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Holger Artus

FR Aufregung bei der SPD – pure Heuchelei

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Die Äußerungen vom Vorstandsmitglied der Mediengruppe M. DuMont Schauberg (MDS), Franz Sommerfeld, zur Zukunft der Frankfurter Rundschau in der FTD Mitte Juni 2012 haben zu heftigen Reaktionen auf der dd_vg Bilanzpresse-Konferenz, der SPD Medienbeteiligung, geführt. Sommerfeld hatte den FR-Verkauf als eine Option dargestellt. ver.di Hessen sieht in dieser Gesellschaftererklärung eine Schwächung der Marke FR, so der Tenor der Erklärung. Zwischenzeitlich hat sich MDS um Beruhigung bemüht und erklärt, das man nicht die Absicht verfolge, die FR zu verkaufen.

Die FR stand seit ihrer existenziellen Krise 2002/2003 wiederholt in der öffentlichen Debatte. Während andere überregionale Zeitungen wie die Süddeutsche oder die FAZ seiner Zeit ihre Probleme gelöst haben, ist das bei der FR nicht gelungen. Bis heute fassen die beiden Gesellschafter, die SPD (40 Prozent) und die MDS (50 Prozent und eine Stimme) Millionen € an und schreiben sie jährlich ab, ohne dass bisher operativ schwarze Zahlen in Sicht sind. Hunderte Beschäftigte haben ihre Arbeit verloren, auf tarifliche Entgeltbestandteile müssen sie seit Jahren verzichten.

Die Rezession 2001/2003 hat im Zeitungsmarkt ihre Spuren hinterlassen, strukturelle Herausforderungen und neue Wettbewerbsmedien sind zusätzlich sichtbar geworden. Die letzte Wirtschaftskrise 2007/2009 sorgte für weitere Veränderungen im Zeitungsmarkt. Ein Anziehen der Werbung in den Tageszeitungen findet nicht statt, sie stagniert bzw. hat leicht sinkende Tendenz. Die Netto-Werbeumsätze in den Zeitungen sind 2010 um – 1,5 Prozent zurückgegangen, in 2011 um – 2,2 Prozent. Die Brutto-Werbeumsätze lt. Nielsen gingen 2011 um – 6,2 Prozent zurück. Das Werbeverhalten der werbetreibenden Wirtschaft ändert sich in verschiedenen Branchen. Das beste Beispiel ist die Neuverteilung der Werbebudget großer EH-Discounter. Ihnen liegt zum Teil mehr an der Direktverteilung als an den Streuverlusten über die Tageszeitung.

Der Zeitungsmarkt ist seit einiger Zeit in einer Konsolidierungsphase. An ihrem Ende wird es einen höheren Konzentrationsgrad geben, als zu Beginn des Jahrtausends. Seit 2003 wechselten die Eigentümer der Süddeutschen mehrheitlich zur SWMH, die Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck verkauft seit einiger Zeit fasst ihr gesamtes Zeitungsportfolio. Die Verlagsgruppe Madsack kaufte die regionalen Abo-Titel von Axel Springer. Die Berliner Zeitung, Berliner Kurier und Hamburger Morgenpost wurden erst vom englische Zeitungsunternehmen Mecom gekauft und 2009 übernahm die Mediengruppe M. DuMont Schauberg die Titel. Es gibt vielfältige Erscheinungsformen dieser Konsolidierung. Wachstum ergibt sich nicht aus dem eigenen Stammgeschäft, sondern durch Aufkauf von Unternehmen oder aus dem Neugeschäft, so wie z.B. die Postzustellung. Neben dem mobilen und online Geschäft gibt es seit einiger Zeit den Aufbau des digitalen Vertriebs (Verkauf von Apps). Vor dem Hintergrund stagnierender Werbeumsätze, deren Differenzierung und Verschiebung auf andere Trägermedien bleiben die Zeitungsumsätze unter Druck. Die fixen Kosten steigen durch wachsende Bedeutung z.B. der IT-Kosten. Eine Finanzierung von Wachstum ist nicht mehr nur aus eigenen Mitteln möglich, sondern muss fremdfinanziert werden. Die Rendite sinkt, was zum Druck auf Einkommen und Arbeitsbedingungen führt.

