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Holger Artus

13 Jahre G+J in der MOPO (1986-1999)

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2009 hatte ich ein Betriebsrats-Info geschrieben, dass sich einmal zusammenfassend mit den 13 Jahren G+J in der MOPO beschäftigte. Dazu gab es einen Überblick in Stichworten über jedes Kalenderjahr. Hier mein damaliger Text, um einigen Zahlen gestrichen.

Der Kauf der MOPO durch G+J im August 1986 beendete die Schwindsucht des Titels. Gruner+Jahr sorgte für Professionalität im Vorgehen und damit für Ordnung in den Abläufen. Es wurde Geld angefasst und Personal eingestellt. Die Hoffnung auf einen Neuanfang und ein positives Ergebnis war groß. Der damalige G+J-Vorstandsvorsitzende verglich die Lage der Zeitung mit dem Patienten auf der Intensivstation. Hier liegt ein Verdienst von G+J. Vermutlich hätte Eduard Greif irgendwann noch einen Käufer gefunden.

Ob die Bauer Verlagsgruppe oder Burda, ob Ringier oder DuMont Schauberg, interessiert waren sie alle. G+J hat damals die MOPO gekauft und damit ihre Existenz sicher gestellt. Später, nach dem man uns wieder verkauft hatte, sprachen G+J-Vorstandsmitglieder davon, dass der Konzern von Zeitungen nichts verstehe und ein Zeitschriftenkonzern sei. Das war einfach blabla. Eines der größten Printunternehmen Europas glaubte einfach nicht an die Zukunft der MOPO. Sie hatten im Kaufvertrag eine „Strafe“ für die neuen Eigentümer vereinbart, dass sie nicht vor dem 31.12.2000 die MOPO schließen durften. Die „Strafe“ betrug 100.000 DM. Mit Genuss zelebrierte Frank Otto auf einer Pressekonferenz für das erste ablaufende Geschäftsjahr nach dem Kauf einen Gewinn von 1,7 Mio. DM. Er meinte dazu: Ich wollte denen zeigen, dass es geht! Während G+J sich durch ständigen Einkauf und späteren Abbau der Belegschaft darstellte, ging er einen anderen Weg.

Mit dem Einstieg von G+J kamen und gingen die Führungskräfte. Neben dem Verschleiß an Chefredakteuren, Geschäftsführern und Verlagsleitern wurde die Zeitung auch Sprungbrett für Karrieren bei G+J. Dieser Prozess endete 1999, nach dem Verkauf an Frank Otto.

Die Verluste der MOPO in der G+J-Zeit dürften in einem hohen zweistelligen Millionenbetrag gelegen haben. Millionen haben wir für Konzernleistungen bezahlt, damit Stäbe unterhalten werden. Bei der MOPO waren es am Ende der G+J –Zeitung rund 900.000 DM in einem Geschäftsjahr.

Irgendwann hatte der G+J-Vorstandsvorsitzende die Lust an der MOPO verloren. Schulte-Hillen ließ den Titel fallen, gab hier und da noch kluge Ratschläge, z.B. dass Hunde sich auf der Seite 1 gut machen. Er landete später für G+J noch größere Flops und versenkte vermutlich eine Milliarde im amerikanischen Markt. Schulte-Hillen gehörte unter dem amerikanischen Investor VSS (2007 MOPO-Eigentümer) zu den so genannten Heuschrecken. Er war stiller Gesellschafter und wollte am Wiederverkauf der MOPO verdienen. Hoffentlich ist nichts daraus geworden, wir wissen es nicht.

2004, auf einem Medienforum in Hamburg, durfte er noch einmal öffentlich über den Zeitungsmarkt schwadronieren und sagte, dass man sich in Hamburg nur über die Springer-Presse informieren kann. Der damalige Geschäftsführer Roger Frach ergriff das Wort und meinte, dass er es sich angesichts der Ausführungen des ehemaligen Eigentümers der MOPO, Gerd Schulte-Hillen, nicht verkneifen kann: „Sie wissen es natürlich viel besser als ich, Herr Schulte-Hillen: Man kann sich in Hamburg nicht nur über das Haus Springer informieren, sondern es gibt auch die MOPO!“

Angeblich sind Konzerne gut, weil sie über Know-how verfügen. Was sie aber vor allem mit sich bringen, sind ihre Konzernkosten, ihre Konzern-denke und ihre Konzernstrukturen. Ein Reagieren auf den Markt, davon wird viel geredet. Wie heißt es so schön über die Internet-Ökonomie: Nicht Größe ist entscheidend, sondern das Tempo der Veränderung.

