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Holger Artus

Über eine absurde Debatte der Zeitungs- und Zeitschriftenverleger zum Apps der Tagesschau

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In ver.di übt man sich in Schweigen zur Kampagne der Verleger gegen popelige Programme der ARD/Tagesschau, die auf Smartphones ausgeführt werden können. Unter dem Vorwand, dass hier Gelder der Gebührenzahler missbraucht werden für einen Auftrag, der der ARD-Tagesschau nicht zusteht, wird in den Verelger-Medien gegen die Ankündigung Stimmung gemacht. Was spricht gegen ein kostenloses Apps der ARD oder anderer Rundfunkanstalten? Die Zeitungsverleger und die Bundesregierung erheben ein großes Wehklagen, wo noch nichts passiert ist und nutzen ihre Medien, um den Eindruck zu erwecken, das hier schlimmes für die Meinungsbildung passiert. Das einzige, was im Moment passiert, ist eine Manipulation der Leser der Printmedien um dieses Thema Apps der ARD bzw. Tagesschau. Dafür muss man auch noch Geld bezahlen.

Für das iPhone von Apple z.B. wurde mehr als 100.000 solcher Applikationen, kurz Apps genannt, geschrieben. Die iPhone-Besitzer können sie über die Apple-Plattform iTunes Store kostenlos oder für mehr oder weniger viel Geld herunterladen. Zwei Milliarden Mal wurden iPhone-Apps bisher heruntergeladen. BILD.de oder Welt Mobil kann man jetzt gegen teures Geld über iPhone abonnieren. Die Mediengruppe DuMont Schauberg setzt mehr auf Micropayment. Die Hoffnung ist, dass die Masse der gekauften Artikel den Umsatz bringt. Strategie-Vorstand Konstantin Neven DuMont: „Ich persönlich glaube auch, dass eine Einzelabrechnung mit Artikeln wahrscheinlich besser funktioniert, denn mein Eindruck ist, dass die User nur für das bezahlen wollen, was sie dann auch wirklich nutzen.“ Axel Springer kann sich vorstellen, dass sich Verlage und Internet-Firmen zusammentun, um einen Ein-Klick-Marktplatz zu schaffen. Das Ergebnis könnte in etwa so aussehen wie Google News, nur dass einige Artikel mit einem Preisschild versehen sind. Auch so genannte Flatrates für verlagsübergreifende Inhalte sind Ãœberlegungen von Axel Springer, analog zu Telefon-Flatrates. Im Raum steht im Zusammenhang mit dem Leistungsschutzrecht eine neue Verwertungsgesellschaft, die die Rechte der Inhalte-Distributoren wahrnimmt. Es geht darum, zusätzlich Geld abzugreifen – und zwar auf allen Verteilungskanälen.

In der letzten Rezession 2001 – 2003 haben die Zeitungs- und Zeitschriftenverleger fast ihre gesamten Online-Aktivitäten eingedampft und große Portfoliobereinigungen vorgenommen. So trennte sich Axel Springer damals von einer Suchmaschine infoseek, Gruner+Jahr von Fireball. Die Zeitungsverleger haben seit 1995 die Entwicklung des Internet im Prinzip verpennt und anderen überlassen. Jetzt, wo sie Umsatzmenge benötigen, werden wider Schönrechnungen aufgemacht über das Wachstumspotential. Das hat mit publizistischem Auftrag nichts mehr zu tun.

