Ansichten

Holger Artus

DGB und BDA machen sich zusammen Sorgen ums Tarifrecht

| Keine Kommentare

In einer gemeinsamen Eckpunkte-Erklärung haben sich DGB und der Arbeitgeberverband (BDA) Sorgen um die Tarifeinheit in den Betrieben gemacht. Herausgekommen ist ein konkreter Gesetzesentwurf, der das bisher gewachsene System der Tarifverträge zur Disposition stellt. DGB/BDA wollen, das es im Betrieb nur noch eine „anerkannte“ Gewerkschaft gibt – die mit den meisten Mitgliedern. Bei der Vielschichtigkeit der Organisation von Arbeitnehmerinteressen ein Angriff auf das bisherige System der erfolgreichen Tarifabschlüssen der DGB Mitgliedsgewerkschaften. Das die CDU für diese Idee ist, müsste Sommer stutzig machen. Aber wenn die SPD auch dafür ist, muss wieder etwas stimmen. Eine Große Koalition im Tarifrecht – den Braten muss man doch riechen, dass der nicht schmecken kann. Erstaunlich ist, das hauptamtliche Führungskräfte von uns gleich wieder Schiss im Auftritt nach außen haben. „Uns auf die Bäume schicken und sich selber verpissen, das stärkt nicht die Glaubwürdigkeit in euch. Wer soll denn die Debatte in ver.di führen, wenn nicht wir – und ihr denkt gleich an eure Arbeitsverträge,“ habe ich ihnen letzte Woche in einer internen Besprechung vorgeworfen.

Hatte heute eine verdi-Vorstandssitzung, wo wir auf anraten von ver.di-Vize Frank Werneke eine Resolution zum Thema DGB/BDA beschlossen haben. Hier der Text, an dem ich mitgewirkt habe.

“Die Fachgruppe Verlage, Druck und Papier lehnt die gemeinsame Initiative von BDA und DGB zur gesetzlichen Regelung der „Tarifeinheit“ ab und fordert den Fachbereich Medien, Kunst und Industrie auf, dies ebenfalls zu tun – mit dem Ziel, dass der DGB zur Verteidigung von Streikrecht und Tarifautonomie zurückkehrt. Entsprechend soll sich auch ver.di als Gesamtorganisation verhalten.

Das Streikrecht ist das wichtigste Grundrecht von Arbeitnehmern. Ohne das Recht auf Streik können Gewerkschaftsmitglieder ihre Interessen nicht durchsetzen. Ohne Streikrecht gibt es keine Tarifautonomie. Tarifverhandlungen würden verkommen zu „kollektivem Betteln“. Streikrecht und Tarifautonomie müssen gegen alle Angriffe von Arbeitgebern und Politik unbedingt und mit allen Mitteln verteidigt werden.

Die Fachgruppe lehnt die BDA-DGB-Initiative ab, weil sie eine neue Form der „Friedenspflicht“ in den Betrieben einführt. Wenn eine Konkurrenzorganisation einen Tarifvertrag abschließt, dann dürfen ver.di-Mitglieder nicht zwangsweise durch Gesetz an diesen Tarifvertrag und dessen Friedenspflichten gebunden werden. Tarifautonomie bedeutet, dass Gewerkschaftsmitglieder nur an die Tarifverträge gebunden sind, die ihre Gewerkschaft abschließt. Selbst wenn eine Konkurrenzorganisation die Mehrheit der Mitglieder in einem Betrieb hat, muss es den ver.di-Mitgliedern möglich bleiben, bessere Tarifverträge mit Streiks durchzusetzen – und so die Mitglieder der Konkurrenzorganisation davon zu überzeugen, dass ihre Arbeitnehmer-Interessen mit ver.di besser durchgesetzt werden können. Die von BDA und DGB vorgeschlagene Abschaffung dieser Möglichkeit, verstößt gegen die vom Grundgesetz garantierte Koalitionsfreiheit und die Tarifautonomie, weil sie das Streikrecht unzumutbar antasten.

Die Fachgruppe lehnt die BDA-DGB-Initiative weiter aus folgenden Gründen ab:

• Wer in Zeiten der kapitalistischen Krise eine Regierung auffordert, das in 60 Jahren seines unveränderten Bestehens bewährte Tarifvertragsgesetz zu ändern – womöglich noch verbunden mit einer Grundgesetzänderung zur Einschränkung des Grundrechts auf Streiks – liefert die Tarifautonomie auch künftig allen politischen Begehrlichkeiten der Arbeitgeber und ihrer politischen Parteien aus.

• Es ist – bei aller praktizierten Tarifpartnerschaft – ein elementarer Verstoß gegen die gesamte Geschichte, Politik und Kultur der Gewerkschaftsbewegung, sich mit Arbeitgeber-Organisationen über die Ausgestaltung des Streikrechts zu verständigen und hierzu gemeinsam Gesetzesinitiativen von der Politik zu fordern.

• Für den Fachbereich Medien, Kunst und Industrie könnte die Initiative schwerwiegende Folgen haben, insbesondere bei den Journalisten in Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen wo die Konkurrenzorganisation DJV in vielen Betrieben die Mehrheit der Mitglieder dieser Berufsgruppe stellt.

• Weder im DGB noch in ver.di gab es zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der BDA-DGB-Initiative Beschlüsse, die den DGB-Vorstand oder den ver.di-Vorstand zu einer solchen Initiative aufgefordert hätten. Gerade bei einer so grundsätzlichen Frage, wie der Forderung nach einer gesetzlichen Regelung des Streikrechts, die gemeinsam mit den Arbeitgeberorganisationen erhoben wird, hätte es im Vorfeld einer breit angelegten Diskussion in den Gewerkschaftsgremien zur demokratischen Willensbildung bedurft.

Insgesamt ist klar, dass die BDA-DGB-Initiative ein fataler Vorstoß in die falsche Richtung ist. Dem muss mit aller Entschiedenheit innergewerkschaftlich und in der öffentlichen politischen Debatte entgegengetreten werden. Die Fachgruppe Verlage, Druck und Papier verweist in diesem Zusammenhang auf die vom DGB und allen Einzelgewerkschaften geführte Protestbewegung gegen die 1984 von der damaligen CDU-FDP-Koalition auf Wunsch der Arbeitgeber geänderte Regelung zur Zahlung von Kurzarbeitergeld bei „kalter“ Aussperrung (damals § 116 AFG heute § 146 SGB III).”

Schreiben Sie einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.