1986

Heinrich Braune verhandelt für die MOPO über eine Beteiligung an Radio Hamburg (5 %). Gruner+Jahr kauft im August die MOPO und tritt damit erstmalig in den Zeitungsmarkt ein. Später kommen weitere Zeitungen wie die Berliner Zeitung, der Berliner Kurier und die Sächsische Zeitung dazu. G+J träumt von einer überregionalen Verbreitung der MOPO. Der G+J-Vorstandsvorsitzende Gerd Schulte-Hillen spricht von einem Auflagenziel von 250.000. Als Kolumnisten schlagen Johannes Gross und Scholl-Latour auf. Es gibt eine eigene Frauen-Redaktion, eine große Kulturredaktion. Eine tägliche Pop-Seite wird eingeführt. Mit Clemens Grün als POP-Redakteur hält der erste (PC)Atari in der Redaktion Einzug. Geld spielt für G+J keine Rolle. Der große Zeitschriftenverlag mit seinem Vorstands-vorsitzenden dachte, dass alle nur auf sie gewartet haben (2006 schlägt Schulte-Hillen noch einmal als Berater von VSS auf, doch auch dieses Engagement endet erfolglos). 10 % der MOPO-Anteile hält Hans Dichand (Kronen-Zeitung). Insgesamt sind in der Griegstraße 130 Mitarbeiter/ innen beschäftigt, davon ca. 70 in der Redaktion. Ab dem 24. September 1986 erscheint die MOPO im Berliner Format im Tabloid. Der Verkaufspreis beträgt 0,50 DM. Heinrich Braune wird als Herausgeber aus dem Impressum der MOPO gestrichen. Jürgen Juckel wird Chefredakteur, scheidet aber nach sieben Wochen wieder aus. Im Dezember wird die Bremer MOPO gegründet. In den Räumen es Archivs in Hamburg trifft sich im 3. OG eine kleine Horde von Redakteuren und Verlags-angestellten, um den Betriebsrat zum Rücktritt zu bewegen, da dieser nichts gemacht hat. Die Auflage liegt bei 139.000 Exemplaren.

1987

Christian Nienhaus wird Geschäftsführer. Es kommt zur Neuwahl eines Betriebsrats. Sigrid Meißner wird Vorsitzende. Die Zeit der Betriebsrats-Anpassung an die Unternehmens-entscheidungen wird beendet. Wolfgang Clement wird Chefredakteur. Im Juli kommt es mit dem Einstieg von Clement zu massenhaften Kündigungen in der Redaktion (15 an der Zahl). Clement will seine Mitbringsel unterbringen. Es kommt zu einer Unterschriftenaktion und einem offenen Brief an den G+J-Vorstandsvorsitzenden Gerd Schulte-Hillen. Die Hamburger Medien nehmen Notiz von dem Vorgang. Clement kocht und droht einzelnen Betriebsratsmitgliedern mit der Kündigung (funktioniert nicht). Im November wird die Bremer MOPO eingestellt. Die Schreib-maschine in der Redaktion wird Schritt für Schritt abgeschafft. Die MOPO führt das amerikanische Redaktionssystem SII ein. Das Layout wird weiter per Hand erstellt und die Seiten in der Druckerei Bude in Schwarzenbek montiert. Die MOPO schreibt weiter Millionen-Verluste.

1988

„Wer ist eigentlich eska“ schreibt der G+J-Vorstandsvorsitzende an Wolfgang Clement in einer seiner täglichen Blattkritiken an den Chefredakteur. Jede einzelne Seite wird von ihm kritisiert. „Man muss aufpassen, dass die Herzen der Redakteure beim Umweltschutz nicht mit ihnen durchgehen.“ „Die Schrägstellerei ist eine Manie der Layouter, die bekämpft werden muss.“ Schulte-Hillen soll nach einer Veröffentlichung eines Briefes in der WELT seine Kritik eingestellt haben. Christian Nienhaus und Wolfgang Clement brüllen sich vor versammelter Mannschaft im Treppenhaus über die Frage, wer das Sagen hat, lautstark an. Wolfgang Clement verlässt im November die MOPO. Ernst Fischer (Münchener Abendzeitung) wird neuer Chefredakteur. Die Auflage der MOPO liegt bei 158.000 Exemplaren.

1989

Der Aufsichtsrat von G+J beschließt am 26. Juni 1989 „auf Anregung von Herrn Mohn … eine mittel- und langfristige Fortschreibung der Planung“ für die MOPO. Ab dem Geschäftsjahr 1994/1995 soll die MOPO (fortwährend) Gewinne schreiben. Die Zahlen wurden unter G+J nie erreicht, aber man war wichtig. Der Jahres-abschluss weist ein Minus erheblichen Mio. DM Betrag Verlust aus.

