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Holger Artus

Zum Insolvenzantrag der Abendzeitung

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Der Insolvenzantrag der Abendzeitung ist eine bittere Entwicklung im Zeitungsmarkt. Für die Arbeitnehmer/innen stellt dass eine Katastrophe dar. Die Einkommen sind für drei Monate gesichert, aber die Zukunftssorgen werden bleiben. Die Kolleginnen und Kollegen werden das emotionale Auf und Ab an Hoffnung und Frust am eigenen Leibe erleben, bei der Frage ob und wie es weitergeht.

Seit Jahren hochdefizitär
Die Abendzeitung München war seit Jahren hochdefizitär. Die vorliegenden Bilanzen legen davon Zeugnis ab: 2011 – 7,4 Mio. €, 2010 waren es – 8,4 Mio. €,  2009 – 10,4 Mio. € und 2008 – 3,8 Mio. €, lt. den Medienmeldungen lag der Jahresfehlbetrag 2013 bei – 10 Mio. €. Die Finanzierung der Ãœberschuldung wurde in den vergangenen Jahren jeweils von der Abendzeitung Vermögensgesellschaft übernommen. Ohne diese Ãœbernahmen wäre die Abendzeitung schon längst insolvent gewesen.

Umsatzentwicklung der Abendzeitung war rückläufig
Aus den vorliegenden Zahlen ergibt sich für die Abendzeitung ein ebenfalls anhaltender Umsatzrückgang. In den letzten vier Jahren war der Umsatz (hier Rohergebnis) von 23,4 Mio. € auf 15,9 Mio. € zurückgegangen (bedingt aber auch durch Portfoliobereinigung). Besonders betroffen vom Umsatzrückgang war das Anzeigengeschäft, – 15 Prozent werden in der letzten öffentlichen Bilanz rückläufig genannt. Aber auch der Vertriebsumsatz war leicht rückläufig, so dass die traditionelle Situation mit leicht positiven oderstagnierenden Vertriebsumsätzen hier nicht zutraf. Der Blick auf die Auflage bringt das ganze Dilemma der Abendzeitung im harten Münchener Zeitungswettbewerb zum Ausdruck. Positiv erschien, dass die verkaufte Auflage per IV/2013 bei 103.381 Exemplaren lag, was einen Verlust von gerade einmal 3,1 Prozent bedeutete. Der „ sonstige Verkauf“ (also nicht über Einzelverkauf oder Abonnenten verkaufte Auflage) betrug rund 34.000 Exemplare. Vor zehn Jahren war der sonstige Verkauf auch schon hoch, lag aber noch bei 25.000 Exemplaren. Hier sollte vermutlich unter allen Umständen das Anzeigengeschäft gehalten werden, was aber durch die hohe Druckauflage (für den sonstigen Verkauf) enorme Kostenbelastungen über die Jahre bedeutete. Und gerade das Anzeigengeschäft aller Zeitungen steht seit Jahren unter wirtschaftlichem Druck, ist stark rückläufig.

Alle Boulevardtitel haben Restrukturierungen vorgenommen
Die Gattung Boulevard-Zeitung erlebt einen anhaltenden Wandel, sowohl beim Nutzerverhalten als auch bei der Umsatzentwicklung. Die Krise der Abendzeitung begann sichtbar auch mit dem Verkauf der Abendzeitung Nürnberg 2011 und deren spätere Einstellung 2012. In den letzten Jahren wurden in fast allen Boulevardtiteln verschiedene Restrukturierungsmaßnahmen umgesetzt, um die Wirtschaftlichkeit zu verbessern bzw. sich strategisch neu aufzustellen. Selbst die übermächtige BILD-Zeitung hat in den letzten Jahren verschiedenen Restrukturierungs- und Zentralisierungsmaßnahmen vorgenommen.

Medienwandel führt zur Konzentration auch im Printgeschäft

Der Wandel in den Mediengattungen ist keine neue Situation oder eine neue Information, er erfährt aber mit dem Ausbau anderer Werbeträger eine zusätzliche Dynamik. Wenn Verleger nicht die notwendigen Schritte unternehmen, um sich hier neu zu positionieren, trägt eine Schuldensituation bzw. defizitäre Lage nicht dazu bei, aus eigener Kraft die krisenhafte Lage zu verlassen. Einst waren die Boulevard-Titel Beiboote für die erfolgreichen Abo-Zeitungen und nahmen am Wachstum im Anzeigen- und Vertriebsgeschäft teil. Der Abo-Titel war das Zentrum, gestützt durch eine Kaufzeitung und durch die Anzeigenblätter zur Absicherung des lokalen Anzeigengeschäfts sowie das Angebot für den Handel zur Direktverteilung. Die Abendzeitung war im Prinzip allein am Markt ohne große Beiboote und verfügte nicht über große Synergiemöglichkeiten. Eine Potentialhebung im Umsatz war ebenfalls kaum noch allein möglich. Die Folge der heutigen Situation ist nicht im Geschäftsjahr 2013, 2012 oder 2011 entstanden, sie liegt Jahre zurück und findet jetzt vermutlich ihr bitteres Ende.

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