Nach der Zustimmung des Bundeskartellamts zum Kauf der Hamburger Morgenpost durch die BV Deutsche Zeitungsholding (VSS/Mecom) gaben die Betriebsräte des Berliner Verlages und der MOPO am 22. Februar 2006 eine Presse-Information heraus.
Sie umfasste unsere Grundpositionierung zu den kommenden Synergieprozessen zwischen beiden Standorten, aber auch die Essentials unserer Zusammenarbeit. Das war für mich erstmalig, dass eine Betriebsratsvorsitzende des „herrschenden“ Unternehmens so etwas mitmachte.
Renate Gensch und ich kannten uns schon sehr lange, waren befreundet, so dass wir uns vertrauten und vorher die Abstimmung bzw. Austausch hatten. Ihre solidarische Haltung war für uns ein größes Glück, konnten weder wir gegeneinander noch die Belegschaften ausgespielt werden. Das war nicht immer leicht, weil die Entscheider ja in den Unternehmensstäben saßen. Renate war bei Erklärungen immer sehr genau, was bei meinen eher manchmal groben Formulierungen mehr als hilfreich war. Worte sind nicht nur mehrere Buchstaben, sie sollten einen Inhalt vermitteln. Durch ihre professionelle Sicht auf Texte konnten die Inhalte klar erzählt werden.
Zum Zeitpunkt der Übernahme der MOPO durch VSS/Mecom am 27. Januar 2006 war uns klar, dass Hamburg gerupft wird und wir die Arbeitsplätze verlieren werden. Unser Gestaltungsspielraum wurde größer, wenn wir mit dem Betriebsrat des Berliner Verlages einen engen und solidarischen Austausch hätten. Bei Renate war das klar.
Die Erklärung selber stammt vom 16. Februar 2006, auch wenn die Entscheidung vom Bundeskartellamts erst am 22. Februar 2006 erfolgte. Ich wollte vorher klar sein in der Positionierung und den Themen. Mit Renate war eine vorausschauende Arbeit mehr als möglich. Erst dadurch wurden wir flexibel.
Wenn ich das Papier heute lese (26. September 2025), bin ich sehr zufrieden, wie wir uns zwischen den Folgen der Synergien und der Betonung der eigenständigen Entwicklung der Titel positionierten. Hier der Wortlaut:
Anlässlich der Zustimmung des Kartellamts zum Erwerb der Hamburger Morgenpost durch die BV Deutsche Zeitungsholding betont der Betriebsrat der MOPO, dass er mit keiner anderen Entscheidung gerechnet hat. „Wir gehen ohne Illusionen an das Kommende heran. Die Sicherung der Vollredaktionen der beiden Boulevard-Zeitungen KURIER und MOPO ist für uns wesentlich. Die Identifikation der Beschäftigten mit dem jeweiligen Titel und der Arbeit darf nicht gefährdet werden“, hebt Holger Artus, Betriebsratsvorsitzender der MOPO die grundsätzliche Haltung hervor. „Es ist nicht die Zeit öffentlicher Spekulationen, was und ob es Synergien in Verlag und Redaktion der beiden Boulevard-Titel gibt. Wir müssen uns darauf einstellen, dass man diese Pläne auf ihre wirtschaftliche Substanz und Zukunftsfähigkeit prüft. Die entsprechenden Erklärungen liegen vor. Weder wollen wir Synergien auf Kosten von Arbeitsplätzen in Berlin und Hamburg, noch wollen wir, dass die Redaktionen und Verlagsabteilungen gegeneinander ausgespielt werden“
Aus den Erfahrungen in der G+J Kaufzeitungs-Gruppe (Berliner Kurier, Hamburger Morgenpost, Dresdner und Chemnitzer Morgenpost) Mitte der 90er wie auch mit der G+J Redaktionsgemeinschaft Ende der 90er Jahre, wisse man, dass die treibenden Kräfte in Richtung Synergien nicht in den Redaktionen, sondern im G+J-Vorstand saßen. Während damals beide Prozesse darauf ausgerichtet waren, die defizitäre Lage der Boulevard-Zeitungen in den Griff zu bekommen, gibt es heute eine grundlegend andere Ausgangsbedingung. MOPO und KURIER schreiben nach Unternehmensangaben schwarze Zahlen, haben an ihrem Standort eine eigenständige Strategie entwickelt und sind dabei erfolgreich. Die wirtschaftliche Interessenlage kann künftig dazu führen, dass versucht wird, Redaktionen und redaktionelle Leistungen gegeneinander auszuspielen. Es wird auch Versuche geben, veröffentlichte Artikel in Hamburg und Berlin zu bewerten. Eine funktionalisierte Kritik, pauschalisierte Thematisierung oder Kollegenschelte dürfte dabei der falsche Weg sein. Verantwortung für die Berichterstattung der Titel liegt in der jeweiligen Redaktion. Blattkritik hat dort stattzufinden, wo sie hingehört: in die Redaktionskonferenz. Wir waren in der Vergangenheit für einen Austausch der Redaktionen, den es mit und ohne G+J immer gegeben hat und bis heute gibt. Das wird sich nach dem Kauf nicht ändern.
Die Reichweite der beiden Zeitungen verdeutlicht ihren Platz an den jeweiligen Standorten. Die Stärken des Anzeigengeschäfts sind vor allem regional ausgerichtet. Auch künftig wird es darum gehen, in die Leistung der Titel zu investieren und mutig wie behutsam mit den Leserbedürfnissen redaktionell umzugehen. Die Online-Auftritte sind wichtiger Bestandteil der Erfolge der Zeitungen. Eine innovative Produktpolitik sollte insbesondere die Potentiale dieser Plattformen verfolgen. Wer anfangs nur, wie es Geschäftsführer der BV Deutsche Zeitungsholdung, Josef Depenbrock zu Recht gesagt hat, Geld sparen will, wird auf lange Sicht dafür bezahlen.
Die Beschäftigungsstrategie des Betriebsrats richtet sich an den Chancen am Standort aus. Innovation und Investition bedeuten, das vorhandene Potenzial der Beschäftigten weiter zu erschließen. Dabei trägt die Unternehmensleitung die soziale Verantwortung, wie man solche Wege ausgestaltet. „Uns ist an einer sinnvollen wie engen Zusammenarbeit mit den Geschäftsführern, den Gesellschaftern und dem Aufsichtsrat der BV Deutsche Zeitungsholding gelegen“, betonen Artus die Haltung des Betriebsrats. „Es kann nicht sein, dass man aufgrund unterschiedlicher Ausgangslagen die Zusammenarbeit nicht verfolgt. Sie dient der Sicherung von Arbeitsplätzen und ist auch im Interesse der Unternehmen. Dass man dabei Konflikte austrägt, liegt in der Natur der Sache. Die Erwerber müssen sich überlegen, was ihnen diese Zusammenarbeit wert ist und wie sie Konflikte gestalten. Wir sind der festen Überzeugung, dass beiden Seiten in der Vergangenheit diese Zusammenarbeit genutzt hat.“
Die Zusammenarbeit mit den Betriebsräten in Berlin wird man vertiefen. “Wir werden uns nicht erschrecken lassen – durch welche Pläne auch immer. Wir wissen im Zweifel um das dahinterliegende Motiv und werden uns darauf einstellen müssen. Der bisherige Erfolg der unterschiedlichen Zeitungstitel ist das Ergebnis einer Mannschaftsleistung in Redaktion und Verlag. Darauf setzen wir auch in Zukunft wie wir großen Respekt vor dem Engagement der Beschäftigten haben“, betont Artus.
Hamburg, den 22. Februar 2006