1990

Herausgeber werden Hans Dichand und Rolf Schmidt-Holtz. Mit der Wende 1989 werden jede Menge MOPO-Titel für ostdeutsche Städte angemeldet. Die Gründung der Mecklenburger Morgenpost mit Redaktionsbüros in Schwerin und Rostock erfolgt. Ebenfalls gegründet wird die Dresdner Morgenpost. Später kommen noch die Leipziger und Chemnitzer Morgenpost dazu. Ca. 20.000 Exemplare der Mecklenburger Morgenpost werden täglich in der ersten Zeit verkauft. Der Verlag gibt an, dass es Tage gegeben hat, an denen 70.000 Zeitungen vertrieben wurden. Die Auflage der Hamburger Morgenpost liegt bei 166.000 Exemplaren.

1991

Gruner+Jahr will für alle Zeitungen in Hamburg/ Mecklenburg-Vorpommern, Berlin (Berliner Zeitung, Berliner Kurier/Kurier am Abend), Dresden (Sächsische Zeitung, Dresdner Morgenpost) ein einheitliches System für die Redaktion, die Anzeigen und den Satz einführen. Dieser gigantische Kram von G+J wird später beerdigt. Der Verkaufspreis der MOPO wird im März 1990 von 0,60 auf 0,70 DM erhöht. Die Auflage liegt bei 162.000 Exemplaren.

1992

G+J-Vorstand Martin Stahel wird MOPO-Geschäftsführer. Die MOPO startet die Aktion gegen die Neonazis: „Fremde brauchen Freunde – Stopp dem Hass“. Anlass war der Brandanschlag von Nazis in Mölln, bei dem drei Menschen ermordet wurden. Die Auflage liegt bei 165.000 Exemplaren.

1993

Dr. Mario Frank wird im Oktober Geschäftsführer. Die neue Strategie: Alle G+J-Kaufzeitungen sollen unter einem Dach zusammen gesteuert werden. An jedem Standort (Hamburg, Berlin, Dresden, Chemnitz) gibt es Verlagsleiter. Für alle Kauf-zeitungen soll ein einheitliches Redaktionssystem (Cicero) eingeführt werden. Klar, auch dieses Projekt scheitert. Matthias Nienhaus wird Verlagsleiter. Die MOPO bringt im Juni den zweiten großen Hamburger Medizinskandal nach Bernbeck ins Rollen. Gerd-Peter Hohaus erhält für seine couragierte Berichterstattung den Wächterpreis der deutschen Tagespresse.

1994

Manfred von Thien wird Chefredakteur. „Hamburg von der ersten bis zur letzten Zeile“ heißt das Konzept der Chefredaktion. Es kommt zu Spannungen zwischen von Thien und Matthias Nienhaus. Der Satz in Schwarzenbek wird im Juli beendet und die dortigen Kolleginnen und Kollegen in die MOPO übernommen. Im Oktober wird der Verkaufspreis von 70 auf 80 Pfennig erhöht. Im November muss Matthias Nienhaus den Platz räumen.

1995

Im Februar kommt es zur Umstellung des Redaktionssystems SII auf das QPS-System, das erst 2010 von NGen abgelöst wird. Die MOPO startet als erste deutsche Boulevard-Zeitung mit einem Internet-Auftritt auf dem Rechner des Deutschen Klima-Rechen-Zentrums der Uni Hamburg. Nach taz und WELT ist sie eine der ersten Tageszeitungen im Netz (28.09.1995). Dr. Bodo Almert, Anzeigenleiter von M. DuMont Schauberg in Köln, wird Geschäftsführer der MOPO. G+J beendet die Strategie der Zusammenfassung ihrer Kaufzeitungen, jeder Standort bekam wieder eine eigene Geschäftsführung. Die Auflage liegt am Jahresende bei 151.000.

1996

Im Januar verlässt Manfred von Thien die MOPO. „Der Tag, auf den Sie alle gewartet haben…“, sagt Dr. Mathias Döpfner, heute Vorstandsvorsitzender der Axel Springer SE, am 1.4. Mit ihm beginnt eine schwarze Periode der MOPO. Döpfner wollte die MOPO nach rechts wenden. Es kommt zum sogenannten „Kettensägenmassaker“. Wie Clement will er seine Mitbringsel einstellen (sie kamen und sind mit seinem späteren Abgang alle wieder verschwunden). Fast alle Ressortchefs sollen abgesägt werden. Es formiert sich ein Redaktions-beirat gegen die Rechtsentwicklung im Blatt. Döpfner schafft es auf eine sechsköpfige Chefredaktion. Nach fast fünfwöchigem Entführungs-drama ist der Hamburger Millionär Jan Philipp Reemtsma Ende April von seinen Kidnappern freigelassen worden. Unbemerkt von der Öffentlichkeit haben sich die Polizei und die Familie des Entführten einen Nervenkrieg mit den Kidnappern geliefert. Die Kommunikation mit den Entführern war über Anzeigen in der „Hamburger Morgenpost“ gelaufen. Zum Juli wird Frank Niggemeier stellvertretender Sportchef. Der Betriebsrat wünscht ihm am 30.06.1997 viel Erfolg. Der Hamburger Senat verleiht Gerd-Peter Hohaus den Alexander-Zinn-Preis für seine Medizinberichterstattung. Die Auflage liegt bei 145.000.

