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Holger Artus

Transfergesellschaften können nützen

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Wenn Unternehmen ihre Sparvorgaben vom Vorstand erhalten, heißt es auch Personal abbauen und die betroffenen Arbeitnehmer/innen stehen vor der Frage der Arbeitslosigkeit – keine schöne Perspektive. Sie hoffen auf eine Abfindung, setzen auf einen Sozialplan – wenigstens etwas. In den letzten Jahren hat sich die Forderung nach einer Transfergesellschaft als ein wichtiger Punkt in der Interessenvertretungsarbeit erwiesen. Sie lÖst nicht das Grundproblem, aber können mildern. Für mich bezeichnend ist, dass meine Gewerkschaft, also ver.di Fachbereich Medien, immer wieder gegen diese Transfergesellschaften argumentiert. Hiermit würden die Ansprüche aus einem Sozialplan reduziert und gingen damit zu Lasten der Betroffenen. Höhepunkt war die Insolvenz der Frankfurter Rundschau, wo die Verantwortlichen in Berlin gegen eine Transfergesellschaft waren. Alles über Sozialplan, so ihre Ansage. Was für ein Blödsinn!

Drei Monatsgehälter, irgendwann in fünf bis zehn Jahren, mehr wäre über den (Insolvenz)Sozialplpan nicht drin gewesen.  Es zeigte sich mir in dieser konkreten Positionierung,  wie man in der Bundesverwaltung von ver.di Medien tickt oder denkt. Heraus kam bei der FR eine Transfergesellschaft über vier Monate und ein Insolvenzsozialplan mit den gesetzlichen Mindestansprüchen.

Transfergesellschaft  haben für die Betroffenen materiell eine geingere Verschlechterung der Einkommens- und Lebenssituation zur Folge, als wenn sie gleich beim Arbeitsamt wären und gleich Arbeitslosengeld beziehen würden. Hurra kann man bei beiden nicht schreien. moralisch können sie die Brücke in einer Welt ohne den letzten Arbeitgeber sein.

Die Printmedien sind in der Umbruchphase und es wird noch weitere Veränderungen am Zeitungsmarkt geben -  vermutlich nicht in der Dimension wie die FTD oder die FR .  Es wäre sinnvoll, Wissen über Transfergesellschaften in ver.di (Fachbereich Medien) zu haben und auch für eine Debatte zu sorgen, was könnten Kriterien für eine Transfergesellschaft bzw. das Vorgehen in Richtung Transfergesellschaft sein könnte. Angebracht wäre auch, das handwerkliche Herangehen zu bearbeiten.

Der Vorteil in ver.di ist, dass diese Gewerkschaft nicht nur der Fachbereich Medien ist, sondern dass es hier die so genannten Ebene gibt, mit diversen Abteilungen wie Mitbestimmung und Betriebsrarbeit, aber auch die Erfahrungen der anderen Fachbereiche u.v.a.m. Davon kann man profitieren, wenn man es will.  Eine Herausforderung für unser Arbeit in den Printmeduien und die Mitgliederentwicklung ist es auf jeden Fall.

Die ver.di-Betriebsgruppe von Weltbild hat zum Sinn und Zweck einer (ihrer) Transfergeselschaft etwas auf ihrem Blog geschrieben, auf das ich an dieser Stelle verweisen möchte. Weltbild hatte Anfang 2014 Insolvenz angemeldet. Rund 650 MitarbeiterInnen mussten gehen und sind  in eine Transfergesellschaft gewechselt. Ein Tarifvertrag  von ver.di sicherte den  Betroffenen für 12 Monate ein Einkommen in Höhe von 85 – 90% des früheren Netto-Einkommens. Sollte WELTBILD endgültig übernommen werden, gibt es zusätzlich Abfindungen für die Betroffenen. Ein in der Not schöne Lösung, die zeigt, was auch mölglich ist, wenn man nicht nur auf das alte Handwerk getrimmt ist, eben Sozialplan.

In den vergangenen Jahren haben ich mich in hoffnungslosen betrieblichen Situationen von Bechäftigten immer wieder darum bemüht, dass die betriebliche Interessenvertretung auch über die Frage einer Transfergesellschaft nachdenkt. Von ver.di kam nichts in diese Richtung oder klar dagegen. An erster Stelle steht natürlich die Auseinandersetzung um die eigene Formierung in der Forderung nach einem Sozialtarifvertrag, der höhe Abfindungszahlungen zum Inhalt hat. Hier ist das Vorgehen klassisch und verankert, wenigstens in Teilen. Die Erfahrung ist aber auch, dass die eigene Formierung in kritischen Situationen meisten sehr schwer und dann meistens zu spät ist. Das Selbstbewustsein,  die Bereitschaft, betrieblich Druck aufzubauen, die Beschäftigten zusammen zu fasssen, ist stark lediert. Sei es aus der beruflichen Stellung oder der desolaten Lage des Unternehmens und ihrer Führung. Zudem muss man handwerklich unterscheiden, ob es sich um eine Insolvenz oder (Teil)Betriebsschließung bzw. größere Kündigungen handelt. Daraus ergibt sich auch das Potential für Gegenwehr oder eben nur die Hoffnung.

Eine Transfergesellschaft ist nur ein Trostplaster, mildert die mögliche Lebenskrise, hilft mehr bei der Suche nach Arbeit bzw. befähigt einen mehr, sich daraum zu bemühen. Es ändert nichts am Abbau der Arbeitsplätze, aus welchen Gründen auch immer. Die Frage, was man gegen diese Prozesse macht, die bekommt man eben nicht am Ende in den Griff, dazu muss man sich schon anstrengen, Gegenkräfte zu stärken und sie auch in die Lage versetzen, ihre Kraft zu demonstrieren. Eine auf Gegenmacht und Gegenwehr ausgerichtete Gewerkschaftsarbeit gehört zu den Grundprinzipien großer Industriegewerkschaften, auch wenn es erkennbar einen geringeren Stellenwert in der alltäglichen Gewerkschaftsarbeit einnimmt. Im Fachbereich Medien ist Gegenwehr und Gegenmacht so gut wie kein Thema mehr als Grundprinzip der Gewerkschaftsbewegung, hier geht es offenbar mehr um Mitlgiederhaltung und wenig Reibung in der Arbeit. Eine Entwicklung, die mit der Frage nach dem Herangehen an Transfergesellschaften zusammenpasst. Man muss zu seinem Worten stehen und danach handeln, das ist ziemlich einfach – wenn man es will. Insofern freue ich mich immer wieder, dass trotz der Positionierung von ver.di im Fachbereich Medien, es sich rumgesprochen hat, dass Transfergesellschaften einen Sinn ergeben können. Gewissermaßen setzt sich heimlich hinter dem Rücken der Jungs in Berlin etwas durch, was sie – aus Unwissenheit in meine Augen –  nicht wollen, aber auch nicht mehr gestalten können. Eine kleine Freude ist das immer für mich, wenn es funktioniert. Wenn ich dann noch ein Danke schön bekomme, bin ich gerührt.

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