Durch den Einstieg der dd_vg 2004 wurde die Finanzierungskrise der FR geregelt. 2006 übernahm die Mediengruppe M. DuMont Schauberg mit 50 Prozent und einer Stimme die Mehrheit der FR-Anteile. Trotz eines enormen Finanzierungsbedarfs schien die Zukunft der Zeitung gesichert, stieg doch eine erfahrene Zeitungsgruppe ein, die auch langfristig an ihrer Beteiligung interessiert war. Die Strategiekrise des Unternehmens wurde beendet. Mit dem Tabloidformat und einer Neupositionierung der FR, den Investitionen ins Neugeschäft und dem aktuellen Ausbau des digitalen Vertriebs wurden Eckpunkte für die Zukunft gesetzt. Die Entwicklungen um die FR in den letzten 12 Monaten signalisieren jetzt, das sie wieder in den Trudeln geraten scheint.

Die übliche Situation, das man aus einer konjunkturelle Krise heraus kommt und dann in der Aufschwungphase langsam wieder zur alten Rentabilität zurückkehrt und erweitert die Gewinne für die Marktveränderungen investiert, stellte sich bei der FR nicht ein. Noch in der Sanierungsphase gab man Millionen € für die Neupositionierung (Formatwechsel), für den Neubau und den angeblich modernsten Newsdesk Euopas – der Organisation der redaktionellen Abläufe und der Bedienung der verschiedenen Nachrichtenkanäle – aus. Seit dem Relaunch ist der harte Verkauf (Abo und Einzelverkauf) um 25 % zurückgegangen, die Abo-Auflage alleine sogar um fast 30 %. Die Vertriebsumsätze sind kontinuierlich gesunken und bei 30,6 Mio. € angekommen. Damit verhält sich der FR-Vertriebsumsatz entgegen den bisherigen Marktentwicklungen. Insgesamt steigen die Vertriebsumsätze, da Preiserhöhungen am Markt erfolgreich umgesetzt werden konnten.

FR-Geschäftsführer Karl-Heinz Kroke erklärte jüngst gegenüber der FAZ, dass man das ursprüngliche Ergebnisziel 2012 nicht erreichen wird. Er gehe von einem Verlust alleine für die FR, ohne die verlustreichen Beteiligungen (Anzeigenblatt) von – 4 Mio. € für 2012 aus. Damit ist man weit von einem ehemals angepeilten Ziel von – 1,2 Mio. € im Gesamtergebnis entfernt. Die Äußerungen von Franz Sommerfeld gegenüber der FTD gingen in die gleiche Richtung. Das ausgerechnet das an das Internet verloren gegangene Rubrikengeschäft der Stellenmärkte einen besonderen Stellenwert bei den Anzeigenverlusten spielen sollen, darf man aus strategischer Sicht in Frage stellen. Dieses Geschäft wird in den Printmedien nicht mehr steigen, es bleibt, aber das Wachstum erfolgt im Netz. Die Markterwartungen dürften im Übrigen eines der Probleme des Managements sein. Man rechnet sich gerne Umsätze schön und hofft.

Die jüngsten Erklärungen von ver.di Hessen zur Zukunft der FR und die offenkundige Unterstützung eines der beiden Gesellschafter, der SPD, drücken die ganze Hilflosigkeit der Gewerkschaft aus. Während in der Vergangenheit bei Abbauplanungen in der FR die Gewerkschaftsstrategie war, über einen öffentlichen Druck auf die SPD auf die Gestaltung des Abbauprozesses Einfluss zu nehmen, wählt jetzt einen anderen Weg. Hier wird sich scheinbar so positioniert, dass die öffentlichen Erklärungen die FR schwächen, aber praktisch wird hier mit der SPD gejammert. ver.di Hessen versteift sich sogar darauf, das Abbau von Arbeitsplätzen in der FR und der Verzicht auf Gehaltsbestandteile als einen erfolgreichen Weg darzustellen, den man nicht gefährden sollte. Angesicht des wiederholten tolerieren eines Tarifbruchs und einer Täuschung der eigenen Mitglieder wie der Gewerkschaft insgesamt muss sich ver.di gefallen lassen, das sie mit ihren Vorgehen in der FR auch ein Teil des Problems ist, auf Seiten der Arbeitnehmervertretung.

