte, da ist sie nicht präsent. Dank Storz und Arlt wird es aufgearbeitet, aber es hat keine Folgen in der Arbeit

Die Transformation findet in allen Betrieben unserer Branche statt, je nach den konkreten Bedingungen einer Gruppe. Also muss das Thema auf der überbetrieblichen Ebene, in den Gewerkschaften, aufgegriffen werden. Das ist mir nicht gelungen. Man sagt, gutes Thema, sind wir dran und dann verschwindet es unter den alltäglichen Aufgaben. Der strategische Stellenwert wird nicht gesehen und die gewerkschaftlichen Strukturen funktionieren eben alltäglich. Es passt nicht zur Arbeit, ein allgemeines Thema allgemein zu bearbeiten und allgemeine Ziele zu verfolgen. In unseren Reihen zählt man die Anzahl der Flugblätter, die Versammlungen und angebotenen Seminare. Es geht gewissermaßen um die Buchhaltung des vergangenen, aber nicht die Aufgabenstellung in der Zukunft. Allein abstrakte Themen abstrakt zu lösen führt dazu, dass man zum Idioten und Spinner wird. Dabei geht es nur um Kombination und Kenntnis.

Warum also bin ich im Plan? Das Thema zu treiben, ist das eine. Erfahrungen aus der, also unserer Arbeit, zu sammeln und anzubieten das andere. Der Kern ist aber die soziale Trägerschaft. Wenn ich auf die Einführung der technischen Redaktionssystems auf Client-Server Ebene Ende der 1980er Jahre zurück sehe, haben wir uns völlig neben den betrieblichen Themen oder der Veränderungen gestellt. Aber es hat auch nicht geschadet, da wir damals uninteressant waren und die Arbeitswerkzeuge in der sich veränderten Welt nicht unser Thema waren. Datenschutz, Gesundheit! Das war damals unser Angebot. Heute interessiert uns Datenschutz nur noch symbolisch, aber findet hier nur noch wenig Abwehr und damit Gestaltung statt. Die sich verändere Medienwirtschaft, die nicht mehr Kraft alleine über Riemen überträgt, sondern Beziehungen weiter ökonomisiert und eine höhere Effizienz durch geistige Ausbeutung erzielen will, war im Umbruch. Wir hatten die Chance, die ach so schlauen Manager in ihrer Stellung in den Belegschaften zu schwächen und unsere Ausgangsstellung zu verbessern, eine zentrale Frage. Es geht auch um Meinungsführerschaft.

Wenn die Frage der Folgen der digitalen Transformation nicht von unseren Strukturen gesehen und in die Projektarbeit integriert wird, hat man auf betrieblicher Ebene keine Chance, auf unsere Strukturen Einfluss zu nehmen. Was zählt, ist der Stammtisch, aber nicht das Prüfen von neuen Fragen, auf die man noch keine Antwort hat.

Diese abstrakten Fragen sind in Wirklichkeit immer sehr konkret, also geht es genau darum, beides im Zusammenhang zu stellen, zu verfolgen, zu betreiben und zu treiben. Hier bin ich im Plan, aber wie das auf einem Geburtstagsplausch erzählen? Nicht nötig, man plauscht eben und findet immer wieder ein sinnloses Smalltak-Thema.

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