1997

Im Februar erscheint die MOPO im neuen Outfit. Eine millionenschwere Kampagne soll den Slogan „Die MOPO bringt’s“ bewerben, eine Auflage von fast 170.000 ist angepeilt. Der Geschäftsführer Bodo Almert wird Ende des Jahres von G+J vor die Tür gesetzt. Obwohl die Ursache bei der Kostenexplosion von Dr. Döpfner zu suchen ist, wird er dafür bestraft. Der Betriebsrat bewertet das Ausscheiden als ein Signal in die falsche Richtung. Die Auflage liegt bei 142.000.

1998

Dr. Bernd Buchholz, später ö G+J-Vorstandsvorsitzende (und heute Wirtschaftsminister in Schleswig-Holstein), wird im Januar Geschäftsführer. Ihm obliegt die Aufgabe der Sanierung der MOPO. In der ersten Zeit misstraut er jedem. Briefe schreibt er selber, selbst sein Sekretariat wird nicht damit beauftragt. Endlich scheidet Chefredakteur Döpfner im März in Richtung Springers WELT aus. Der Betriebsrat: „Die Redaktion ist nach diesen Abgängen, bei manch bitterem Aderlass, fast wieder die alte!“ Im Juli veröffentlichen die Betriebsräte von MOPO und Berliner KURIER eine gemeinsame Erklärung gegen Synergiepläne der beiden Titel. Marion Horn wird im September Chefredakteurin. Um ihre Berufung gibt es eine Debatte in der Redaktion. Der Betriebsrat begrüßt sie und wünscht ihr alles Gute. Dr. Buchholz bedankt sich beim Betriebsrat für die Öffentlichkeitsarbeit des Betriebsrats gegen das Synergiekonzept. Sie hätten jetzt einen großen Fisch am Haken, der mit ihnen eine Redaktionsgemeinschaft bilden wolle (gemeint war der junge Konstantin Neven DuMont) und der weitere Perspektiven für G+J bringen kann. Die MOPO hat weiterhin einen Verlust von Mio. DM, aber wesentlich weniger als unter dem Chefredakteur Döpfner. Die Auflage liegt bei 140.000.

1999

Im Januar erklären die drei Betriebsräte von MOPO, KURIER und EXPRESS: „Zusammen-arbeit – Ja! Aber nicht auf Kosten von Arbeits- plätzen und der publizistischen Vielfalt. …Wir Betriebsräte lehnen eine Zusammenarbeit nicht generell ab. Wir sind für eine Zusammenarbeit, die die Qualität hebt und zu einer stärkeren Akzeptanz der Titel in ihrem jeweiligen Verbreitungsgebiet führt.“ Buchholz präsentiert im April das Konzept der Redaktionsgemeinschaft. Die Redaktion hört es sich fassungslos an. Claus Larras, damals Zeitungs-vorstand vom Axel Springer Verlag, sprach von einem „verlegerischem Armuts-zeugnis.“ Im Juli startet das Ding, als Redaktionsleiter hat man Joachim Ortmann gewonnen. Zum 50. MOPO-Geburtstag sagt der G+J-Vorstandsvorsitzende Schulte-Hillen vor 1.800 Gästen in der Griegstraße in einer Rede, dass die MOPO noch für Überraschungen sorgen wird. Hamburgs Bürgermeister Ortwin Runde gratuliert der MOPO. Die Verkaufsgerüchte nehmen zu. Geschäftsführer Buchholz: „Da ist nichts dran“. Der G+J-Zeitungsvorstand Bernd Kundrun erklärt noch einen Tag vor dem Verkauf: Wir halten an der MOPO fest („Glauben Sie mir“). Am 20.10. wird der Kaufvertrag mit Frank Otto und Hans Barlach unterzeichnet. Ein Betriebs-ratsmitglied vor der versammelten Mannschaft damals im Layout: „Endlich sind wir sie los!“ Der Betriebsrat spricht von einer Chance für den Neuanfang.

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