Die SPD will aus der FR aussteigen. Einen anderen Eindruck zu erwecken, wäre eine Täuschung der interessierten Gegenöffentlichkeit. Durch den 90 % Einstieg der SPD über die dd_vg in der FR 2004 wurde die Fortführung der Zeitung möglich. Alle Verkaufsgespräche mit anderen Zeitungsgruppen scheiterten, so das nur wenige Kaufinteressierte übrig blieben. Damals erklärte die dd_vg, das der Einstieg nur den Ausstieg zum Zweck habe. (“..hier ist eine Weiterveräußerung nach der notwendigen Restrukturierung beabsichtigt.†Geschäftsbericht 2003). Zum anderen ist der Zweck der dd_vg nicht der Kauf, sondern die Beschaffung von Mitteln für die Arbeit der SPD (übertragen Gewinnausschüttungen zur finanziellen Unabhängigkeit der SPD bei Substanzerhaltung des Vermögens aus: Unternehmensphilosophie der dd_vg). Es ist auch nicht das Ziel, gerade vor dem Hintergrund de desaströsen sozialdemokratischer (Partei)presse bis in die 1970er Jahre, Mehrheiten zu erwerben: Die dd_vg vermeidet  beherrschenden Einfluss und hält in der Regel Minderheitsbeteiligungen. Die SPD benötigt Geld für den Wahlkampf 2013 und das muss auch über die dd_vg kommen.

Würde man bei MDS die Frage nach der Zukunft der FR an die Arbeitnehmer der MDS-Gruppe stellen, dürfte es eine einfach Antwort geben: Weg damit. Verkaufen ist das Beste. In Berlin würde es die strittige Redaktionsgemeinschaft FR und Berliner Zeitung nicht geben, in Köln würden mehr flüssige Mittel zur Verfügung stehen und viele der bisherigen Maßnahmen würden so nicht erfolgt. Vielleicht würde es keine ausgegliederte IT geben usw. Hierbei geht es nur um eine gefühlte oder unterstelle Stimmungslage. Die Maßnahmen haben andere Gründe, weshalb man sie vollzogen hat und haben wenig mit der FR zu tun, aber möge man sich auch nicht über die Arbeitnehmer-Stimmung täuschen. Auch sie spielen eine Rolle für die Arbeit von Interessenvertretungen. Leider hat es ver.di in der Vergangenheit immer wieder versäumt, auch nicht in Ansätzen einen ernsthafte Strategie für ein gemeinsames Vorgehen anzubieten- freundlich formuliert.

Wenn sich heute eine Gewerkschaft auf Basis der Markt- und Unternehmensentwicklungen nicht um die Zukunft und ihres strategischen wie taktischen Vorgehens (in der FR) einen Kopf macht, dann ist das verantwortungslos. ver.di ist mit der Konsolidierungsentwicklung völlig überfordert, geht mit betrieblichen Verzicht an die Dinge heran. Es gibt keinen einzigen Ansatz im strategischen und taktischen Vorgehen mit Blick auf den umkämpften Markt. Es gibt ein abwarten, was in einzelnen Betrieben passiert und dann – das übliche – agieren auf betrieblicher Ebene, um am Ende ein wenig Trauerarbeit anzubieten für einen Teil der betroffenen. Aber auf gefühlte Ohnmacht legt man die erlebte Ohnmacht noch drauf. Mit Blick auf die FR muss man noch sagen, dass sich sowohl nach innen wie nach außen die Bedingungen für ein gewerkschaftliches Vorgehen zur Existenzkrise der FR 2003/2004 geändert haben.

Ich habe wiederholt die Unfähigkeit von ver.di in den Printmedien erlebt, in (unternehmerischen) Krisenprozessen – aber auch in anderen Prozessen in den Printmedien – rationell und planmäßig zu agieren. Lieber verfällt man in den Jammer-Chor der Chefs und warnt vor Schädigung der Marke oder wälzt die Unternehmensprobleme einfach auf die Arbeitnehmer/innen ab als sich auf seine Aufgaben in der Zukunft zu konzentrieren und zu handeln. Der Ansatz von ver.di ist ein anderer: Es war schon immer leichter, nichts zu tun, davon nimmt man keinen Schaden. Genau diese Haltung widerspiegelt die Inkompetenz von ver.di im Zeitungsmarkt.

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