Eine aktuelle Besprechung schob mich wieder in die Vergangenheit zurück. Ein Gewerkschaftssekretär, den ich nicht weiter kannte, rief mir in einer Debatte zu: “Ich habe mich umgehört und du schlägst häufig unter die Gürtellinie. Jetzt verlässt du diese Grenze auch noch.” Brav habe ich mich dafür bedankt, dass er sich umgehört hat, ich weiß zwar nicht, wo von er redet, aber es scheint, er hat von mir gehört. Klar, in der Debatte ging es um seine Leistung. Was war da noch, was die Zusammenarbeit belastet? Man muss es aussprechen, damit die Lösung angegangen werden kann.
Meine Kritik damals: “Du selber bist das Problem, die Probleme in der Zusammenarbeit liegen in deiner Kommunikationsleistungen. Ständig generierst du Missverständnisse und es führt zu Beziehungsbelastungen. Man weiß nicht, ob ein Thema erledigt ist oder nicht. “ Damit er es versteht, hatte ich ein übliche Redewendung unter Gewerkschaftssekretären umgedreht. Sie sagen gerne, dass sie nur Dienstleister sind, was die Mitglieder wollen – es ist einfach eine Phrase, um ihre Gestaltungsmacht ungestört zu behalten. Genau das war meine Formulierung: “Du bist nur Dienstleister. Nicht mehr, darauf muss du dich konzentrieren, dass ist deine Rolle.” Darüber war er angepisst, dass sollte auch so sein!
In Wirklichkeit brauchen wir sie mit ihrer Erfahrung, sie führen zusammen, was unsortiert bei uns als Reaktion auf Arbeitgeberangriffe durch den Kopf bzw. eher durch den Bauch geht. Wir brauchen sie, weil wir unsicher sind, was richtig ist und was der nächste Schritt sein könnte, den wir nicht sehen, weil wir persönlich betroffen sind. Wir brauchen sie und sie brauchen uns. Mein Standard: Es geht um Kombination und Kenntnis, um Organisation und Wissen.
Missverständnisse sind in unserer Bewegung etwas normales. Meisten geht es um das praktische Tun, was einen zusammenführt. Mache ich hier einen ernsten Fehler, kann das der Beginn des Endes sein. Unsere zukünftige Arbeit, sie lebt von Annahmen, das Richtige zu tun. Es sind unsere Einschätzungen, die uns zum Handelns veranlassen. Da dies immer nur hypothetisch ist, kann es zu Missverständnisses führen, die man ausräumen muss, damit man den gemeinsamen Nenner findet, nicht mit dem Gewerkschaftssekretär, sondern den Beschäftigten.
Auf einer Streikversammlung einer Zeitung um die Jahrtausendwende im Süden der Republik, fragte ein Gewerkschaftsvorsitzender, was ich hier zu reden habe, es gehe mich nichts an. Dabei war ich gekommen, um eine Soli-Rede zu halten, um die man mich gebeten hatte. Bereits auf der Betriebsversammlung hatte ich als Betriebsratsvorsitzender gesprochen, jetzt auf der Streikversammlung. Das die Reden sich unterscheiden, liegt nahe. Der Gewerkschaftssekretär wurde ausgebuht und unterbrach seine Rede, sie war von Phrasen bestückt und war es wert, nicht gehört zu werden. Später nahm ich an der Sitzung der Streikleitung teil. Der Gewerkschaftssekretär fragte diesmal, wer ich bin und das ich hier nichts zu suchen habe. Auch diesmal ging es nicht auf, aber das Ende vom Lied war dann doch, dass es nach der Streikleitung immer noch ein Treffen der Betriebsräte gab und wir hier alle Aufgaben in unserem Kreis offen durchsprachen und Aufgaben verteilten, die mangels Übereinstimmung eher weniger Thema waren. Vor allem aber ging es um die Sicherung der Linie in der Auseinandersetzung – aber ohne Gewerkschaftssekretär. Damals hat es mir gefallen, dass es gegen 22 Uhr noch eine Betriebsratssitzung gab. Es war eine Erfahrung aus der Friedensbewegung. 1983, vor den großen Sternmärschen und in Hamburg auf dem Rathausmarkt, gab es eine Friedenswoche. Wir trafen uns nach alle Besprechungen und Aktionen in dieser Zeit täglich jeweils um 23 Uhr im DKP Bezirksbüro, um alle Dinge noch einmal durchzusprechen und abzusichern.
Wo es ein hohes Maß an Übereinstimmung gibt, ist die Bereitschaft zur Kritik und Selbstkritik entwickelter ist. Im Kosmos “Betrieb” schaut man sich am nächsten Tag wieder in die Augen. Als Betriebsräte in Konflikten sind wir im Blick der Belegschaft und sie formuliert schnell, was sie will und denkt. Ein Betriebsrat, der in zwei Richtungen marschieren würde und dabei die Phrase führt, der ist schnell zerlegt, allein ihm dürfte die Courage fehlen, in die Aktion zu gehen. Gewerkschaftssekretäre kommen da immer von außen, sie haben es schwerer.
Das „mein“ Gewerkschaftssekretär sich angeblich nach mir erkundigt hätte und dass ich gerne unsachlich sei, hatte mich zum Schmunzeln veranlasst. Ich, Null Einfluss in der Gewerkschaft, ein Außenseiter, der keine Lobby hat, mehr Arbeitgeber-Versteher und den man gerne beschimpft bis bedroht, der kann nur unsachlich sein.