Die Printmedien waren und sind einem ständigen Wandel ausgesetzt, die Geschäftsideen des Printprodukts steht regelmäßig vor neuen Herausforderungen. Einen qualitativen Bruch, von heute auf morgen, hat es in der Gattung so im Prinzip noch nicht gegeben (bis auf den Niedergang der DDR und den damaligen „run“ der Westverlage auf die Tageszeitungen der DDR). Die Prozesse vollziehen sich in Schritten und die Unternehmen stellen sich darauf ein, passen ihre Strategie an, in dem sie verändern. Axel Springer hat jetzt z.B. eine eigene Stellenbörse (Stepstone), die Umsatzverluste im Anzeigenrubrikengeschäft „Stellenanzeigen“ wurden nach 2001 ff. sicher nicht kompensiert, aber man bleibt in beiden Geschäftsfelder Anbieter, ist somit konkurrenzfähig und nimmt an den Marktverschiebungen finanziell teil. Mit der Einführung des dualen Rundfunks bestand ebenfalls eine prinzipielle neue Herausforderung. Die Verlage habe heute alle ihre Rundfunkbeteiligungen und leben ganz gut von den Beteiligungsergebnissen. Trotzdem haben sich die Werbeumsätze grundlegend in das Fernsehen verlagert, die Zeitungsverlage aber nicht in ihrer Existenz gefährdet. Mit den kostenlosen Wochenend-Blättern sahen die Verleger ihre Meinungsfreiheit im letzten Jahrhundert gefährdet, heute sichern sie sich damit ihre regionale Marktführerschaft ab. Der Marktzutritt der kostenlosen Tageszeitungen führte zu einem Aufschrei der Zeitungsverleger, aber die Geschäftsidee wurde auch selber praktiziert. Axel Springer und DuMont Schauberg waren in dieser Zeit dabei, ihr Terrain kostenpflichtige Zeitung zu verteidigen, sie gingen auch dazu über, generell ein neues Geschäftsfeld kostenlose Tageszeitung zu planen, unabhängig von Schibsted und anderen.

Wer wie die Mediengruppe DuMont Schauberg zum 31.12.2009 z.B. die gesamte redaktionelle Mannschaft der Netzeitung raus schmeißt und im gleichen Atemzug davon sprich, dass man gute Hintergrundgeschichten von Redakteuren gegen Geld im Netz verkaufen will, der erscheint wenig glaubwürdig. Und genau dies ist das Stichwort: Glaubwürdigkeit. Die redaktionellen Angebote der ARD genießen hohes ansehen, die Verleger wollen seit langem die Glaubwürdigkeit der ARD-Redaktionen und der Marke „Öffentlich-rechtliches“ Fernsehen in Frage stellen.

Der Rundfunk-Werbemarkt ist für die Zeitungsverleger im Zuge ihrer (lokalen) digitalen Hörfunkstrategie genauso von Interesse wie die Hoffnung, dass man eine Art Abo-Geschäft im Netz aufbauen könnte, um neben den überschaubaren Erlösen des Online-Anzeigenverkaufs auch Vertriebserlöse einzustreichen. Diese Erlöse würden von den Nutzen kommen, die bereits heute hohe Beträge alleine für das nutzen einer mobilen Flatrate zahlen, die die Rundfunkgebühren bei weitem überschreiten. Die Rundfunkgebühren werden aufgewendet für ein frei zugängiges und unabhängiges Medium, die Erlöse der Flatrates fließen in die Kasse der Telekom-Konzerne. Richard Gutjahr ist zuzustimmen, wenn er in seinem Blog schreibt: „Ob Journalisten, Verleger oder Senderchefs, wir Medienleute stehen am Anfang einer neuen, großartigen Epoche: freier Zugang zu Informationen und neue, kostengünstige Verbreitungswege – welch einzigartige Chance, gerade für die Verlage! Ironischerweise sind es oft einfache College-Bengels, die Euch Lügen strafen, von wegen, mit Informationen im Internet könne man kein Geld verdienen. Google, Facebook oder Twitter funktionieren weltweit, völlig egal, ob es in einem Land gebührenfinanzierte Medien gibt oder nicht. Macht endlich Schluss mit dieser verlogenen Debatte um Meinungsvielfalt und Arbeitsplätze und sagt uns, worum es Euch in Wahrheit geht: um Eure liebgewonnen Gewinnmargen!“

Mit Micropayment oder Abos wird kein Verlag in der Gesamtstrategie ein Erfolg einfahren, es werden lediglich ein Teil der Kosten gedeckt. Die Marktverhältnisse in der Netzökonomie sind so wie sie sind. Längst gibt es entwickelte Geschäftsideen, die ihren Erfolg bewiesen haben. Die Google-Macht ist gefährlich, aber nicht weil es kostenlos ist. Denkt man die Haltung der Zeitungsverleger zu Ende, so soll erreicht werden, dass ein publizistischer Wettbewerber verhindert werden soll.

Ãœber das Schweigen von ver.di muss man sich sicher keinen Kopf machen. Das Thema spielt nicht die Rolle, Urlaub, wir sagen später was – egal und eben Spekulation. Man sagt nichts, weil sich keiner damit in Berlin beschäftigt. So einfach ist das.

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